Diese Woche stand ich bei uns zuhause auf der Leiter – mit einem Stern in der Hand. Und auf einmal habe ich mich da oben gefragt: Was mach ich hier eigentlich? Ich liebe das – jedes Jahr wieder. Unser Zuhause schön geschmückt, Kerzen, Lichter, Sterne, Musik, Backen – Advent eben.
Aber diesmal: Was mach ich hier eigentlich? Überall geht es gefühlt bergab. Ist mir da echt nach Sternen und Plätzchenduft? Und: bin ich vielleicht nicht die Einzige, die sich das fragt? Viele erzählen mir: "So düster war es schon ewig nicht mehr in unserem Leben. Eine Katastrophe nach der nächsten." Da kann ich doch nicht einfach so tun, als wär nix: die Sterne und die Engel hinhängen und den Adventskranz anzünden.
Und noch weiter: Während ich hier ins Kerzenlicht schaue, blicken andere in den Drohnenangriffshimmel? Hier drinnen die Krippe dekorieren mit dem süßen Christkind, während da draußen die Menschen entführt, verschleppt, getötet werden? Das geht doch nicht! Nur: was mach ich dann mit meinen Sternen in der Hand? Was mache ich denn dann in diesem Jahr mit meinem schönen Advent? Ausfallen lassen? Manche machen das so: Ich lass diesen Adventskram bleiben, dieses Friede Freude Eierkuchen-Gedöns. Ist doch sinnlos und kitschig. Schauen wir der Härte und Kälte ins Auge. Auch zuhause.
Und dann das: Gestern hab ich in der Stadt einen kleinen Jungen gesehen, vielleicht zwei Jahre alt. Der saß im Kinderwagen, hat Rotz und Wasser geheult. Aber auf einmal hat er die Glitzersterne über sich in der Fußgängerzone gesehen. Ganz plötzlich war er still und hat gestaunt und dahin gezeigt und gelächelt. Ich hatte das Gefühl: Der Glanz färbt direkt auf sein Gesicht ab.
Wohin schaue ich? Nur noch auf das, was mich verzweifeln lässt? Lasse ich mich unterbrechen vom Glanz so wie der Junge? Es geht nicht darum, dass ich beim Advent etwas vorgaukele. Es geht nicht darum, dass ich Sterne aufhängen muss, um so zu tun, als wäre alles gut und alles wie immer. Nein, umgekehrt: Gerade wenn ich hoffnungslos bin in diesen Dunkelheiten, können diese alten Symbole MICH tragen. Die schenken MIR Hoffnung. Es ist, als könnte ich mich gerade bei all den furchtbaren Nachrichten an ihnen festhalten und an ihren Botschaften: Jeder Stern könnte mich doch an den Stern von Bethlehem erinnern, diese Hoffnungsleuchte über dem total trostlosen Stall: Wartet ab, hier wird bald Jesus geboren, die Liebe und Gerechtigkeit in Person. Oder die Engelfiguren jetzt um uns – in der Bibel sind das gute Boten mit ihrem "Fürchtet euch nicht!" und "Frieden auf Erden". Und jede Kerze im Advent lässt mich auf Gottes Versprechen hoffen, dass das Licht die Finsternis – die auf meiner Seele – besiegt.
Also: Ich habe zuhause meine Sterne aufgehängt, hab die Engel hingestellt und die Kerzen. In diesem Jahr müssen die mir und uns helfen. Sie müssen uns innehalten lassen in unserem "alles furchtbar"-Gefühl. Und sie sollen uns wieder hoffen lassen auf das Gute, das sie versprechen. Damit das wahr wird! Wenn es so läuft wie bei dem kleinen Jungen, färbt der Glanz auch auf ein bisschen uns ab. So einen Advent wünsche ich uns, der uns hilft. Ein Advent zum Hoffen. Ich wünsche Ihnen eine gesegnete Nacht.
Bayrischer Rundfunk (BR)
Redaktion: Sabine Winter