Vergib uns unsere Schuld

Vergib uns unsere Schuld
mit Pfarrerin Annette Behnken aus Loccum
21.08.2021 - 23:35
08.07.2021
Annette Behnken

Und vergib uns unsere Schuld.

 

Panischen Massen, die nur weg wollen. Menschen, die sich an Flugzeuge klammern. Menschen, die vom Himmel fallen.

 

Nichts ist gut in Afghanistan.“

Elf Jahre alt ist der Satz von Margot Käßmann, damals Bischöfin und Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland. Sie sagte:

„Wir brauchen mehr Fantasie für den Frieden, für ganz andere Formen, Konflikte zu bewältigen. Das kann manchmal mehr bewirken als alles abgeklärte Einstimmen in den vermeintlich so pragmatischen Ruf zu den Waffen …“

 

Vergib uns unsere Schuld.

 

Nicht auszuhalten, dass wir Schutzbefohlene im Stich lassen.

Nicht auszuhalten, dass durch massive Fehleinschätzungen unserer Politik Menschen ermordet wurden und weitere leiden und sterben werden.

Nicht auszuhalten, wenn Gott und Krieger, Gott und Staat wieder zu Gotteskriegern und Gottesstaat werden.

Nicht auszuhalten die scheinbare Logik militärischer Überlegenheit.

Nicht auszuhalten das Hin- und Herschieben von Schuldzuweisungen.

Nicht auszuhalten, wenn die Situation wahlkampftatktisch benutzt wird.

Nicht auszuhalten der Satz: 2015 darf sich nicht wiederholen.

 

Nichts ist gut in Afghanistan.

Nicht auszuhalten die Angst, dass es wieder so wird, wie es war. Als, auch mit Unterstützung der USA in den 90-ern die Taliban, ihren sogenannten Gottesstaat errichteten. Was hieß: Terror, Willkür und Gewalt. Was hieß: Foltern, vergewaltigen und morden. Und Kinder, die zu Terroristen ausgebildet wurden. Und werden.

 

Ich bin dankbar für alles, was jetzt getan wird, um Menschen aus dem Land zu holen.

Und ich bin dankbar über jedes Eingeständnis von Schuld und Mitverantwortung von Politikerinnen und Politikern. Unsere Verantwortung. Die des politischen Westens.

 

Und ich denk an unser altes Gebet. In dem es heißt: Und vergib uns unsere Schuld.

 

Vergib uns unser Scheitern. 

Vergib uns, dass wir nicht besser verstanden, nicht schneller gehandelt haben.

Vergib uns. Jeden Tod, den wir hätten verhindern können.

Jede Wunde an Leib und Seele. Vergib uns.

 

Vergib uns, die wir das alles nicht verstehen und durchschauen und manchmal gar nicht mehr wissen, was wir fühlen und denken sollen. Und was wir tun können.

 

Vergib uns unsere Schuld.

Und dann lass uns weitersuchen. Geduldig. Beharrlich. Mit mehr Vernunft.

Mit mehr Phantasie für den Frieden.

08.07.2021
Annette Behnken