Versprechungen, Weissagungen, Prophezeiungen - biblisch und heute

Stadtkirche Homburg/ Saar

Versprechungen, Weissagungen, Prophezeiungen - biblisch und heute
Gottesdienst-Live-Übertragung aus der Stadtkirche Homburg
24.12.2021 - 17:05
18.12.2021
Sigrun Welke-Holtmann, Dr. Thomas Holtmann
Über die Sendung

 

 

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Predigt zum Nachlesen

Predigt I: 

 

Mi 5,1-4

1Und du, Bethlehem Efrata, die du klein bist unter den Tausenden in Juda,

aus dir soll mir der kommen, der in Israel Herr sei,

dessen Ausgang von Anfang und von Ewigkeit her gewesen ist.

2Indes lässt er sie plagen bis auf die Zeit,

dass die, welche gebären soll, geboren hat.

Da wird dann der Rest seiner Brüder wiederkommen zu den Israeliten.

3Er aber wird auftreten

und sie weiden in der Kraft des Herrn

und in der Hoheit des Namens des Herrn, seines Gottes.

Und sie werden sicher wohnen;

denn er wird zur selben Zeit herrlich werden bis an die Enden der Erde.

4Und er wird der Friede sein.

 

 

Liebe Gemeinde,

Weissagungen, Prophezeiungen, Versprechen – wie viele haben wir im Laufe dieses Jahres gehört, erhalten und bekommen? Corona ist bald vorbei. Es wird keine Impfpflicht geben. Kein erneuter Lockdown. Können Sie das noch hören? Oder reicht es nicht langsam damit? Welche sind in Erfüllung gegangen, haben sich bewahrheitet? Welche gingen ins Leere? Haben sich nicht erfüllt?

 

Es war ein weiteres Jahr der Unsicherheit, das solche Sätze geradezu provoziert hat. Was ist eigentlich der richtige Begriff dafür? - Weissagungen, Vorhersagen, Prognosen, Prophezeiungen, Verheißungen – und wie man es noch bezeichnet. Oder auch Versprechungen, was wurde nicht alles versprochen?

Doch sind die Weissagungen unserer Zeit nicht mehr als leere Versprechungen? Und in diesem Jahr kamen noch die mannigfaltigen Wahlversprechen dazu. Sind die religiösen Weissagungen auch so etwas wie Wahlversprechen, die sich dann schon bald der Überprüfbarkeit entziehen und gebrochen werden, sobald die neue Regierung an der Macht ist?

 

Und jetzt an Heilig Abend auch wieder Weissagungen hervorkramen - ziemlich alte noch dazu? Tragen sie etwas zur Gegenwart bei?

Was ist das formale Kriterium? Dass eine Weissagung sich auf die Zukunft bezieht? Das meint man landläufig so, dass jemand eine Offenbarung aus der Zukunft heraus oder eine übernatürliche, göttliche Inspiration und dann entsprechend die Zukunft voraussagt.

Das gibt es sicherlich auch. Der Seher in der sog. Offenbarung bzw. Apokalypse des Johannes zum Beispiel. Der erhält eine Offenbarung, einen Vorausblick auf die göttliche Wirklichkeit in der Zukunft, die im Himmel schon fertig bereitet ist. Sie steht schon fest, ist schon da, liegt nur für uns verborgen. Der auserwählte Seher erhält einen exklusiven Einblick und teilt mit, was er schon sehen kann, was passieren wird.

Anders in der Regel die Propheten des Alten Testaments. Sie sind meist Gegenwartsdeuter. Mit scharfen Blick beobachten und analysieren sie die Geschehnisse und Ereignisse und Entwicklungen um sie herum und leiten daraus ab, was sich entwickeln wird, projizieren gewissermaßen die nächste Zukunft, was sein wird, wenn es so oder nicht so weitergeht. Die Gabe dazu wird oft als göttlicher Auftrag, als von Gott verliehenes Charisma verstanden.

Genauso versucht man im Grunde vorzugehen, wenn man Prognosen wagt oder anstellt. Man schaut sich gegenwärtige Entwicklungen oder Verhaltensweisen an und projiziert diese in die nähere oder fernere Zukunft.

Das funktioniert so bei Wahlprognosen, bei der Projektion von Infektionsgeschehen oder beim Klimawandel, wenn man sich den globalen CO2-Ausstoß und die damit verbundenen Effekte anschaut.

Ein Sprichwort sagt: Prognosen sind schwierig, vor allem wenn sie die Zukunft betreffen. - Ja das stimmt.

 

Sind die vielen weltlichen Prognosen und Weissagungen am Ende nur Durchhalteparolen?

Trifft das auch für die adventlich-weihnachtlichen Ankündigungen des Kommens Gottes zu?

Woran kann man wahre und falsche Prophetie erkennen? Auch darum ringen schon die Autoren des Alten Testaments. Immer wieder treten Propheten auf, die vorgeben im Namen Gottes zu sprechen, die aber nicht im Namen Gottes sprechen. Immer wieder wird vor Verführern und falschen Propheten gewarnt, an manchen Stellen sind sie sogar Ausdruck einer erwarteten Endzeit, in der sich die Spreu vom Weizen trennen wird. Neben den Erzählungen, dass ein bestimmter Prophet den Ruf Gottes hört, wahrnimmt, im Falle des Jona sogar ausdrücklich ablehnt und zunächst in den Wind schlägt, gibt es letztlich nur ein belastbares Kriterium für die Unterscheidung von wahrer und falscher Prophetie – schon im Alten Testament: die wahre Prophetie tritt ein, wie angekündigt, sie erweist sich im Laufe der Geschichte als wahr, die falsche eben nicht, sie tritt nicht ein und entlarvt sich dadurch als falsch. Ein Kriterium, das sich also erst im Nachhinein feststellen und anwenden lässt.

Ziemlich unbefriedigend.

 

Wie ist es mit der Verheißung von Weihnachten? Sind sie auch bloße Vertröstungen, Durchhalteparolen? Was macht den Unterschied? Warum feiern wir jedes Jahr wieder neu Weihnachten, Advent? Wenn wir von Gottes Kommen sprechen?

Weihnachten ist anders Nicht vorhersehbar, gegen den Trend; deswegen sind die Vorhersagen so herausfordernd und irritierend.

Gott verzichtet auf alle Macht. Gott wird ein Säugling, total abhängig. Gott wird ein Mensch, geboren wie wir, aufgewachsen wie wir. Gott teilt unsere Sehnsucht nach Frieden und gleichzeitig ist Jesus die Antwort. Ein Säugling. Macht abgeben, anderen etwas zutrauen, zuhören und vertrauen. Das ist die Weihnachtsantwort auf unsere Sehnsucht nach Frieden. Ob wir die Antwort Gottes in diesem Jahr hören und umsetzen können?

 

Predigt II

 

Jes 9,1-6

1Das Volk, das im Finstern wandelt, sieht ein großes Licht, und über denen, die da wohnen im finstern Lande, scheint es hell. 2Du weckst lauten Jubel, du machst groß die Freude. Vor dir freut man sich, wie man sich freut in der Ernte, wie man fröhlich ist, wenn man Beute austeilt. 3Denn du hast ihr drückendes Joch, die Jochstange auf ihrer Schulter und den Stecken ihres Treibers zerbrochen wie am Tage Midians. 4Denn jeder Stiefel, der mit Gedröhn dahergeht, und jeder Mantel, durch Blut geschleift, wird verbrannt und vom Feuer verzehrt. 5Denn uns ist ein Kind geboren, ein Sohn ist uns gegeben, und die Herrschaft ist auf seiner Schulter; und er heißt Wunder-Rat, Gott-Held, Ewig-Vater, Friede-Fürst; 6auf dass seine Herrschaft groß werde und des Friedens kein Ende auf dem Thron Davids und in seinem Königreich, dass er’s stärke und stütze durch Recht und Gerechtigkeit von nun an bis in Ewigkeit. Solches wird tun der Eifer des Herrn Zebaoth.

 

Oft wurden im frühen Christentum die sog. messianischen Weissagungen auf Jesus Christus bezogen, in ihm ihre Erfüllung gesehen. Und doch war er so ganz anders, als die Verheißungen das erwartet haben.

Er kommt eben nicht als politischer Herrscher auf einem Königsthron, er kommt ohne militärische Macht und Waffengewalt, sondern er kommt als Kind in der Krippe – schutzlos, ausgeliefert, selbst schon in Kindestagen an Leib und Leben bedroht – Matthäus erzählt von einer Flucht nach Ägypten, weil Herodes keinen Herrscher neben sich dulden will und die neugeborenen Kinder töten lässt.

Seine Davidssohnschaft übt Jesus durch Reden, durch Zeichen und heilvolle Zuwendung, die wir heute oft Wunder nennen, aus. Er eröffnet Menschen modern gesprochen wieder Teilhabe am gesellschaftlichen Leben, er überwindet gesellschaftliche und soziale Grenzen, ändert Sichtweisen. Damit bekommen die Menschen seiner Zeit einen Vorgeschmack darauf, was in einem ganz umfassenden Sinne von Gott gewollt ist. Davon erzählen die biblischen Glaubenserfahrungen. In der Folge sind wir mit hineingenommen in diesen Traditionsstrom und wir können unsere eigenen Glaubenserfahrungen machen.

Die Welt ist noch nicht erlöst, nein das merken wir jeden Tag wieder aufs Neue. Aber wir können im Kleinen wie im Großen immer wieder auch die Erfahrung machen, dass Frieden möglich ist. Dass Überwindung von Grenzen und sozialer Ungerechtigkeit gelingen kann. Wenn Menschen beherzt auf Missstände aufmerksam machen und dort tätig werden, wo es ihnen möglich ist.

 

Das Kind, von dem uns die alten Geschichten erzählen, es ist auf die Welt gekommen. Der Mensch Jesus von Nazareth hat als einer von uns mitten unter uns Menschen gelebt und gewirkt. Er hat von Gottes beginnendem Reich gepredigt, es in Worten und Taten anschaulich gemacht und einen Vorgeschmack davon vermittelt und uns eine gute Prognose ausgestellt: Ihr könnt das auch!

 

Predigt III

 

Nun stehen wir in unserem Land am Beginn einer neuen Regierungszeit. Eine neue Regierung ist knapp 14 Tage im Amt, eine neue, auf Bundesebene noch nicht dagewesene Ampelkoalition.

Für Frieden zu sorgen, wird in mehrfacher Hinsicht, eine wichtige Aufgabe für nächsten Jahre sein.

Da geht es zum einen um sozialen, gesellschaftlichen Frieden. Eine tiefe Spaltung zeichnet sich ab, Geimpfte und Ungeimpfte, Menschen, die bereit sind, Einschränkungen als Maßnahmen zu akzeptieren, um andere zu schützen, andere betonen ihre individuellen Freiheitsrechte und sehen nicht ein, diese beschneiden zu lassen.

Eine Spaltung zwischen Vernunft und Wissenschaft auf der einen Seite, und wirren Weltanschauungen und Verschwörungstheorien mit esoterischem oder rechtsextremem Einschlag.

Es geht aber auch um Frieden zwischen Völkern und Staaten in Europa. Politisch-militärische Drohgebärden nehmen wieder zu in Bereichen, wo man sie als längste überwunden dachte.

Die Frage, was gerechte und friedensdienliche Herrschafts- bzw. Regierungsformen sind, wird nicht nur global im Hinblick auf China diskutiert, sondern auch innerhalb der Europäischen Union. Was macht einen Rechtsstaat aus, welche Prinzipien sind dafür unaufgebbar?

 

Die EKD-Ratsvorsitzende Annette Kurschus hat in einem ihrer ersten Interviews nach ihrer Wahl zu Recht das Thema Hoffnung in den Mittelpunkt gestellt. Kirche habe die Aufgabe, von der Hoffnung zu sprechen. Die Kirche habe hier einen „großen und kostbaren Auftrag in der Welt“. Sie stehe für Hoffnung. „Wir haben einen Ton in das Leben einzutragen, den sonst niemand in das Leben einträgt.“

 

Die Hoffnung auf Gottes Frieden. Die Sehnsucht nach einer Welt, die anders sein könnte als sie jetzt ist, sie wird durch Weihnachten wach gehalten. Das ist der Beitrag der Verheißungen für die Gegenwart.

Sie helfen bei aller Ungeduld Geduld zu bewahren. Gottes Reich ist im Wachstum begriffen, auch wenn wir es nicht immer sehen können und manches dem entgegenzustehen scheint.

Und zugleich sind diese Texte wie ein Stachel, um bei aller Geduld ein gutes Stück ungeduldig zu bleiben, sich nicht abzufinden mit den Zuständen wie sie jetzt sind. Nichts muss bleiben wie es ist.

Frieden ist dabei kein individuelles Gut, sondern umfassenden Frieden gibt es nur, wenn er für alle Menschen gilt und erfahrbar ist.

In allen gegenwärtigen Debatten können wir als einen Ton eintragen: Er wird der Friede sein.

Mit unseren menschlichen Mitteln und Möglichkeiten können wir uns immer nur annähern, wir werden das Reich Gottes auf Erden nicht bauen können, sondern Gott selbst baut sein Reich mitten unter uns. Wir können versuchen, dem nicht im Weg zu stehen und Wege zu ebnen, zu bahnen.

 

Jes 11,1-10

1Und es wird ein Reis hervorgehen aus dem Stamm Isais und ein Zweig aus seiner Wurzel Frucht bringen. 2Auf ihm wird ruhen der Geist des Herrn, der Geist der Weisheit und des Verstandes, der Geist des Rates und der Stärke, der Geist der Erkenntnis und der Furcht des Herrn. 3Und Wohlgefallen wird er haben an der Furcht des Herrn. Er wird nicht richten nach dem, was seine Augen sehen, noch Urteil sprechen nach dem, was seine Ohren hören, 4sondern wird mit Gerechtigkeit richten die Armen und rechtes Urteil sprechen den Elenden im Lande, und er wird mit dem Stabe seines Mundes den Gewalttätigen schlagen und mit dem Odem seiner Lippen den Gottlosen töten. 5Gerechtigkeit wird der Gurt seiner Lenden sein und die Treue der Gurt seiner Hüften.6Da wird der Wolf beim Lamm wohnen und der Panther beim Böcklein lagern. Kalb und Löwe werden miteinander grasen, und ein kleiner Knabe wird sie leiten. 7Kuh und Bärin werden zusammen weiden, ihre Jungen beieinanderliegen, und der Löwe wird Stroh fressen wie das Rind. 8Und ein Säugling wird spielen am Loch der Otter, und ein kleines Kind wird seine Hand ausstrecken zur Höhle der Natter. 9Man wird weder Bosheit noch Schaden tun auf meinem ganzen heiligen Berge; denn das Land ist voll Erkenntnis des Herrn, wie Wasser das Meer bedeckt. 10Und es wird geschehen zu der Zeit, dass die Wurzel Isais dasteht als Zeichen für die Völker. Nach ihm werden die Völker fragen, und die Stätte, da er wohnt, wird herrlich sein.

Amen.

Es gilt das gesprochene Wort.

 

18.12.2021
Sigrun Welke-Holtmann, Dr. Thomas Holtmann