Unterscheidung der Geister
Wenn ich Kindern zugucke, die einen Turm bauen, aus Bauklötzen, hab ich manchmal den Eindruck das Schönste an der ganzen Sache kommt zum Schluss: das Kaputtmachen. Kaputtmachen macht Spaß. Den Kleinen - und den Großen. Geht schnell und einfach. Etwas aufbauen dagegen dauert. Und braucht Fingerspitzengefühl. Bei Spielzeugtürmen. Kartenhäusern. Beim Vertrauen. Und bei Demokratien.
Wie schnell Vertrauen kaputtgemacht ist, kennen wir alle. Irgendwie haben wir das alle irgendwann mal erlebt. Verlassenwerden. Belogen-, Betrogenwerden. In der Liebe. In der Familie.
Wie schnell politisches Vertrauen kaputtgemacht werden kann und eine Demokratie untergraben – man kann zugucken in diesen Tagen. Wie das geht. Sabotieren. Mit Waffen und Unterstellungen. Von satanischer Kreativität hat ein Journalist gesprochen.
Gespenstisch finde ich das und werd fast irre daran, da so zugucken zu müssen, nichts tun können, ich möchte diese verwirrten Geister entwirren, die drohen, beschwören, verunsichern, zerstören um die eigene Macht zu sichern, um jeden Preis. Wie armselig! Perfide! Und verstörend.
Aber: Wer mit einem Finger auf andere zeigt, wie ich es gerade tue, der zeigt mit dreien auf sich. Wir alle haben ja alles in uns, anscheinend von ganz klein auf. Zerstörerische Kräfte. Und konstruktive. Beides gehört zum Menschsein. Und - so seltsam es klingt - wir brauchen beides. Manchmal müssen wir etwas kaputt machen. Einsturzgefährdete Häuser. Verhängnisvolle Beziehungen. Bösartige Tumore. Weil‘s dadurch wieder Platz und Raum gibt für – … Gesundwerden … Heilwerden.
Die entscheidende Frage ist, wes Geistes Kind wir sind. Was immer wir tun: welcher Geist uns leitet. Beim Kaputtmachen. Beim Aufbauen.
Es gibt die "Unterscheidung der Geister". Eine Übung aus der christlichen Tradition, um unseren Gespenstern, Geistern und Zeitgeistern auf die Schliche zu kommen. Wir sollen uns fragen, bei allem, was wir tun: Bringt das, was ich vorhabe, Trost in die Welt? Oder nicht? Ist es liebevoll? Oder nicht? Nährt es Seele und Geist? Lässt es uns und andere wachsen? Macht es frei? Eröffnet es Zukunft?
Solche Fragen sind manchmal ganz schön schwer zu beantworten, für das eigene Seelenleben genauso wie für die Politik. Aus welchem Geist nähren sich die, die mit miesen Mitteln um Macht kämpfen? Aber auch: Aus welchem Geist nährt sich meine Wut, meine Ungeduld? Mein Unverständnis?
Die Bibel antwortet: "Die Frucht des Geistes aber ist Liebe, Freude, Friede, … … Güte, … Sanftmut …" .
Dieser Weg der Unterscheidung der Geister nimmt ernst, dass wir freie Menschen sind. Wir sind frei, herauszufinden und zu entscheiden, was jetzt Not tut und Trost bringt. Dass wir einen klaren Geist brauchen, sortierte Gefühle. Und Geduld.
Um Geister zu unterscheiden. Entwirren, was durcheinander geraten ist. Heilen, was verletzt wurde - das dauert. Braucht Zeit. Und Fingerspitzengefühl. Das gilt für Spielzeugtürme und Liebeskummer, für Kartenhäuser und verwirrte Geister. Fürs Vertrauen. Und nicht zuletzt für die Demokratie.
Norddeutscher Rundfunk
Redaktion: Eberhard Kügler (NDR)