Gerechtigkeit und Frieden

Wort zum Tage
Gerechtigkeit und Frieden
19.11.2020 - 06:20
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Einige Tage durfte ich mit Susan verbringen, etwa 60 Jahre alt. Es ist Februar. Knapp fünf Tage in Kericho, dem Zentrum der Teeproduktion in Kenia. Kilometerweit blickt man auf Teeplantagen. Unendlich wirkende Reihen von akkurat geschnittenen Teebüschen. Sattes tiefdunkles Grün. Verstreut durch die Plantagen Gruppen von kleinen bunten Punkten. Teepflücker und -pflückerinnen. Sie arbeiten für die großen Teekonzerne. Tee pflücken – den ganzen Tag – unter der prallen Sonne.

Am Rande der Straße, mitten in den Teefeldern, Siedlungen mit sehr kleinen Häusern. Hier wohnen sie, die Teepflückerinnen und ihre Familien.

„Na, es ist noch nicht viel. Aber jedenfalls haben wir in den letzten Jahren einiges verbessern können.“ Mehr Gerechtigkeit, mehr Frieden - lautet die Gleichung von Susan. Dafür setzt sie sich hier in Kericho ein, seit Jahrzehnten.

Ein ungewöhnlicher Weg liegt hinter ihr. Zunächst läuft alles in gewohnten Bahnen. Heirat in frühen Jahren. Vier Kinder in kurzer Zeit. Ihr Mann arbeitet in der Lehrerausbildung. Sie macht die Familienarbeit. Doch nach 10 Jahre bemerken beide: So kann das nicht weitergehen. In Susan steckt mehr.  Sie beginnt eine akademische Ausbildung. In der Woche Studium in der Stadt. Der Mann versorgt die Kinder. Viel Unverständnis schlägt beiden entgegen. Mobbing durch jüngere männliche Studenten. Susan setzt sich durch: Jahrgangsbeste!

Sie wird Lehrerin an einer Schule für die Kinder der Teepflückerinnen, finanziert von einem Teekonzern. Schnell merkt sie: Viele Lernschwierigkeiten der Schüler hängen mit den schlechten Lebensumständen zusammen. Sie setzt sich für die Verbesserung der Lebensverhältnisse ein. Bessere Häuser, sauberes Wasser, humanere Arbeitsbedingungen. Zusammen mit anderen Frauen. Erfolgreich.

Doch sie merkt: Das alles muss auf der politischen Ebene dauerhaft geregelt werden. Sie kandidiert für die Wahl im Regierungsbezirk. Nach den Hochrechnungen hat sie die Stimmenmehrheit. Dann tagelang Warten auf das offizielle Wahlergebnis. Ihr wird der Sieg nicht zugesprochen.

Doch Susan gibt nicht auf. Sie kämpft weiter für Gerechtigkeit und Frieden in Kericho, gestärkt durch ihren Glauben, unterstützt von ihrer Familie und Freundinnen: Women for Peace, Frauen für den Frieden.

Ich bin dankbar für diese Begegnung, für diese Frau. Ich spüre bei ihr Dynamik, Engagement, Hartnäckigkeit trotz ihres Alters. Und ihren tiefen Glauben. All das braucht sie, um für Gerechtigkeit und Frieden einzutreten.