Predigt zum Nachlesen
Liebe Gemeinde, hier in der Kirche und zuhause an den Radiogeräten!
„Dich schickt der Himmel!“ Mit dieser Kampagne werben die Rotenburger Werke seit längerem für neue Mitarbeitende in ihrer diakonischen Einrichtung. Doch diese Worte sind viel mehr als nur ein Werbeslogan. Aus ihnen spricht die Dankbarkeit über Unterstützung zur rechten Zeit am rechten Ort. Oft, wenn wir mit einem anderen Menschen genau diese Erfahrung machen und wir dankbar und erleichtert darüber sind, dann sagen wir: „Dich schickt der Himmel“. Dabei nehmen wir diese Worte in dem Mund, manchmal bewusst - manchmal auch nur als Redensart, ohne genauer darüber nachzudenken.
„Dich schickt der Himmel“ Darin kommen nicht nur Dankbarkeit und Unterstützung zum Ausdruck. In diesen Worten schwingt die Hoffnung mit, dass eine Situation sich zum Guten wendet. Sie erzählen von der Erfahrung, dass die Sehnsucht nach Veränderung in Erfüllung geht, weil ein Stück vom Himmel auf unsere Erde kommt. Sie erzählen von himmlischen Geschenken. Davon handelt diese Predigt.
Die Bibel berichtet in vielen Geschichten von der wunderbaren Verbindung zwischen Himmel und Erde. Es beginnt damit, dass Gott Himmel und Erde erschafft mit allem Lebendigen darauf. Dem Menschen überträgt er eine besondere Aufgabe und Verantwortung. Von Anfang an sind damit Himmel und Erde, Gott und Mensch miteinander verbunden.
Der Abschnitt aus dem Epheserbrief, den wir gerade gehört haben, beschreibt dies mit den Worten: „Wenn ich mir das alles vor Augen halte, ´kann ich nicht anders, als anbetend` vor dem Vater niederzuknien. Er, dem jede Familie im Himmel und auf der Erde ihr Dasein verdankt und der unerschöpflich reich ist an Macht und Herrlichkeit.“
Die Verbindung zwischen Mensch und Gott hat viele Facetten. Sie ist geprägt von der Hingabe zu Gott, aber auch von Zweifeln und der Abkehr von ihm. Bis heute ist das so. Manche Menschen widmen Gott ihr Leben, andere haben sich durch bittere Erfahrungen in ihrem Leben von ihm abgewandt. Und für immer mehr Menschen scheint Gott heute keine Bedeutung mehr zu haben. Aber Gott hat uns Menschen, seine Geschöpfe, nie aufgegeben.
In Jesus ist diese Liebe und Treue Gottes zu den Menschen in besonderer Weise deutlich geworden. Als er geboren wird, so erzählt das Lukas –Evangelium, verkündet ein Engel: „Fürchtet euch nicht! Siehe, ich verkündige euch große Freude, die allem Volk widerfahren wird, denn euch ist heute der Heiland geboren.“ In jener Nacht wird Gott Mensch und bringt in Jesus Christus den Himmel auf die Erde. Jesu Leben und Sterben erzählen von dieser Verbindung. Er lebt, er stirbt elendig am Kreuz und besiegt doch den Tod. Alle, die in seine Nähe kamen, spürten, wie Himmel und Erde sich in ihm vereinten. Und dann ist er nicht mehr da -.
Am letzten Donnerstag haben wir Himmelfahrt gefeiert. Nach dem Auf und Ab der Gefühle, nach dem Hin- und Hergeworfen Sein zwischen Verzweiflung und Hoffnung hatten die Jünger nun endgültig Abschied nehmen müssen von ihrem Herrn. Er war vom Himmel geschickt! Das war ihre feste Überzeugung, seit sie ihm begegnet waren. Die Art und Weise, wie er redete und die Wunder, die er vollbrachte, hatten ihr Leben grundlegend verändert. Sie waren ihm gefolgt, hatten alles aufgegeben und waren mit ihm ausgezogen in eine unbekannte Zukunft. Seine Gegenwart und die Gemeinschaft mit ihm hatte sie zu diesem Schritt bewogen. Er war vom Himmel geschickt! Er war Gottes Sohn! Daran glaubten sie fest. Und nun mussten sie ohne ihn auskommen. Sie konnten nicht mehr fasziniert an seinen Lippen hängen und nicht mehr seine Wunder bestaunen. Sie konnten ihm keine Fragen mehr stellen und mit ihm diskutieren. Schmerzlich vermissten sie ihn und fühlten sich allein. Wie sollte es ohne ihn weitergehen?
Es ist bitter, Abschied zu nehmen.
„Das ganze Leben ist ein langer Abschied“, hat mal jemand gesagt. Das stimmt. Immer wieder müssen wir erfahren, wie weh es tut, einen Menschen, der uns nahestand, gehen zu lassen.
- Weil er erwachsen geworden ist und sein Elternhaus verlässt,
- weil die Liebe zerbrochen ist und der eine am Ende geht
- oder weil jemand verstirbt, der einen besonderen Platz in unserem Herzen hatte.
Es ist bitter, einem Menschen nicht mehr nahe sein zu können.
Gerade in diesen Corona-Zeiten hat die Bedeutung von Nähe eine neue Dimension bekommen. Über Wochen durften Menschen Familienangehörige und Freunde nicht besuchen. Geplante Feiern mussten ausfallen. Nähe gab es nur aus der Distanz. Jetzt gibt es schrittweise Öffnungen.
Die Beschränkungen waren wichtig und sinnvoll, um das Leben der Menschen zu schützen, denen das Corona-Virus besonders gefährlich werden könnte. Aber die Beschränkungen taten auch weh. Viele haben mir in den letzten Wochen erzählt, wie schmerzlich das Kontaktverbot für sie war. Ich selbst habe es am eigenen Leib in meiner Familie erfahren. Meine Söhne konnte ich längere Zeit nicht sehen und mit meiner 90-jährigen Mutter kommunizierte ich über ihren Balkon. Es ist gut, dass wir über das Telefon, über Skype oder Facetime den Kontakt halten konnten – ersetzen aber können diese technischen Möglichkeiten auf Dauer die menschliche Nähe nicht. Das ist eine der wichtigen Erfahrungen aus den vergangenen Wochen.
Die Jünger können nicht auf solche Medien zurückgreifen. Aber Jesus gibt ihnen etwas Anderes mit auf den Weg. Einen himmlischen Lebensproviant. Er segnet sie. Und plötzlich wird ihnen bewusst, dass er es gut mit ihnen meint, auch wenn er nicht mehr als Person bei ihnen sein kann. Sie spüren, dass er sie weiterhin begleiten und beschützen wird, was auch geschieht. Und sie erleben, wie sie mit dieser gemeinsamen Erfahrung zu einer Gemeinschaft werden, die ihnen Kraft schenkt für das, was vor ihnen liegt. Dieser Segen wird nun ihre Wegzehrung. Ein himmlisches Geschenk.
Mit dem Segen im Gepäck machen sie sich auf den Weg. Was auf sie zukommt, wissen sie nicht. Genau wie wir. Auch unsere Zukunft liegt wie ein leeres Blatt vor uns. Womit es gefüllt wird - wer weiß?
Mit dem Segen im Gepäck machen sich die Jünger auf den Weg in eine ungewisse Zukunft. Es wird kein einfacher Weg, nicht für sie und nicht für alle, die nach ihnen kommen und ihren Glaubensweg gehen.
Auch Paulus erlebte dies am eigenen Leib. Im 2. Korintherbrief beschreibt er ausführlich, was er auf seinem Weg durchleiden musste: Gefährliche Reisen zu Land und zu Wasser, Hunger, Durst, Rückschläge in der Arbeit, und dann die Sorge für die Gemeinden.
Er und viele andere Menschen hatten und haben es bis heute nicht leicht auf ihrem irdischen Weg. Immer wieder kommt Leid über Menschen und verdunkelt das Leben. Viele könnten davon erzählen:
Von Krankheiten, die Lebensträume wie Seifenblasen zerplatzen lassen, von Schicksalsschlägen, die verzweifelte Menschen zurücklassen, von Gewalt und Terror, die Menschen aus ihrer Heimat vertreiben, und ihnen oft sogar das Leben nehmen. Nein, unser Lebensweg verläuft nicht gerade und ist mit Blumen bestückt, sondern manchmal auch steinig, führt durch finstere Täler und macht Angst.
Auch diese Zeiten sind für viele leidvoll. Noch am Anfang des Jahres hätten wir nie für möglich gehalten, was nun bittere Realität geworden ist:
- Dass ein kleines Virus große Teile der gesamten Welt zum Erliegen bringt.
- Dass viele Menschen ihr Leben durch die Pandemie verlieren.
- Dass ganze Branchen wirtschaftlich am Ende sind, Menschen in die Arbeitslosigkeit getrieben werden und die Sorge um die wirtschaftliche Existenz groß ist.
- Dass wochenlang die Kirchen geschlossen bleiben. Und das in einer Zeit, in der so viele gerne gerade an diesem Ort Gottes Trost und Zuversicht suchen möchten.
Das Herz der Jünger wurde immer wieder erfüllt von Zweifeln an dem, was sie glauben. Es wurde erfüllt von Ängsten vor dem, was auf sie warten mag und von ihnen erwartet wird.
Auch heute sind viele Herzen belastet von Sorgen und Ängsten. Selbst mit dem Proviant des Segens wird das menschliche Herz nicht frei von Verzweiflung und Mutlosigkeit.
Genau darüber spricht der Verfasser des Epheserbriefes.
So formuliert er in den Zeilen an die Gemeinde die Bitte, „dass Christus aufgrund des Glaubens in ihren Herzen wohnen solle.“
Ein schönes Bild, finde ich. Unser Herz hat viel Platz. Es muss nicht nur gefüllt sein von Sorgen und Ängsten, sondern gerade heilsame und ermutigende Gedanken können ein Herz bewohnen. Manchmal ist die Erinnerung an einen lieben Menschen ein solcher Schatz, der ein Herz erwärmt.
Christus im Herzen zu haben, das ist ein ganz besonderes Geschenk. Ein himmlisches Geschenk. Wo Christus im Herzen wohnt, da ist Vertrauen, dass schließlich alles ein gutes Ende nehmen wird, selbst wenn dieses Ende noch in weiter Ferne zu sein scheint.
Wo Christus im Herzen wohnt, da lebt eine Hoffnung, die auch gegen den Augenschein nicht verlischt.
Wo Christus im Herzen wohnt, da, liebe Gemeinde, ist die Liebe zuhause.
Die Pandemie hat unser Leben auf den Kopf gestellt. Aber sie hat uns auch auf das zurückgeführt, was wir im Alltag oftmals vorher vergessen hatten. Wie wichtig die Gemeinschaft ist. Wie wichtig Zusammenhalt ist. Wie wichtig es ist, sich daran zu erinnern, was uns trägt: Es ist die Liebe.
In seinem Leben und Sterben war Jesus der Liebe zu Gott, seinem Vater, und der Liebe zu den Menschen gefolgt. Auf die Frage eines Schriftgelehrten nach dem höchsten Gebot setzt er die Liebe zu den Mitmenschen und die Liebe zu Gott gleich und verbindet damit Himmel und Erde.
Diese Liebe ist unser Lebenselixier.
Deshalb soll „unser Leben ist in der Liebe verwurzelt und auf das Fundament der Liebe gegründet sein,“ wie es im Epheserbrief heißt.
Wo Christus im Herzen wohnt, da wohnt die Liebe. Und damit haben wir das wunderbarste Geschenk überhaupt. Es hilft uns, auch auf steinigen Wegen nicht zu verzweifeln im Vertrauen darauf, dass diese Liebe uns trägt, was auch geschieht. „Siehe, ich bin bei euch alle Tage, bis an der Welt Ende.“
Das ist und bleibt sein Versprechen. Wer darauf vertraut, der wird aus vollem Herzen sagen: „Dich schickt der Himmel“
Jesus verabschiedet die Jünger nicht nur mit seinem Segen. Er verspricht ihnen ein weiteres himmlisches Geschenk. Gott wird die Verbindung zu den Menschen, die er in Jesus Christus neu gefestigt hat, nicht abreißen lassen. Er wird in seinem Namen den heiligen Geist senden. Dieser göttliche Geist wird die Menschen daran erinnern, dass Gott untrennbar mit ihnen verbunden ist, so wie Jesus es in Wort und Tat gelebt hat. Er tröstet und ermutigt sie, gemeinsam für eine Welt einzutreten, in der Frieden und Gerechtigkeit herrschen und die Botschaft der Liebe zum Licht in den Dunkelheiten dieser Welt wird. Gott selbst erfüllt die Menschen mit seiner Kraft und Stärke.
Das Pfingstfest steht vor der Tür. Dann wird wieder die Geschichte erzählt, wie die Jünger, die sich mutlos verkrochen hatten und schon daran dachten, ihr altes Leben wieder auf zu nehmen, plötzlich eine Wandlung erleben und sie zu Botschaftern der guten Nachricht werden. Erfüllt vom Heiligen Geist ziehen sie in die Welt. Damit beginnt eine neue Zeit. Bis heute erzählen Menschen von der Liebe Gottes zu uns, seinen Geschöpfen, von Jesu Weg der Liebe und dem Auftrag an uns alle, sie weiter zu tragen in diese oft so lieblose Welt.
Die Liebe kann Berge versetzen. Und sie zeigt sich nicht nur in dem, wie und was ich sage. Sie zeigt sich besonders in dem, wie ich mit Menschen umgehe. Beides, Wort und Tat gehören zusammen. So ist mit der Verkündigung des Wortes Gottes der Dienst am Nächsten untrennbar verbunden. Alles was ich einem Menschen tue, tue ich auch ihm. In jedem menschlichen Antlitz ist das Antlitz Christi erkennbar. Darauf fußt diakonische Arbeit. „Wir können nur mit Gott reden, wenn wir unsere Arme um die Welt legen,“ hat der Religionsphilosoph Martin Buber es treffend formuliert.
Immer wieder haben Menschen bewiesen, was sie Unglaubliches leisten können, wenn diese Kraft sie erfüllt. Gerade in den hinter uns liegenden Wochen ist deutlich geworden, wie Liebe Berge versetzen kann und welche Kraft einem Menschen manchmal innewohnt. Alltagshelden werden diese Menschen genannt. Liebe zeigt sich auch darin, einen Menschen wert zu schätzen und seine Leistung anzuerkennen. Vergessen wir also über die Pandemie hinaus nicht, welche Bedeutung die verschiedenen Berufsgruppen für uns alle haben. Jeder ist wichtig an seinem Platz. Jeder Mensch ist systemrelevant.
Die Liebe. Sie ist für unser Leben von unermesslicher Bedeutung.
Das Leben, Sterben und Auferstehen von Jesus Christus ist zum Sinnbild einer Liebe geworden, die Himmel und Erde, Gott und Mensch, für immer verbinden. Seine Liebe in all ihren Dimensionen zu erfassen, wird uns Menschen vielleicht nie möglich sein. Aber wenn er in unserem Herzen wohnt, dann werden wir etwas über ihre Breite, ihre Länge, ihre Höhe und Tiefe erfahren.
Wir sind so reich beschenkt. Gottes Liebe umgibt uns, noch bevor wie unseren ersten Atemzug tun.
Sie begleitet uns unser Leben lang, selbst, wenn es uns nicht immer bewusst ist oder wir uns davon abwenden. Nichts kann uns von seiner Liebe trennen.
So sind wir auf ewig mit dem Himmel verbunden. Er ist in uns. Er ist dort, wo Liebe lebt.
Und diese Liebe übersteigt unsere Vorstellungskraft. Sie verzeiht, sie tröstet, sie will aufrichten und stärken.
Wir gehen unseren Lebensweg in eigener Verantwortung. Jeder auf seine Weise. Doch wir gehen unseren Weg mit wunderbaren himmlischen Geschenken. Wir sind nicht allein, selbst nicht in dunklen Zeiten. Gott bleibt mit uns in Christus in Liebe verbunden.
Sein Segen begleitet uns und schenkt uns Schutz und Vertrauen für unseren Weg durch die Zeit.
Jesus Christus, sein Sohn, kann in unserem Herzen wohnen und uns immer wieder der Liebe versichern, die uns Halt gibt und uns ermutigt, sie weiter zu tragen in die Welt.
Sein Geist schenkt uns Mut, Kraft und Hoffnung für die Zukunft.
Wir sind alle vom Himmel reich beschenkt. Mit diesem Lebensproviant können wir getrost in die neue Woche gehen.
Und der Friede Gottes, welcher höher ist all unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.
Es gilt das gesprochene Wort.