Predigt I:
Gnade sei mit euch!
Und Friede, von dem der ist und der da war und der da ganz gewisslich kommen wird.
Ihr Lieben, hier in der Kirche und zuhause oder unterwegs am Radio!
Wann seid ihr das letzte Mal gehüpft?
So richtig voller Begeisterung?
Weil ihr Lust darauf hattet.
Und weil eure Freude einfach rausmusste?
Denn Hüpfen ist Ausdruck von Freude!
Ohne darauf zu achten, ob es vielleicht jemand komisch findet.
Oder gar peinlich. Weil man das nicht macht. Weil sich das nicht gehört.
Schon gar nicht, wenn man groß und erwachsen ist.
Also! Hand aufs Herz!
Wann seid ihr das letzte Mal gehüpft?
Wisst ihr es sofort?
Oder müsst ihr da länger überlegen, weil es doch schon etwas her ist?
Wenn ich Kindern diese Frage stelle, wissen die vermutlich ganz schnell, wann sie das letzte Mal gehüpft sind. Zuhause, in ihrem Zimmer auf dem Bett, draußen im Garten, auf der Straße mitten rein in die Pfütze, im Kindergarten oder in der Schule …
Ganz bestimmt!
Da bin ich mir sehr sicher.
Wir feiern Advent.
Was Advent mit Hüpfen zu tun hat?
Für mich persönlich eine ganze Menge!
Vor einigen Jahren hatte ich in einem Adventskalendersäckchen eine kleine quadratische Leinwand. Ich habe sie euch heute Morgen mitgebracht. Auf der Leinwand steht der Satz: »Don’t forget to Hüpf!«
»Don’t forget to Hüpf!« Auf Deutsch heißt das so viel wie: „Vergiss nicht zu hüpfen!“
Ich liebe diesen Spruch. Er spricht mir aus der Seele. „Vergiss nicht zu hüpfen!“ Eine liebevolle Erinnerung, zwischendurch immer wieder mal das Kind in sich wiederzuentdecken. Und einfach eine Runde zu hüpfen. Einfach so. Ohne Grund.
Weil ich diesen Spruch so genial fand, habe ich die Leinwand bei uns im Wohnungsflur aufgehängt. Und immer, wenn ich daran vorbeigegangen bin, habe ich kurz innegehalten, musste schmunzeln – und dann bin ich gehüpft. Einmal Hüpfen – und weiter geht’s.
Dabei habe ich eine spannende Beobachtung gemacht. Immer, wenn ich gehüpft bin, wurde ich fröhlich und musste lachen. Oder zumindest lächeln. Auch wenn ich vorher traurig gewesen war.
Da ist mir aufgefallen: Du kannst nicht traurig hüpfen. Und selbst wenn du traurig anfängst, wirst du währenddessen automatisch fröhlich. Ich habe das ausprobiert. Es ist wirklich so!
Aber was hat Advent jetzt mit Hüpfen zu tun?
Werfen wir einen Blick in die Geschichte, die uns Lukas für uns aufgeschrieben hat.
Der Engel Gabriel kündigt Maria an, dass sie schwanger wird. Sie wird einen Sohn zur Welt bringen – Jesus.
Maria sagt: „Ich bin dabei!“ Oder in Lukas’ Worten: „Ich diene dem Herrn. Es soll an mir geschehen, was du gesagt hast.“
Als der Engel verschwindet, kann sie dieses Erlebnis nicht für sich behalten.
Darum besucht Maria ihre ältere Cousine Elisabeth. Von der hat ihr der Engel berichtet, dass auch sie Mama eines Jungen wird. Ganz allein macht sich Maria darum auf den Weg ins judäische Hügelland.
Als sie nach der Wanderung endlich bei Elisabeth ankommt, passiert das folgende.
Lukas schreibt:
Maria aber machte sich auf in diesen Tagen und ging eilends in das Gebirge zu einer Stadt in Juda 40 und kam in das Haus des Zacharias und begrüßte Elisabeth. 41 Und es begab sich, als Elisabeth den Gruß Marias hörte, hüpfte das Kind in ihrem Leibe. Und Elisabeth wurde vom Heiligen Geist erfüllt 42 und rief laut und sprach: „Gesegnet bist du unter den Frauen, und gesegnet ist die Frucht deines Leibes! 43 Und wie geschieht mir, dass die Mutter meines Herrn zu mir kommt? 44 Denn siehe, als ich die Stimme deines Grußes hörte, hüpfte das Kind vor Freude in meinem Leibe. 45 Ja, selig ist, die da geglaubt hat! Denn es wird vollendet werden, was ihr gesagt ist von dem Herrn.“
Predigt II
Ihr Lieben!
Der Advent ist eine Wartezeit. Viele haben Sehnsucht nach Freiheit. Das war schon damals so, als der Engel zu Maria kam. Die Menschen in Galiläa und Judäa, in Nazareth und Bethlehem, sie litten unter der römischen Herrschaft. Die Steuern waren viel zu hoch, und das ganze Geld floss in die Taschen von ein paar mächtigen Männern. Herodes mit seinem Palastbau zum Beispiel, und am Ende war selbst er nur eine Marionette des römischen Kaisers. Die Schätzung, von der die Weihnachtsgeschichte erzählt, die war nötig, um die Steuern zu erheben und das jüdische Volk klein zu halten. Deshalb war die Sehnsucht so groß nach einem Befreier. Alle hofften auf den einen, den Gott schickt. Er würde den Mächtigen ihren Platz zeigen und die Menschen befreien und das Volk aufrichten.
Heute spüre ich so etwas wie Menschentraurigkeit. Gerade in diesem Winter. Zur Dunkelheit und dem grauen Wetter kommen die schlechten Nachrichten, Zahlen von Coronakranken und Gestorbenen. Bilder von überforderten Ärztinnen und Ärzten, Pflegerinnen und Pflegern, und bei vielen das Gefühl von Hilflosigkeit. Wir wissen nicht, wie lange das alles wohl noch dauern wird. Voller Sehnsucht warte ich darauf, dass die Pandemie ein Ende nimmt. Dass wir frei sind und aufatmen können, ganz ohne Maske. So viele Menschen leiden im Moment unter Einsamkeit. So viele sind krank geworden, so viele sind gestorben. Ich sehne mich danach, wieder unbefangen feiern und reisen zu können. Ich sehne mich danach, dass ich meine Freunde wieder besuchen und umarmen kann. Dass Nähe nicht mehr gefährlich ist. Dass ich wieder mit den Kindern spielen und den Alten ohne Maske ins Gesicht schauen kann. In diesen Tagen sehne ich mich nach dem Gedrängel am Glühweinstand auf dem Weihnachtsmarkt und nach lautem Gesang bei Adventskonzerten. Und nach einer ordentlichen Weihnachtsfeier bei der Arbeit. Die Sehnsucht ist groß nach dem Tag, an dem die Maßnahmen zum Schutz vor dem Virus zu Ende sind.
Voller Hoffnung und Sehnsucht machen sich damals wie heute Menschen auf den Weg in ein neues Leben anderswo auf dieser Welt. Die Bibel erzählt, wie Josef und Maria mit dem nur ein paar Tage alten Kind nach Ägypten fliehen mussten. Die Vereinten Nationen sagen heute, es sind knapp 83 Millionen Menschen weltweit auf der Flucht. Das sind so viele wie Menschen in ganz Deutschland leben. Die allerwenigsten davon schaffen es nach Europa oder in die USA. Viele leben in Lagern in Nachbarländern, dagegen ist der Stall in der Weihnachtsgeschichte eine gemütliche Unterkunft. Hauptsache weg aus Armut, Krieg und Terror. Und auf der Flucht setzen die Menschen sich furchtbaren Gefahren aus. Groß ist ihre Not, größer ihre Sehnsucht nach einem Leben in Frieden.
Und bald ist Weihnachten. Viele von uns freuen sich darauf, aber viele von uns haben auch Angst vor Weihnachten. Zum Beispiel vor den hohen Erwartungen der Familie oder vor den enttäuschten Blicken der Kinder. Angst davor, dass alles misslingt, wenn die ganze Familie zu Besuch kommt. Was, wenn ich es nicht schaffe, die ganze Zeit fröhlich zu sein? Und überhaupt: Wie soll ich die ganzen Vorbereitungen schaffen? Wie wird es mit dem Alkohol gehen, der schon so viele Feste kaputt gemacht hat? Und wie soll am Ende das Geld reichen?
Damals wie heute: Sehnsucht nach Befreiung. In die Menschentraurigkeit, die Angst und die Sehnsucht kommt Gott mit Hoffnung. Krieg und Terror werden ein Ende haben. Wir Menschen werden in Frieden miteinander leben. Es wird genug für alle geben. Das letzte Wort ist noch nicht gesagt. Die Welt wird anders. Das Kleine wird groß. Das Leise wird laut. Das Schwache wird stark. Ein König kommt, nicht mit Gewalt, sondern mit Frieden.
Und wenn ich daran denke, hüpft mein Herz so wie das Baby in Elisabeths Bauch.
Predigt III
In die Menschentraurigkeit, die Angst und die Sehnsucht kommt Gott mit Hoffnung. Der Engel kommt zu Maria und nimmt sie in die Hoffnung hinein. Einer wird kommen, das letzte Wort über diese Welt ist noch nicht gesprochen. Das letzte Wort über dein Leben ist noch nicht gesprochen. Einer wird kommen. Und Maria hofft. Und sie wird guter Hoffnung.
Später kommt Maria zu Elisabeth. Die ungeborenen Kinder erkennen sich. Elisabeth und ihr Sohn, der später Johannes heißen wird, spüren es sofort: Einer kommt, und der da ist es. Und das Kind hüpft in Elisabeths Bauch. Ein fröhliches Hüpfen, denn es ist ja so, wie Bastian eben gesagt hat: Man kann nur fröhlich hüpfen. Und das kleine Kind in Elisabeths Bauch weiß in jenem Moment: Diese Welt ist nicht verloren. Es wird nicht so bleiben, wie es ist. Menschentraurigkeit, Angst und Sehnsucht sind endlich.
Marias Herz hüpft. Elisabeths Herz hüpft. Die Kinder im Bauch hüpfen. Ihre Hoffnung ist real, jetzt gerade. Das Evangelium ist nicht im Futur formuliert, sondern im Perfekt. Es ereignete sich zu jener Zeit, und das wirkt bis heute. Deshalb vertrösten wir uns auch nicht auf einen schönen Tag, an dem alles gut werden wird. Wir trösten uns damit, dass es jetzt schon – so sagen wir es im Ruhrgebiet – „am gut werden ist.“
Es wird in diesem Jahr ohnehin vieles nicht so, wie es sonst immer war. Und das kann ein Segen sein, dass die Freiheit da ist, etwas Neues zu machen an Weihnachten. Die gute Nachricht für uns alle ist ja: Gott macht uns frei! Frei von allen Erwartungen und Vorurteilen, frei von den Ansprüchen, die andere und wir selbst an uns stellen.
Und so geht richtiger Advent: Wenn wir mit dem ganzen Ich auf Gott warten, mit Angst und Freude, mit Traurigkeit und Zuversicht, mit Ratlosigkeit und Hoffnung. Bastian sagt immer: Hoffnung kommt von Hüpfen. Deshalb hüpft das Kind in Elisabeths Bauch. Weil es voller Hoffnung ist und weiß: Gott ist nahe, und er möchte uns so treffen, wie wir sind.
Deshalb machen wir es jetzt konkret, mit einer Aufgabe, die ich dir gerne sagen will:
Spät am Heiligen Abend, wenn die Geschenke ausgepackt, die Kerzen heruntergebrannt, die Kinder im Bett und die Gäste gegangen sind. Spät am Heiligen Abend, wenn Wohnzimmer und Küche ein heiliges Chaos sind. Dann räum nicht gleich alles auf! Meine Erfahrung ist, dass es Weihnachten erst dann wird, wenn wir aufhören, es selbst machen zu wollen. Weil Gott nicht unser perfektes Weihnachten liebt, sondern uns.
Nimm dir einen Moment und beweg in deinem Herzen die Freude und vielleicht auch die Erschöpfung. Bleib für einen Moment da im Chaos sitzen, sieh dich um, und denk daran, dass Gott sich genau diese chaotische Welt ausgesucht hat, genau dein chaotisches Leben, um Mensch zu werden. Und in der Stille, spät am Heiligen Abend, hörst du es pochen. Das ist dein Herz! Und dein Herz hüpft, weil dein König kommt.
Amen
Es gilt das gesprochene Wort.