Neulich hab ich von Marlén gehört

Wort zum Tage

Gemeinfrei via unsplash/ Ben Wicks

Neulich hab ich von Marlén gehört
mit Michael Becker
13.01.2022 - 06:20
11.01.2022
Michael Becker
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Neulich habe ich von Marlén gehört. Jemand hat mir von ihr erzählt. Marlén ist zwölf Jahre alt. Sie ist klug, hübsch und etwas zurück, wie man so sagt. Dafür kann sie nichts. Bei der Geburt gab es Schwierigkeiten. Und als Kind war sie im Krankenhaus. Immer wieder. Das holt man nicht mehr auf im Leben. Sie kann heute eigentlich alles; nur eben etwas langsamer. Lesen, schreiben, rechnen, alles kein Problem. Nur eben langsam, manchmal sehr langsam. Die Eltern haben für ihr Kind Geduld gelernt. Heute sind sie zufrieden. Und alle Lehrenden geben sich viel Mühe, seit Jahren schon.

Wenn da nur die Großen und Kleinen nicht wären. Einige andere in der Schule und im Sportverein, die es einfach nicht lassen können: das Spotten und Nachmachen und Auslachen. Marlén merkt das. Man spürt ja öfter auch, was hinter dem Rücken geschieht. Und Marlén ist klug, hat ihre fünf Sinne beieinander. Sie hat es jetzt lange genug ertragen, denkt sie. Denn neulich platzt ihr der Kragen. Im guten Sinne. Sie nimmt einen Filzstift und schreibt auf einen großen Luftballon. Ganz dick schreibt sie erst ihren Namen: Marlén. Und dazu schreibt sie noch die Worte: Ich bin ein ganz normaler Mensch. Dann lässt sie den Ballon steigen. Alle auf dem Schulhof sollen es sehen und wissen und möglichst beherzigen. Marlén ist eine von ihnen. Sie will nicht draußen sein. Sie will dazugehören, zu den anderen - ohne Spott, ohne Tuscheln oder Lachen der Anderen.

 

Das ist ihr gutes Recht. Menschen gehören zu uns. Niemand ist weniger Mensch als andere. Wo kämen wir hin, wenn wir entscheiden würden, ob jemand weniger Mensch ist. Das darf nicht sein. Nur weil er oder sie Schwächen hat. Im Kopf oder am Körper oder in der Seele. Marlén und alle gehören zu uns. Ein Mensch ist ein Mensch - und zugleich noch etwas mehr als ein Mensch. Immer. Weil ein Mensch auch Gott gehört; weil er Teil von Gottes Liebe ist. Ob wir das gut finden oder nicht. Es gibt da keine Unterschiede - und wir haben nichts zu bestimmen. Marlén und alle sind wie Ich und Du. Für immer umarmt von Gott.

 

Es gilt das gesprochene Wort.

 

11.01.2022
Michael Becker