Predigt zum Nachlesen
Im vorhin gelesenen Predigttext erzählt Jesus von einem ziemlich aufdringlichen Freund, den man wahrscheinlich gar nicht so gerne zum Freund hätte. Wer mag schon nachts herausgeklingelt werden? Und doch wird uns die Aufdringlichkeit des Freundes als positives Beispiel vor Augen geführt. Jesus will seine Jünger, und damit ja auch uns, anregen, mit all unseren Anliegen zu Gott zu kommen. Ja, wir dürfen Gott sogar „nerven“. Er will uns das geben, worum wir ihn bitten.
Aber - ist das nicht anmaßend? Gott ist doch kein Automat, in den man oben ein Gebet hineinsteckt und unten die Erhörung herauskommt.
Ich denke, es geht hier um etwas anderes:
Dieser unverschämte Freund weiß, dass er sich auf seinen Freund verlassen kann, selbst wenn er ihn mitten in der Nacht stört. Außerdem weiß er: „Der hat, was ich nicht habe! Und weil ich sein Freund bin, wird er es mir geben!“ Wenn ich diese Grundhaltung auf das Gebet zu Gott übertrage, dann geht es nicht nur darum, etwas von Gott zu bekommen, sondern etwas von Gott zu bekommen. Ich wende mich nicht an irgendjemand, sondern an ihn. Er hat, was ich nicht habe. Er kann, was ich nicht kann. Und ich vertraue ihm, deshalb bete ich.
In diesem Gleichnis Jesu werden also zwei Dinge gleichzeitig angesprochen: einerseits mein Mangel und andererseits meine Beziehung zu Gott. Beide zusammen bewirken, dass ich ihm meine Anliegen bringe.
Im zweiten Gleichnis des heutigen Bibeltextes wird diese vertrauensvolle Beziehung noch einmal unterstrichen. Jesus vergleicht Gott mit einem Vater, der seinem Kind nicht etwas Schlechtes gibt, wenn es ihn um etwas bittet. Obwohl wir fehlbare Menschen sind, würden wir doch nie unseren Kindern vorsätzlich etwas Böses antun, wenn sie sich vertrauensvoll an uns wenden. Umso mehr dürfen wir doch damit rechnen, dass unser Vater im Himmel uns Gutes geben wird, wenn wir uns vertrauensvoll an ihn wenden!
Diese beiden Gleichnisse fasst Jesus in einem Vers zusammen: „Bittet, und es wird euch gegeben; sucht, und ihr werdet finden; klopft an, und es wird euch geöffnet.“ Und, um zu unterstreichen, dass er es wirklich so meint, wiederholt er noch einmal: „Denn jeder, der bittet, empfängt, und wer sucht, findet, und wer anklopft, dem wird geöffnet.“
Die Grundbotschaft lautet also: Beten lohnt sich! Und warum? Weil Gott unsere Gebete erhören will! Das ist wirklich eine Ermutigung!
Aber stimmen diese Worte Jesu eigentlich mit unserer Lebenserfahrung überein? Wie erleben Menschen Gebet? Beten sie überhaupt? Und wenn sie beten, was gibt ihnen das? Dazu hatten wir die kleine Straßenumfrage gemacht.
Ich habe daraus entnommen: Gebet ist für einige überhaupt keine Option. Das kann ich verstehen. Mir ging es früher nicht anders. Gott war für mich einfach zu weit weg und Bibelworte waren eher menschliche Wünsche als himmlische Zusagen. Doch das hat sich geändert. Ich habe es nämlich doch einmal gewagt, zu beten. Außerdem habe ich nicht gleich aufgegeben, wenn nicht sofort etwas geschah. Und dann stellte ich zu meinem Erstaunen fest: Ich hätte nie gedacht, dass Gott uns so nahe sein kann!
Offensichtlich ergeht es anderen auch so. Sie äußerten sich sehr positiv über das Gebet. Allerdings trafen wir niemanden, der uns von einer Gebetserhörung etwas berichtete. Das finde ich auch interessant.
Denn da stellt sich die Frage: Wann ist ein Gebet eigentlich erhört? Könnte es vielleicht sein, dass wir Gebetserhörungen übersehen, weil sie anders kamen, als wir erwartet hatten?
Dazu eine kleine alte Geschichte:
Eine gläubige Frau, die sehr arm war, hatte weder Brot, um etwas zu essen, noch Geld, um sich etwas zu kaufen. Doch weil sie auf Gott vertraute, kniete sie nieder und bat ihn um ein Brot. Auch sie hatte davon gehört: „Wer bittet, dem wird gegeben!“
Draußen kamen einige Jungs reicher Eltern vorbei, die das Gebet der armen Frau hörten, da diese ihre Fenster geöffnet hatte. „Hört euch diese alte, naive Fromme an! Wollen wir ihr einen Streich spielen?“, fragten sie sich gegenseitig. Gesagt, getan - die Jungs besorgten ein Brot und legten es auf den Fenstersims der alten Frau. Dann versteckten sie sich und warteten, was als Nächstes passieren würde.
Als die Frau nun aufhörte, zu beten, schaute sie zum Fenster - und siehe da, da lag ein frisches Brot! Sofort fing sie an, Gott laut dafür zu danken. Da wurde sie vom schallenden Gelächter der Jungs unterbrochen. „Das war nicht Gott, das waren wir!“, erklärten sie der verdutzten Frau. Doch diese antwortete: „Hört mal: Ich habe Gott um ein Brot gebeten - und nun habe ich ein Brot! Ihr wolltet euch einen Scherz mit mir erlauben und mir zeigen, wie unsinnig es ist, Gott zu vertrauen. Doch in Wirklichkeit seid ihr seine Handlanger geworden!“
Manchmal denke ich: Gott hat Humor, wie er manchmal Gebete erhört.
Unter anderem sagt uns diese kleine Geschichte: Wenn wir Gott um etwas bitten, muss nicht unbedingt ein übernatürliches Wunder geschehen. Die Erhörung kann auch auf ganz natürliche Weise zustande kommen. Manchmal sogar absichtslos! Und doch ist der eigentliche Verursacher der lebendige Gott!
Gebetserhörungen können ganz unterschiedlich aussehen.
Konkret bedeutet das: Wenn Medizin wirkt, kann das genauso eine Gebetserhörung sein, wie wenn ein Tumor aus unbegreiflichen Gründen allmählich verschwindet.
Oder: Im Vaterunser beten wir um unser tägliches Brot. Während uns oft gar nicht mehr bewusst ist, dass wir jeden Tag eine Gebetserhörung erleben, leiden andere Menschen auf dieser Welt großen Mangel. Wie erhört Gott deren Gebete? Ich glaube durch uns, wenn wir nämlich bereit sind, von unserem Überfluss etwas abzugeben.
Doch auch kaum zu erklärende Wunder können geschehen. Viele erinnern sich vielleicht noch an die Montagsgebete in der ehemaligen DDR und wie es – ganz sicher auch dadurch - zu einer friedlichen Wende kam. In meinen Augen nicht nur enormes geschichtliches Ereignis, sondern auch ein großes Wunder.
Gebetserhörungen können also auf verschiedene Weise zustande kommen, doch eines muss jeder Gebetserhörung vorausgehen - Gebet! Davon handelt auch ein Kirchenlied aus dem 19. Jahrhundert,
zu dem ich einlade, mitzusingen. „Welch ein Freund ist unser Jesus.“
Wir haben eben in diesem fröhlichen Lied gesungen, dass Gott unsere Gebete erhört. Doch wie ist es eigentlich, wenn Gebete unbeantwortet bleiben oder Dinge geschehen, die wir uns gar nicht erwünscht hatten?
Eine Frau aus der Gemeinde, ihr Name ist Ana Schierbecker, wird uns dazu etwas aus ihrem Leben berichten.
„Ana, Deine Erfahrungen mit Glauben und Gebet haben sich im Laufe der Zeit verändert. Wie kam das?“
...
Manchmal passieren eben Dinge, die wir nicht verstehen. Wir haben gerade etwas davon in Ana Bericht gehört. Wie ist es, wenn z.B. man selbst, ein Ehepartner oder ein Kind schwer erkrankt und trotz vieler Gebete keine Besserung eintritt? Kann man dem Ausspruch Jesu „Bittet, so wird euch gegeben“ dann auch noch vertrauen?
Solch eine Erfahrung erzeugt zunächst einmal eine große innere Spannung. Auf der einen Seite ist dann Enttäuschung, auf der anderen Seite wieder Hoffnung, dann „Gott ich verstehe dich einfach nicht!“ und dann doch wieder die Bitte um Hilfe. Es ist ein Wechselbad zwischen Glauben und Zweifel, zwischen Hoffen und Verzweiflung, zwischen Kämpfen und Aufgeben. Wie hält man so etwas durch?
Ich gehe noch einmal zu unserem Bibeltext zurück. Dort heißt es am Ende: „Wie viel mehr wird dann der Vater im Himmel denen den Heiligen Geist geben, die ihn darum bitten!“
Diese Aussage hat mich verblüfft. Weshalb sollte ich um den Heiligen Geist bitten? Ich habe doch ganz andere Anliegen und Nöte. Wird man denn davon satt? Oder gesund? Oder glücklich? Irgendwie wirkt das geheimnisvoll. Was mag Jesus damit meinen?
Wer oder was ist eigentlich der Heilige Geist?
Nun, wir Christen glauben an einen dreieinigen Gott. Der eine Gott zeigt sich uns aus drei Perspektiven: als Vater, als Sohn und als Heiliger Geist. Der Heilige Geist ist also Gott selbst. Gott, der uns nahe ist. Ja noch mehr: der Gott, der um und in uns ist.
Wenn wir um den Heiligen Geist beten, beten wir also um die Nähe Gottes, so wie wir es am Anfang in dem Spiritual, Kumba ya‘ gesungen haben. „Komm uns nahe, Herr, komm uns nahe!“
Diese unmittelbare Nähe Gottes hat verschiedene Auswirkungen. Jesus nennt den Heiligen Geist zum Beispiel: den Tröster. Trost brauchen wir besonders dann, wenn wir selbst an einer Situation nichts ändern können. Als Kinder wurden wir getröstet, wenn wir uns verletzt hatten. Das ließ uns den Schmerz besser ertragen und half uns, wieder nach vorn zu schauen. Und nicht nur Kinder brauchen Trost. So kann die Bitte um den Heiligen Geist auch bedeuten: „Vater im Himmel, bitte tröste mich!“
Trost hat immer etwas mit einer spürbaren Nähe zu tun - körperlich oder auch seelisch. Wenn Gott uns tröstet, dann wendet er sich uns zu. Das löst sich vielleicht nicht gleich unsere Probleme. Jedoch wissen wir uns in ihm geborgen, kommen zur Ruhe, sehen vielleicht das eine oder andere mit anderen Augen und wagen es wieder, nach vorne zu schauen. Der Heilige Geist hilft uns, das zu ertragen, was uns gerade so schwer fällt, und vermittelt uns: „Du bist nicht allein! Ich bin da!“
Beten ist also viel mehr als eine fromme Übung, die dem einen leicht und dem anderen schwerfällt. Beten ist eine Beziehung und führt in eine Beziehung. Und auch dies: Beten kann gewaltige Auswirkungen haben.
Manchmal ist es gut, nicht nur auf unsere Kirchen- und Glaubenskultur zu schauen, sondern auf andere Christen in dieser Welt. Wir als Gemeinde sind Mitglied der weltweiten Pfingstbewegung und haben so auch Kontakt zu Christen, die zurzeit unter extremer Diskriminierung und Verfolgung leiden.
So erging es auch vielen Christen in Indien, besonders im Bundesstaat Orissa.
Vor einiger Zeit fand dort eine blutige Christenverfolgung statt. Sie betraf alle Konfessionen. Ein nationalistisch-hinduistischer Mob überfiel christliche Dörfer und ermordete viele Christen zum Teil vor den Augen ihrer Kinder. Diese flohen in den Urwald und wurden später als Waisen oder verloren gegangene Kinder in ein christliches Domizil gebracht.
Ich habe sie dort besucht und mit ihnen einen Gottesdienst gefeiert. Ich muss sagen: Diese Kinder und Jugendlichen haben mein Herz im Sturm erobert.
Sie sangen von Gott und von Jesus mit einer Intensität, die mich schier umwarf. Sie beteten zusammen, lauschten konzentriert der Predigt, lachten und brachten mir am Ende einen Blumenkranz, wie es in Indien so üblich ist.
Nun hatte man mir vorher erzählt, was einige dieser Kinder durchmachen mussten. Und ich fragte mich: Woher haben sie diese Kraft, diese Glaubensfreude und diesen Mut zu beten? Ich glaube, es war genau dieser Geist Gottes, der sie tröstete und stärkte.
Das hat mich tief beeindruckt.
Natürlich haben wir in Deutschland eine andere Kultur und auch andere Probleme. Ich glaube jedoch, dass der Heilige Geist überall derselbe ist.
Ob in Anas Leben oder im Leben eines indischen Kindes. Sein Geist wirkt hier wie dort. Und gebetet wird überall!
Die Bitte um den Heiligen Geist macht wirklich Sinn. Sie ist vielleicht ungewohnt, kann aber unser Leben innerlich und äußerlich total verändern. Es kann uns von Angst befreien, empfänglich machen für die Not anderer und auch Umstände wandeln. Wenn wir um den Heiligen Geist bitten, dürfen wir damit rechnen, erhört zu werden. Denn: „Wie viel mehr wird der Vater im Himmel denen den Heiligen Geist geben, die ihn darum bitten!“
Also: Beten lohnt sich!