Und siehe, es war sehr gut…

Morgenandacht
Und siehe, es war sehr gut…
15.06.2015 - 06:35
03.04.2015
Pastor Heinz-Bernd Meurer

Ich wollte einfach mal für ein paar Tage weg sein. Und dafür fahre ich gerne mit der Bahn. Wenn sie fährt.

 

In Essen ist der Zug schon ziemlich voll. Ich finde noch einen Platz an einem Tisch bei drei jungen Frauen. Sie sind alle mit ihren Smartphones beschäftigt. Ich lese Zeitung. Und keiner nimmt den anderen groß wahr. Doch dann wird es lebhaft. Eine muss den Anderen unbedingt von ihrer Freundin erzählen.

 

„Sie will eine Schönheitsoperation machen lassen!“ hat sie gerade auf ihrem Smartphone gelesen. „Und sie fährt dafür extra nach Belgien, weil es dort billiger ist.“ Die Frau vor mir überlegt, ob so eine Schönheits-OP nicht auch für sie eine gute Idee ist. Die andern beiden Frauen sind sofort dabei. Das Thema interessiert sie alle. Die Unterhaltung wird lebhaft. Sie sprechen angeregt und ausführlich über Details und über Preise.

 

An dem engen Tisch kann ich gar nicht anders als den jungen Frauen zuzuhören. Keine ist abgeneigt, sich ebenfalls „für die Schönheit‘„ unters Messer zu legen. Ich schaue kurz aus meiner Zeitung auf und sehe drei ebenso junge wie schöne Frauen. Keine hat im Entferntesten irgendeinen sichtbaren Makel. Aber offenbar haben alle den Eindruck, ihr Äußeres irgendwie verbessern zu müssen. Ich frage mich wozu? Kommt es tatsächlich nur auf Attraktivität an?

    Ich denke kurz darüber nach, was ich wohl in meinen Körper investieren müsste, um mein Aussehen zu optimieren. Schließlich bin ich ungefähr doppelt so alt, wie diese Frauen… Doch ich verwerfe den Gedanken gleich wieder und frage mich eher, ob diese Frauen jemals mit sich zufrieden sein werden. Oder ob sie nicht immer irgendetwas finden, was sich verbessern ließe:

    „Da kann man noch was machen, also mache ich das auch.“

 

In meiner Zeitung sehe ich die Werbung eines Fitnesscenters: Geschönte Bilder von jungen, durchtrainierten Körpern. Die Wirklichkeit ist anscheinend nicht schön genug. Und ich denke an all die, die Tag für Tag in ein Fitnessstudio gehen. Viele, weil sie fit bleiben wollen, und Spaß daran haben, sich zu bewegen. Aber ich vermute, dass genauso viele Menschen dort hingehen, um attraktiv genug zu sein, für eine Welt, in der Schönheit (fast) alles ist. Und dafür quälen sie sich jede Woche und trinken irgendwelche Zusatzstoffe. Oder sie würden sich sogar operieren lassen, um ihre Attraktivität zu steigern.

    Eigentlich würde ich gerne mit den drei Frauen darüber reden, aber ich weiß nicht, ob sie sich auf so ein Gespräch einlassen würden.

 

Außerdem muss ich in Dortmund umsteigen. Im nächsten Zug sitzen nur wenige Personen. Schräg gegenüber von mir setzt sich ein Pärchen, ungefähr in meinem Alter. Ich schaue die Beiden kurz an. Was mir sofort auffällt sind die Haare.  Der Mann hat seine Haare mit reichlich Haargel glatt nach hinten gekämmt. Die Haare seiner Partnerin zeigen dagegen wirklich in jede Richtung. Er trägt einen alten Jogginganzug, obwohl er alles andere als sportlich aussieht.

    Diese Beiden würden wohl kaum eine Schönheitsoperation in Betracht ziehen. Und wohl auch nicht bezahlen können, nicht einmal in Belgien. Wahrscheinlich noch nicht einmal das Abo für ein Fitnessstudio. Was für ein Unterschied zu den drei jungen Frauen aus dem ersten Zug. Doch die Beiden verbreiten eine wohltuende Selbst-Zufriedenheit. Er strahlt sie an und sie lächelt dankbar zurück.

 

Ich denke an zwei Sätze, die auf den ersten Seiten der Bibel stehen, im Buch Genesis:

    Und Gott schuf den Menschen zu seinem Bilde, zum Bilde Gottes schuf er ihn; und schuf sie als Mann und Frau. Und Gott sah an alles, was er gemacht hatte, und siehe, es war sehr gut.

 

Jeder Mensch – ein Abbild Gottes. – Jeder Mensch hat von Gott ein „sehr gut“ bekommen. Gedankenverloren schaue ich das Pärchen mir gegenüber an – und muss lächeln: Alles sehr gut. Die beiden bemerken meinen Blick und lächeln zurück. An was sie wohl denken?

 

Ich denke daran, dass Gott auch diesen Beiden ein „sehr gut“ gibt. Genau wie den jungen Frauen aus dem ersten Zug.

03.04.2015
Pastor Heinz-Bernd Meurer