Evangelischer Rundfunkgottesdienst
Gerade jetzt! Ostern in Zeiten von Covid-19
Rundfunkgottesdienst aus der Protestantischen Stadtkirche Homburg
12.04.2020 10:05
Predigt zum Nachlesen

Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserm Vater und dem Herrn Jesus Christus. Amen.

 

Ohne Frühling kein Ostern!

Liebe Hörerinnen und Hörer,

Ostern und Frühling hängen untrennbar zusammen. Ja der Ostertermin hängt am Frühling, denn im 4. Jahrhundert wurde Ostern auf den ersten Sonntag nach dem 1. Frühlingsvollmond festgelegt.

Ostern, das steht für Spaziergänge mit der Familie, hier im Saarland vielleicht sogar gemütliches Schwenken – im übrigen Deutschland würde man sagen: Grillen - mit Freunden im Freien. Dazu die Besuche bei den Verwandten über die Feiertage. Oma und Opa freuen sich daran, wenn die Enkelkinder im Garten nach Eiern und Osternestern suchen.

Der Frühling bricht sich Bahn, die Sonne scheint, Vogelgezwitscher weckt einen morgens lange, bevor der Wecker klingelt. Die Temperaturen sind längst zweistellig. Die Sonne gewinnt Tag um Tag an Kraft. Es geht aufwärts. Nach der Schwermütigkeit des Winters spürt man, wie die Lebensgeister zurückkehren. Die Leichtigkeit des Seins, Unbeschwertheit nimmt Raum – Auferstehung, Neuanfang, eine Erfahrung mitten im Alltag des Lebens. Jahreszeitliches Erleben und Verkündigung des Glaubens stimmen überein. Die Logik von Ostern, die Logik des Frühlings.

 

Und wie ist das mit dieser Logik in diesen Tagen? Irgendwie scheint sie ans Ende gekommen. Unsere Welt, so kann man den Eindruck haben, sie steht still. Es droht ein Frühling ohne Ostern. Das Corona-Virus hat das öffentliche und gesellschaftliche Leben weitgehend zum Stillstand kommen lassen. Unsere hektische Welt, durch die Gesetzmäßigkeiten der Ökonomie getaktet, auf einmal bis ins letzte entschleunigt. Der Mensch, ein Beziehungswesen durch und durch, muss auf Distanz gehen, Beziehungen auf andere Art und Weise pflegen, als wir es gewohnt sind.

Die Bedrohung hat auch etwas Unwirkliches, etwas Unlogisches: Es ist wunderschön draußen, und doch lauert dort etwas Gefährliches. Die Begegnung mit anderen Menschen, eigentlich gut, bereichernd und wichtig für das Zusammenleben – auf einmal ist sie gefährlich geworden, wenn nicht für mich, dann möglicherweise für andere.

Logisch finde ich das alles nicht. Vieles, was gerade noch richtig und wichtig war, scheint nicht mehr zu gelten.

 

Es ist doch eigentlich glasklar. Die Auferstehung Jesu begründet die Auferstehung der Toten. Logisch. Ein schöpferisches Handeln Gottes, weil Gott Leben will, weil seine Macht bis in den Tod hineinreicht. Der Tod als Sphäre der äußersten Gottverlassenheit wird zum Ort, dem Gott seinen Schrecken nimmt. Selbst dort ist Gott gegenwärtig – dabei. In die äußerste Finsternis strahlt der helle Funke der göttlichen Liebe. Da wo menschlich gesprochen und gedacht, unser Weg endet – in einer Sackgasse, da geht eine neue Tür auf – in ein neues Leben in Gottes Wirklichkeit.

Weil Jesus von den Toten auferstanden ist, werden auch die Toten auferstehen. Auferstehung der Toten und Auferstehung Jesu, das bedingt sich gegenseitig. Das sind die zwei Seiten der einen Medaille. Ist doch ganz einfach. Gottes Osterlogik. Osterlogisch eben.

 

Na, das ist ja mal etwas. In einem Bereich, der uns Menschen ganz und gar unverfügbar ist, der im Grunde mit dem menschlichen Verstand gar nicht zu fassen ist, gilt eine ganz einfache Logik. Wer‘s glaubt - wird selig, könnte man sagen. Aber genauso meint es Paulus.

 

Naja, ganz so einfach und ganz so eindeutig scheint das schon damals nicht gewesen zu sein, ansonsten hätte Paulus nicht solch einen Aufwand betreiben müssen in seinem Brief. Und aus der Art und Weise, wie er schreibt, kann man rückschließen, dass die Briefempfänger wohl anderer Meinung waren als er. Es kostet ihn ganz schön Kraft, argumentativ und persönlich, das ist mit Händen zu greifen, aber ihm geht es in dieser Frage letztlich ums Ganze.

Es geht um den Kern des christlichen Glaubens, um die Botschaft insgesamt, ja in letzter Konsequenz um die Gottheit Gottes, „auf dass Gott sei alles in allem“ – so heißt es am Schluss. Das steht hier auf dem Spiel, nicht mehr und nicht weniger.

Worin besteht die menschliche Hoffnung? In dem Geschehen, in der Erfahrung, die Paulus Auferstehung nennt. In der Auferstehung der Toten, die in Jesus Christus ihren Anfang genommen hat. Und darin kommt all das über unser Menschsein und Gottes Gottsein zum Ausdruck, was wir auch heute in diesen Tagen so schmerzlich erleben und erfahren müssen.

 

Unsere menschliche Existenz bleibt eine zutiefst verletzliche. Ein unscheinbares Virus kann sämtliche Ordnungen unseres Lebens auf den Kopf stellen, führt sogar dazu, dass staatliche Verfügungen unsere Grund- und Freiheitsrechte zum Teil aufheben. Was für ein massiver Einschnitt, den vor kurzem noch niemand für möglich gehalten hätte!

Und wir erleben schmerzhaft, dass uns das Leid nicht erspart bleibt. Viele tausende Menschen sind bereits am Virus erkrankt, und wie es aussieht, werden auch in Zukunft Menschen noch daran erkranken. Und viele Menschen, die in diesen Tagen Dienst tun müssen, weil ihr Wirken notwendig für das Aufrechterhalten unseres Systems ist, setzen sich täglich der unsichtbaren Gefahr aus, so sehr und so sorgfältig sie sich auch schützen mögen. Und ja, es gibt schon Menschen, die an dieser Krankheit verstorben sind – und es wird weitere Todesopfer geben. Leid und Tod sind in dieser Welt.

Auch Jesus ist gestorben, den schmachvollen Tod am Kreuz. Ja und? – könnte man da sagen, einer mehr oder weniger macht es doch auch nicht! – Doch, genau dieser eine macht den Unterschied, gibt Grund zur Hoffnung. Wir Menschen leben aus der Hoffnung und auf Hoffnung hin, einer Hoffnung, die wir uns nicht selbst geben können.

 

Auferstehung als Ausdruck von Hoffnung, hat damit durchaus etwas Widerständiges – ist Ausdruck von Protest gegen die zerstörerischen Kräfte im Leben. Es geht eine Tür auf, da wo du denkst, dass kein Weg mehr weiter führt.

Diese Hoffnung ist keine Verzweiflung, kein Klammern an den Strohhalm, sondern sie hat einen Grund, eine Logik. Mit bekannten Bildern seiner Zeit, Psalmworten aus dem Alten Testament zeichnet Paulus seine Logik nach, versucht er sie, seinen Lesern zu veranschaulichen. Er entwirft das Bild einer Herrschaftsübernahme, einer Herrschaftsübergabe des Sohnes an den Vater. Da stehen alttestamentliche, apokalyptische Bilder im Hintergrund, Bilder, die uns heute nicht mehr so vertraut, eher fremd geworden sind.

Doch in Paulus‘ Welt ist das ganz klar: Schaut doch her. Es sind genau die Dinge, von denen Gott an anderer Stelle doch schon gesprochen hat. So neu und bahnbrechend die Auferstehung Jesu auch sein mag, so logisch ist sie doch in der Konsequenz von Gottes Handeln.

Und in unserer Welt? Haben wir heute noch einen Sinn für Gottes Handeln in der Welt? Ist Auferstehung noch ein Bild, ein Symbol für uns, mit dem wir unsere Erfahrungen beschreiben können? Gerade dann wenn es um unsere Erfahrungen mit Leiden und Tod geht?

Die Dichterin Marie Luise Kaschnitz hat ihre Vorstellung von Auferstehung in einem Gedicht so in Worte gefasst:

 

Manchmal stehen wir auf

Stehen wir zur Auferstehung auf

Mitten am Tage

Mit unserem lebendigen Haar

Mit unserer atmenden Haut.

 

Nur das Gewohnte ist um uns.

Keine Fata Morgana von Palmen

Mit weidenden Löwen

Und sanften Wölfen.

Die Weckuhren hören nicht auf zu ticken

Ihre Leuchtzeiger löschen nicht aus.

Und dennoch leicht

Und dennoch unverwundbar

Geordnet in geheimnisvolle Ordnung

Vorweggenommen in ein Haus aus Licht.

 

Ostern als ein Ausdruck von Gottes Logik. Und diese Logik ist die Liebe. Sein vorbehaltloses, grund- und grenzenloses Ja zum Leben. So logisch wie eben Liebe sein kann. Ich liebe dich ein bisschen – das geht eben nicht. Liebe geht aufs Ganze.

Auferstehung als das Durchhalten der Liebe. Sie hilft, wo sie gebraucht wird, behält in der Krise einen kühlen Kopf und den Überblick. Und wenn es sein muss, bleibt sie zu Hause!

 

Und wie im Frühling die Knospen sprießen aus Ästen, die so trocken und verdorrt aussahen, als sei kein Leben mehr in ihnen. So wie man jeden Tag sehen kann, wie Bäume und Büsche und Sträucher grüner werden, so sucht das Leben sich seinen Weg – allen Anfeindungen zum Trotz. Frühling und Ostern erklären sich gegenseitig – ganz logisch!

So steckt auch in jeder Krise die Chance, dass man gestärkt aus ihr hervorgeht. Man weiß, dass man sie durchgestanden hat. Man kennt die Kraftquellen, die einen hindurch getragen haben. Man kann lernen aus dem Erlebten, die eigenen Verhaltensmuster reflektieren und neue Herausforderungen bestehen.

Das ist uns als Gesellschaft zu wünschen, dass wir erfahren, dass wir solidarisch leben können, dass wir Rücksicht nehmen auf Schwache und Schutzbedürftige, dass wir erkennen, wie kostbar und verletzlich unser Leben ist und was wir wirklich dafür brauchen.

 

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus.

Amen.

 

Es gilt das gesprochene Wort.

 

Dlf Gottesdienst