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Über die Einheit
Ökumene und Ökologie
02.10.2022 08:35

 

Ökumene ist alles   

Es wird getrommelt, geklatscht und Halleluja gesungen. Und ich mag es. Nicht das, was ich als Pfälzer Protestantin gewohnt wäre. Aber was ich mir oft wünsche: Die Leute gehen mit. Beim Morning oder Evening Prayer, den täglichen Andachten zur Versammlung der Weltkirchen.     
Einen Monat ist es her. Am 2. September war sie beendet, die 11. Vollversammlung des Ökumenischen Rats der Kirchen, abgekürzt ÖRK. Erstmalig hat sie in Deutschland getagt. Und das von Speyer aus gleich übern Rhein, in Karlsruhe.
Ich sehe die Bilder noch vor mir. Bewegte Menschen und Hüften, ein paar eher steife Deutsche, aber mit wonnigem Lächeln. Ein internationaler Chor, der die Prayer begleitet. Keine Profis, einfach Menschen, die Gott loben. „Together in christ we move“. Die Liebe Christi bewegt.

Auch sie mag ich sofort. Die Frau in grellbunter Tunika zwischen Schwarz-Talarträgern. Dr. Agnes Abuom, sie hat den Vorsitz im Zentralausschuss und moderiert den Auftakt. Ihre Creolen am Ohr blitzen golden und zeigen: Afrika. Ein Statement. Wie sie selbst. Die Anglikanerin aus Kenia. Eindringlich erläutert sie das Motto „Die Liebe Christi bewegt, versöhnt und eint die Welt“ "Christ's love moves the world …“

Bewegung ist ihr wichtig - jetzt, hin zu Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung. Lange schon ein Thema für den ÖRK. Aber in den Krisen dieser Tage umso dringlicher.
„Hören Sie den jungen Menschen unter uns genau zu“, mahnt Agnes Aboum, „sie sorgen sich um die Zukunft unseres Planeten.“

Ökumene heißt, es geht um alles. Darum, wie wir miteinander leben und überleben. Ökumene vom griechischen oikumene, der Erdkreis. Dieses Wort mit Ö, das so leicht mit Ökonomie und Ökologie verwechselt wird. Zurecht, denn es gehört ja zusammen. Gerecht wirtschaften, friedlich leben, nachhaltig handeln. Das geht nur gemeinsam mit allen Nationen, meint Welman Boba. Ich kenne ihn aus seiner Zeit in meiner pfälzischen Landeskirche, er gehört zu einer unserer Partnerkirchen. Inzwischen ist er Kirchenpräsident der Christlich-Evangelischen Kirche von Sangihe Talaud - einer Inselgruppe in Indonesien.

Mich hat die Buntheit in Karlsruhe bewegt. So viele verschiedene Religionen und Nationen sind dort gewesen. Bei der Konferenz hat man deutlich erlebt, was die Liebe Christi alles bewirkt. Und wie viele Gesichter Christus in der Welt hat. Ich habe mich auch sehr gefreut, dass indonesisch inzwischen eine der fünf Sprachen der Konferenz ist.    
Ich höre sie noch, all die Stimmen in Karlsruhe zwischen dem badischen Singsang. Indonesisch, englisch, französisch, spanisch, griechisch oder koreanisch... Delegierte aus 352 Kirchen und Gäste aus aller Welt. Presbyterianer vom Amazonas, anglikanische Maori, Orthodoxe aus Äthiopien, Lutheraner, Methodisten, Mennoniten und und und...

Die Vielfalt der Kirchen ist für meinen Kollegen, Pfarrer Florian Gärtner vom Missionarisch Ökumenischen Dienst in Landau ein großes Geschenk, aber auch eine große Herausforderung.

Florian Gärtner: Ich habe das Gefühl, wir differenzieren uns immer mehr aus – wie die Gesellschaft auch – und schauen dabei vielleicht zu sehr auf unser Eigenes und zu wenig auf das Verbindende. Es gibt viele Themen, die uns leider auch trennen, das sind die Fragen nach Sexualität oder die Ordination von Frauen. Ich würde mir wünschen, dass wir es schaffen, bei den kritischen Themen im Gespräch zu bleiben und bei den anderen Themen Hand in Hand voranzuschreiten.

Differenzen, ja, die gab und gibt es. Wie in der Welt, so auch bei den Kirchen - zwischen Nord und Süd, Ost und West, arm und reich. „Die Liebe Christi bewegt, versöhnt und eint die Welt“. Aber seine Christen sind auch unbeweglich, unversöhnlich und uneins. Christinnen können antisemitisch sein. Einige Kirchen recht lieblos, wenn Menschen anders lieben als in der Mann-Frau-Ehe. Frauen im Amt wie ich, sind manchen orthodoxen Kirchenvertretern gotteslästerlich. Bischöfinnen und Patriarchen können Kriege gutheißen, nicht nur Teile der russisch-orthodoxen Delegation. Die Ukrainefrage – Waffen liefern oder nicht - war ähnlich umstritten wie in der Weltpolitik. Ökumene kann himmelschreiend schwer sein.

Ja, es gibt sie, die vielen Stimmen und Stimmlagen im Welt-Kirchen-Chor. Und dennoch: im Gespräch bleiben, im Gebet, im Bitten um Umkehr und Einheit. Das macht die Weltgemeinschaft der Kirchen aus. Und das macht sie vielleicht aller Welt vor. Sich auseinandersetzen und dabei - im Plenum, im Workshop - doch zusammensitzen. Gemeinsam singen, feiern und beten - und mehr als das: 

Welman Boba: Es geht nicht nur darum, zu reden, wir wollen auch handeln. Schon die täglichen Themen der Bibelarbeit haben die Teilnehmenden tief bewegt. Das bewirkt etwas. Die Kirchen sollten auch angesichts der globalen Krisen politisch aktiver sein. Wir können in der Gesellschaft etwas bewirken.

Ökumene ist Ökologie       

„Die Erde braucht uns“, singt sie, das junge Mädchen auf der ÖRK-Bühne, aufgeregt, mit gepresster Stimme vor all den vielen Leuten, sehr jungen Leuten, people, kids of the world. „Liebe Kinder, die Erde, auf der wir leben, ist bedroht. Schuld daran sind wir, die Erwachsenen. Wir haben nachgedacht, gebetet und wieder nachgedacht, was zu tun ist mit einer Welt, die wir euch ziemlich kaputt übergeben müssen.“
Ein "Brief an die Kinder". Er klingt erschreckend aktuell, ist aber schon 33 Jahre alt, geschrieben 1989. Von der "Ökumenischen Versammlung für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung", direkt an die nächste Generation gerichtet.

Damals, in den 90ern, bin ich als Studentin auf die Straße gegangen. Gegen Waldsterben, verschmutzte Flüsse, Atomkraft, Aufrüstung, Ausbeutung. Sind wir keinen Schritt weiter? Doch. Die Mauer ist gefallen, friedlich, in der Elbe und im Rhein schwimmen Fische. Atomkraft ist abgeschafft – nun ja, fast. Aber noch immer Krieg, Hunger, Raubbau an der Natur. Und – Gott sei Dank - junge Menschen.

Sie gehen wieder auf die Straße, auch in Karlsruhe - fridays for future, Gäste des ÖRK – sie trommeln für den Planeten, fordern von uns ein, was wir Erwachsenen versprochen haben. Und wie ein Trommelschlag die Worte von Agnes Aboum. „Hören Sie den jungen Menschen unter uns genau zu. Sie sind die einzige Generation, die die ersten katastrophalen Auswirkungen der Klimakrise selbst miterlebt und gleichzeitig als letzte Generation etwas unternehmen kann, um die globale Erderwärmung noch zu stoppen.“ Erschreckend.
Welman Boba und seine Kinder erleben es hautnah.

Welman Boba: In Sangihe Talaud das ist ein Gebiet, das besteht aus mehr als hundert Inseln – kleine Inseln, auch große Inseln – da haben wir einige Probleme. Zum Beispiel die Probleme mit der Abrasion der Küste, Probleme mit dem Sturm und Erdrutsch. Und wir spüren den Klimawandel sehr deutlich. Normalerweise es gibt Zeiten, wo das Meer sehr ruhig ist. Und es war immer im Mai, im Juni. Aber jetzt nicht mehr im Mai Juni sondern im Juli, August bis Anfang September. Aber auch der Plastikmüll, ja, die Müllprobleme sind hier auch sehr deutlich.

Der Klimawandel ist für die Kirchen im Süden ein drängendes Thema. Ob die Kirchen in Indonesien noch eine Zukunft haben? Der Präsident der evangelischen Kirche in Papua, Andreas Mofu, der lange sehr hoffnungsvoll war, sagte in einem Workshop: „Ich weiß nicht, ob es in 20 Jahren noch Papuas geben wird.“

Welman Boba: Wir müssen die ökologische Krise überwinden. Und versuchen, Frieden zu stiften in den vielen Nationen, in denen Krieg herrscht. Die Welt ist von so unterschiedlichen Religionen und Kulturen beeinflusst. Da brauchen wir dringend den Dialog. Wir müssen als christliche Kirchen gemeinsam handeln. Wie das Motto der Weltkonferenz sagt: `Die Liebe Christi bewegt, versöhnt und eint die Welt.´

Ökumene ist Einheit!        

Einheit, die wir morgen in Deutschland feiern und zugleich suchen müssen. In einem Land, in einer Welt, die sich nicht weiter bekriegen und spalten darf. „Wer kann die Heizkosten zahlen und wer nicht“, sagt ein junger Mann auf einem Podium zum Thema fair handeln, „wer hungert in Afrika durch den Ukrainekrieg und wer zahlt in Indonesien den Preis für unseren Wohlstand? Das sind Fragen, die wir lösen müssen und nicht verdrängen, denn die Zeit drängt.“
Der junge Mann spricht für OIKOcredit, eine Organisation, die Kleinkredite vergibt, nachhaltige Landwirtschaft und erneuerbare Energien fördert.
Gerechtes Wirtschaften ist dran. Ökumene – das ist auch Ökonomie. Eine, die Menschenrechte achtet und die Natur schützt. Es gibt viele Initiativen und Ideen dazu. Lieferkettengesetz, grüne und soziale Taxonomie – jede Menge schwierige Begriffe fallen auf dem Podium. Am Ende heißt es: „Es ist schon viel erreicht, aber noch ein langer Weg, sich zu einigen.“ Das stimmt wohl. Aber die ersten Schritte werden gegangen, in Deutschland, in Europa, in der Welt. Auch die Weltkirchen bewegen sich. Und werden bewegt …

Florian Gärtner: Ich glaube, tief in uns drin wissen wir Menschen sehr genau, was eigentlich jetzt angesagt wäre, wohin es gehen müsste, wie wir gemeinsam denken und agieren müssten, um diese Welt zu retten. Weil, was uns antreibt, sind menschliche Werte, was uns hält und trägt, das ist die Liebe Gottes.

Welman Boba: Die Kirchen in der Welt sind sehr verschieden, die Probleme im Norden sind andere als die im Süden. Die Themen in Deutschland sind andere als in Indonesien, in meiner Heimat Sangihe Talaud. Aber Christus vereint uns. Und da die Kirche nicht von Menschen geleitet wird, sondern von Gott selbst, bleibe ich Optimist. Ich bin zuversichtlich, dass wir Probleme gemeinsam lösen können. Und die Kirchen weiter zusammenwachsen werden.

Das ist die Hoffnung, auch von Agnes Aboum zum Ende der Weltkirchenversammlung. „Mutig und prophetisch sein“ – das ist ihr Wunsch für die Kirchen der Zukunft. Together in christ we move. Bewegen wir uns. Nicht nur in den Hüften.

 

Es gilt das gesprochene Wort.

 

Musik dieser Sendung:

Alle Titel sind entnommen: Morning/evening/closing prayer ÖRK – O-Ton/Atmo
1. Right Hand Of God
2. Scandic Lalala
3. Arabic Liturgic
4. Christi Liebe
5. Water Song
6. Closing Jazzy
7. One In Spirit (afrikanisch)