Letzte Worte
mit Pfarrerin Stefanie Schardien aus Fürth
26.08.2023 23:45

Letzte Worte

Guten Abend, bei den Tagesthemen höre ich abends am Ende immer hin: Gibt es schöne "letzte Worte"? Sowas wie "Bleiben Sie zuversichtlich"? Genauso bei Abschiedsfeiern oder wichtigen Reden: Letzte Worte sind besonders. Wie ein Vermächtnis. Und sie haben etwas Wegweisendes.

Das weiß ich, weil ich auch immer wieder letzte Worte spreche. Nicht auf Bühnen, sondern in Friedhofskapellen. Bei Trauerfeiern. Abschied von den Toten. Die letzten Worte, die ich da in der Ansprache als Pfarrerin über die verstorbene Mama oder den Opa oder die Schwester sage, die werden besonders gehört: als Vermächtnis, als Wegweiser. Was sagt man da?

Bei Trauergesprächen spüre ich erstmal nicht selten, dass die Angehörigen sich mühen: Bloß nichts Schlechtes sagen!
Das ist eine alte Lehre aus der Antike. "Nil nisi bonum" – Nichts als Gutes! Von Toten ist nichts als Gutes zu sagen. Kann man immer besonders gut bei so großen Beerdigungen sehen, wie von der Queen zum Beispiel oder vom Papst. Soviel Kritik es auch an ihnen gab – in den Traueransprachen… nichts davon zu hören. Sind das dann gute letzte Worte? Würdigen sie das Leben? Ist das tröstlich, am Ende nur an die guten Seiten zu denken?

Ich erinnere mich an ein Trauergespräch, bei dem die erwachsenen Kinder in den höchsten Tönen von der Mutter gesprochen haben. Wie sie überall so engagiert und beliebt war und immer adrett ausgeschaut hat und und und. Nichts als Gutes. Ich hab am Ende gesagt: "Irgendwie werde ich das Gefühl nicht los, dass Sie mir eigentlich noch was Anderes von Ihrer Mutter erzählen wollen." Da ging das Gespräch in die zweite Runde. Zum ersten Mal haben sie miteinander gesprochen: Über den ganzen Druck, die Härte und Kälte zuhause. Der Tisch war rappelvoll mit Wut und Enttäuschung. "Aber das sagen Sie bitte nicht so in der Ansprache." Nein, natürlich nicht so.

Traueransprachen sind keine bitteren Abrechnungen. Die Verstorbenen können sich ja nicht mehr wehren – Das war die Idee hinter der antiken Lehre, "nichts als Gutes" zu sagen. Als Pfarrerin deute ich sie heute so: Ich will für die letzten Worte immer nach etwas suchen, was an dem verstorbenen Menschen gut und liebenswert war. Das gibt es. Immer.
Aber was ist nun mit dem anderen? Mit den Abgründen? Mit den Verletzungen?

Wenn letzte Worte gut trösten sollen, dürfen sie das nicht einfach verschweigen. Dazu braucht es keine schmutzige Wäsche. Es reicht oft schon, daran zu erinnern, wie viele unterschiedliche Seiten ein Mensch haben kann. Und dass in jedem Leben etwas zurückbleibt, was nicht gut gelaufen ist und ungelöst blieb. Mal weniger, mal mehr.

Ist das ungebührlich, wenn ich mich nicht an die alte Lehre halte, "nichts als Gutes" zu sagen? Ich glaube nicht. Weil ich auf etwas vertraue – und davon rede ich in meinen Ansprachen auch: Dass das eigentliche, wichtigste letzte Wort über unser Leben erst noch kommt. Von Gott. Das wird keine Lobhudelei und keine Abrechnung. Das wird glasklar sein, alles benennen, die Highlights, die Tiefpunkte, alles dazwischen. Und dann wird es alles Kaputte heilen, Scherbenhaufen kitten, Lebensknoten auflösen.
So, dass am Ende "nichts als Gutes" daraus wird.

Ich wünsche Ihnen eine gesegnete Nacht.

 

 

 

Sendeort und Mitwirkende

Norddeutscher Rundfunk (NDR)

Redaktion: Sabine Pinkenburg