Gott recht sein

Wort zum Tage
Gott recht sein
07.04.2020 - 06:20
30.01.2020
Michael Becker
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Was stimmt wohl nicht mit der Welt? Das wollte eine Zeitung wissen, vor hundert Jahren schon. Man fragte berühmte Schriftsteller. Auch Gilbert K. Chesterton wird gefragt, der Erfinder des Pater Brown. Sehr geehrter Herr, schreibt eine englische Zeitung, wir machen eine Umfrage unter berühmten Schriftstellern. Bitte beteiligen Sie sich und antworten Sie uns auf die Frage: „Was ist faul an dieser Welt?“ Der Schriftsteller Chesterton legt den Brief erst mal zur Seite und kocht sich eine Tasse Kaffee. Dann setzt er sich in seinen Lieblingssessel, zündet sich eine seiner besten Zigarren an, trinkt einen Whiskey und denkt nach. Nach etwa einer halben Stunde steht er aus dem Sessel auf, setzt sich an seinen Schreibtisch, nimmt ein Blatt Briefpapier und schreibt seine Antwort an die Zeitung. Er schreibt aber nicht ein paar Zeilen, er schreibt nur ein einziges Wort als Antwort auf die Frage „Was ist faul an dieser Welt?“ Er schreibt nur: „Ich“.

 

Was für eine mutige Antwort. Kein Herumreden, keine Erklärungen. Der Schriftsteller berührt den wundesten Punkt, den es in der Welt gibt: sich selbst. Ich bin meine Aufgabe. Zuerst schaue ich auf mich; gebe keinem anderen die Schuld oder beschuldige Umstände und Sachzwänge - nein: zuerst bin ich meine Aufgabe. Wenn etwas faul ist, suche ich die Gründe nicht gleich woanders, sondern bei mir. Das ist es, was Martin Luther „Buße“ nennt: auf mich schauen; n u r auf mich schauen. Mich selbst befragen: Lebe ich, wie Gott es will? Könnte ich verantwortlich sein? Liegt der Fehler vielleicht bei mir? Oder lebe ich nur so, wie es mir am besten passt?

 

Das sind so Fragen. Wenn ich eine davon im Stillen mit „Ja“ beantworte, habe ich eine Aufgabe. Dann will ich das ändern, umkehren und mich verändern. Ich will Fragezeichen lieber erst mal auf mich richten: Bin ich so, wie ich sein soll? Trage ich dazu bei, dass in meinem Leben oder in der Welt etwas faul ist? Sich gut fühlen ist zu wenig. Sich immer eigentlich ganz in Ordnung zu finden auch. Niemand sollte sich selbst freisprechen. Es hilft mehr, sich jeden Tag ehrlich zu fragen: Bin ich Gott recht? Hat er Freude an mir?

 

Es gilt das gesprochene Wort.

30.01.2020
Michael Becker