Jörn Spiegelberg / Photo Juvenile
Im Einsatz
mit Pfarrer Ingo Janzen aus der evangelischen Johanneskirche in Fröndenberg-Frömern
09.02.2025 10:05
Der Evangelische Rundfunkgottesdienst - live im Deutschlandfunk um 10.05 Uhr mit Pfarrer Ingo Janzen, Beauftragter für die Notfallseelsorge dieser Region, aus der Johanneskirche in Fröndenberg-Frömern / Nordrhein-Westfalen.
 
"Im Einsatz!" lautet das Thema dieses sogenannten "Blaulichtgottesdienstes" der Notfallseelsorge im Kreis Unna.

Im Gottesdienst sind Einsatzkräfte aus Feuerwehr, Rettungsdienst, Polizei, Notfallseelsorge und Hilfsorganisationen beteiligt. Die Predigt hält Pfarrer Ingo Janzen, Beauftragter für die Notfallseelsorge in der Region.

Wenn ein Notfall alles durcheinanderbringt, wie gelingt es, wieder Vertrauen zu fassen? Wie kommt das Leben wieder "in Ordnung", wenn nichts mehr ist, wie es war? Diesen Fragen geht der Gottesdienst nach. Im Mittelpunkt der Predigt steht dabei die biblische Erzählung, wie Jesus einen Sturm stillt. (Markus 4,35-41)

Musikalisch wird der Gottesdienst gestaltet durch den Chor "Swingin´ Voices", den Evangelischen Posaunenchor Frömern sowie Daria Burlak an der Orgel.

Lieder des Gottesdienstes:
1.-2. Lied: EG 447, Lobet den Herren, alle die ihn ehren
3. Lied: EG 419, Hilf, Herr meines Lebens
4. Lied: EG 272, Ich lobe meinen Gott von ganzem Herzen
5. Lied: EG 665, Liebe ist nicht nur ein Wort (Gesangbuch Rheinland/Westfalen/Lippe)
6. Lied: EG 607, Herr, wir bitten: Komm und segne uns!


 

Informationen zur Notfallseelsorge des Kreises Unna:

Das ökumenische Team der Notfallseelsorge im Kreis Unna ist für den Einsatz besonders fortgebildet und leistet einen Bereitschaftsdienst an sieben Tagen die Woche/24 Stunden. Ohne Ansehen von Person, Religion oder Konfession betreut und begleitet die Notfallseelsorge Angehörige und Leichtverletzte am Unfallort, Angehörige nach dem Erhalt einer Todesnachricht oder Polizeibeamte beim Überbringen von Todesnachrichten. Angehörige nach einer erfolglosen Wiederbelebung, Menschen bei Suizidversuch, aber ebenso Eltern bei Kindernotfällen und plötzlichem Kindstod werden von der Notfallseelsorge betreut.

 
Predigt nachlesen:

Liebe Gemeinde, liebe Hörerin, lieber Hörer,
wir gehen in den Einsatz. 

Die Polizei muss gemeinsam mit der Notfallseelsorge eine Todesnachricht überbringen, die Feuerwehr rettet Leben, der Notarzt und sein Team können dieses Mal leider nichts mehr tun. 

Ein Zugunglück, ein Schuleinsatz nach einer Drohung, ein Busunfall mit vielen Betroffenen oder ganz oft ein Einsatz im privaten Bereich. Wir Einsatzkräfte sind vor Ort, oft aus verschiedenen Bereichen und mit verschiedenen Aufträgen. 

Wie fast immer wird es zu Beginn kompliziert. Denn in dieser Chaos-Phase zu Beginn eines Einsatzes müssen sich alle erst einmal orientieren, um danach das Richtige zu tun am richtigen Ort.

Ordnung ist dann alles, Regeln müssen eingehalten werden.

Wenn alle gut zusammenarbeiten, wird aus dem Chaos allmählich eine überschaubare Lage, in der Strukturen und Aufgaben entstehen, die mehr oder weniger erfolgreich abgearbeitet werden können. 

Ich wage mal einen Vergleich zwischen unserer Arbeit und dem Schöpfungsbericht am Anfang der Bibel: "Die Erde war wüst und leer" heißt es zu Beginn – auf Hebräisch: Tohu wa bohu.

Dieses Wort kennen wir in unserem Sprachgebrauch als Bezeichnung für großes Durch-einander, für undurchsichtige und verworrene Lagen. 

In dem biblischen Bericht entsteht aus dem Tohu wa bohu durch Gottes ordnende Hand die Welt mit ihrem vielgestaltigen, reichen Leben. Und darin hat alles eine gute Ordnung. Darin gibt es Tag und Nacht, Wasser und Land, Pflanzen, Tiere und Menschen. Alles hat Gott geschaffen. Und es ist sehr gut. Ein Schöpfungsbericht, der übrigens ursprünglich tatsächlich gegen die Ängste vor Naturgewalten und Chaosmächten geschrieben wurde. Gott hat alles geschaffen, und hinter dem Leben steht eine gute Ordnung. 

Darin steckt für mich noch eine andere Erkenntnis, nämlich dass es immer Einsatz und Energie braucht, um aus dem Chaos eine Ordnung zu schaffen, die das Leben fördert. Das betrifft unsere Arbeit als Einsatzkräfte unmittelbar. 

Wir versuchen oft, das Schlimmste zu verhindern, oder helfen, mit dem Schlimmsten umzugehen.

Und dabei stellen wir fest: Wenn Menschen sich orientieren und organisieren, wenn sie wieder in eine gute Ordnung kommen, dann beginnt das Überleben. Dann wächst lang-sam die Erkenntnis, dass das eigene Leben weitergeht, wenn auch mit anderen Vorzeichen. 

Es wird nicht alles gut, und die Zeit heilt nicht alle Wunden. Wenn wir als Helfer gehen, ist die alte Ordnung nicht wiederhergestellt. Meist dauert es seine Zeit, bis Menschen lernen, die neue Situation in ihr Leben zu integrieren und für sich selbst neue Perspektiven zu sehen. Manchmal ist mehr Hilfe als die unsere notwendig. Manchmal ist erst-mal alles vergeblich. Wir sind eben nur Menschen. Wir sind nicht Gott.

Und doch leisten wir etwas, was ich als Auftrag Gottes bezeichnen möchte. Wenn es gelingt, eine gute Ordnung wenigstens anzubahnen und das Vertrauen ins Leben wieder zu ermöglichen.

Natürlich kennen und erkennen wir unsere Grenzen. Unser Einsatz führt nicht immer zum Erfolg.  Wobei Erfolg oft erst nur meint, den anderen zu helfen, in den ersten Stunden mit dem Schlimmen und Belastenden umzugehen. Reden, die Hand halten, trösten, in den Arm nehmen. Angehörige anrufen. Erklären, was geschehen ist. Die nächsten Schritte einleiten. Schweigen, Tränen aushalten, da sein. Gerade Einsatzkräfte müssen damit umgehen, dass uns nicht alles gelingt, dass wir mit unseren Fähigkeiten und Möglichkeiten begrenzt sind. Wir müssen mit dem Scheitern umgehen und können den Fragen nach dem Warum, der Frage nach dem Leid und der Frage nach der Schuld nicht ausweichen. 

Menschen aus Feuerwehr, Polizei, Rettungsdienst, Hilfsorganisationen, Technischem Hilfswerk und Notfallseelsorge: 
Wir stellen uns in Notsituationen zur Verfügung, wenn Mitmenschen sich hilflos oder verlassen fühlen und nicht mehr weiterwissen. Immerhin das ist uns möglich. 

Zugegeben: Manchmal wäre ich dabei gern so ruhig und gelassen wie Jesus auf dem Boot, als der Sturm losbricht. Als alle anderen Angst haben, hat er Vertrauen. Mitten im Tohuwabohu des Sturms ruht Jesus in sich.

II
Wie gern würde ich manchmal wie Jesus im Boot die Ruhe weghaben. Wie gern würde ich im schlimmsten Sturm noch ein Nickerchen machen können. Jesus versucht, als er geweckt wird, Ruhe und Ordnung ins Chaos zu bringen. Jedenfalls strahlt er Ruhe aus. Er bleibt vollkommen gelassen. Er hat Vertrauen. Und dann steht er auf, droht dem Wind und sagt zu dem See: Schweig, sei still! Und der Wind legt sich. 

Allerdings legen sich die Stürme in unserem Leben, in unserer Arbeit als Einsatzkräfte nicht auf Befehl. Und die Erfahrungen, die wir dabei machen, sind nicht immer gut zu verdauen.

Aber das verspricht uns die Geschichte von der Sturmstillung auch gar nicht: Dass wir auf einmal die volle Macht über die Stürme des Lebens haben. Sie sagt nicht: Bleib ganz cool, und dann erledigt sich alles wie von Zauberhand. 

Sie erzählt davon, dass da einer ist, der nicht auf die Panik der anderen einsteigt. Jesus bleibt gelassen. Er bewahrt sich einen Abstand zur stürmischen Lage.

Wer schon einmal einen guten Einsatzleiter in einer chaotischen Lage erlebt hat, dem es gelingt, die Gelassenheit zu bewahren, weiß, wie wohltuend dieser Ruhepol ist.   

So ungefähr verhält sich Jesus. Das lässt sich lernen an dieser Geschichte für alle, die Menschen in Krisen begleiten. Das ist mal der Rettungssanitäter, der als erster in der Wohnung ankommt, als der Notruf ausgelöst wurde, mal die Notfallseelsorgerin, die noch bleibt, nachdem die Polizei eine Todesnachricht überbracht hat, mal die Nachbarin, die da ist und zuhört. Wie gut, wenn Menschen in den Stürmen des Lebens Ruhe bewahren und helfen, das Chaos zu ordnen.

Oft brauchen wir Mut und Widerstandskraft, um uns dem Sturm entgegenzustellen. Oft auch Abstand und Gelassenheit. Und immer ein Grundvertrauen ins Leben. Dass Dinge gut werden können. Dass wir am Ende von Gott gehalten werden, egal, was geschieht. 

Die Geschichte vom schlafenden Jesus zeigt mir nicht, wie toll er ist und wie ängstlich und klein dagegen die Jünger im Boot sind. Nein, wir können etwas daraus lernen: Wie er sollen wir uns von den Stürmen des Lebens nicht in Panik versetzen lassen. 

Wie schwierig das ist, zeigen die Jünger, die im Boot sitzen. Obwohl sie Jesus ganz nah sind, zweifeln sie und erschrecken vor der Gewalt des Sturms. Ja, sie erschrecken auch vor der Stillung des Sturms. Die Wucht des Geschehens kann Verstand und Gefühl überfluten und überfordern.

Um es klar zu sagen: Wer Schreckliches erlebt, darf Angst haben und in Panik geraten. Das ist menschlich. Wieder Ruhe gewinnen und nachdenken können über das Erlebte, das sind Schritte, die erst folgen.

Umso wichtiger, wenn andere, die nicht selbst betroffen sind, die von außen kommen und helfen können, sich nicht in Panik versetzen lassen, sondern Ruhe und Vertrauen ausstrahlen. 

Das kann uns fähig machen, einander zu helfen und beizustehen: als Einsatzkräfte, als Familie, als Freunde und als Nachbarn.

Bei uns Einsatzkräften heißt es oft: "Steig nicht mit ins Boot!" Das heißt: Lass dich nicht anstecken von der Panik, sonst drohst du mit unterzugehen in den Ängsten und Stürmen der anderen, die gerade etwas für sie Schlimmes erleben. Wir Einsatzkräfte sind ein Gegenüber, wir versuchen, Ruhe und Ordnung in eine Notlage hineinzubringen.

Wie gesagt, ein bisschen wie Jesus bei dem Sturm auf dem See. Jesus sitzt mit seinen Jüngern im Boot, aber er steigt nicht ein in die Panik der anderen. Er bewahrt sich einen Abstand zur stürmischen Lage und bleibt gelassen. Das finde ich eine Vorstellung: Denn wenn Jesus an Bord ist, ist da einer, auf den ich mich verlassen kann. Unbedingt!

Davon kann ich mich tragen lassen, von seiner Ruhe und Gelassenheit kann ich lernen und dem Sturm trotzen. 

In der Notfallseelsorge singen wir oft das Lob der Ordnung:
Ordnung, die vom Chaos, vom Tohuwabohu ins Leben führt. 

Es ist zugleich ein Lob der Hoffnung und der Liebe, gegen Mutlosigkeit, Panik und Verzweiflung. 

Es soll nicht heißen: Alles wird gut! Aber egal, in welchem Sturm, in welchem Boot wir uns befinden: Von Jesus können wir lernen, Gott in jedem Moment des Lebens zu vertrauen, auch in den schweren Zeiten. 

Genauso wie in glücklichen Zeiten, wenn es ruhig ist, keine Sirene geht, keiner ausrücken muss, wenn wir das Leben genießen und annehmen können. Lobe den Herren!  

Amen


Es gilt das gesprochene Wort.
 

 

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Kontakt zur Sendung

Pressekontakt: 
Pfarrer Dr. Titus Reinmuth 
Stellvertretender Evangelischer Rundfunkbeauftragter beim WDR
Telefon: 0211 415581-12
E-Mail: reinmuth@rundfunkreferat-nrw.de 
 

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