„Anpacken und Zusammenhalten“
Spät abends am ersten Weihnachtsfeiertag haben sich Jugendliche in Wolfenbüttel, einer Kleinstadt in Norddeutschland, noch mal aufgemacht. Trotz starken Dauerregens. Trotz Kälte und mit einem vollen Bauch vom Weihnachtsessen. Während andere es sich lieber noch mal mit einem schönen Film auf dem Sofa gemütlich machen, sind die Jugendlichen dort und an anderen Orten rausgegangen. Keiner hat das angeordnet. Einfach so sind sie los. Sie wussten, wo sie gebraucht werden und was zu tun ist.
Ein bisschen war es so mitten in der Nacht wahrscheinlich wie bei den Hirten, die zum Christkind in der Krippe aufbrechen. Die Jugendlichen haben sich auf dem Hof der Stadtwerke mit anderen Jugendlichen getroffen oder sind zur Feuerwehr gefahren, um dort bis in den Morgen mit vielen anderen Menschen Sandsäcke zu befüllen. Die Hilfe wurde in den letzten Tagen überall im Land, vor allem in Norddeutschland gebraucht, um die Häuser vor den anschwellenden Flüssen und Bächen zu schützen. Die Jugendlichen haben mit angepackt und sind dabei auf die vielen haupt- und ehrenamtlichen Helfer:innen gestoßen, die auch sonst bei den Feuerwehren, beim Technischen Hilfswerk, auf den Bauhöfen und an vielen anderen Stellen Dienst tun – wenn’s drauf ankommt auch an den Feiertagen. Es kann natürlich schnell passieren, dass der Dank bei solchen Situationen an die Menschen in den sozialen Berufen etwas abgenutzt oder oberflächlich wirkt. Wenn aber in diesen Tagen auf das Jahr zurückgeblickt wird, dann rücken meist die besonderen Typen und die herausragenden Ereignisse in den Blick. Klar, es ist auch mal gut, diese besonderen Ereignisse in Erinnerung zu rufen. Aber noch spannender und anregender finde ich es, die Menschen und solche Situationen in den Blick zu rücken, die unauffällig und verlässlich da sind und anpacken zum Beispiel die Jugendlichen, die beim Hochwasserschutz in diesen Tagen helfen.
In der Hilfsbereitschaft zeigt sich eine Form von Verbundenheit unter Menschen, bei der nicht erst ein Programm entworfen werden muss. Nein, geradezu instinktiv spüren die Menschen, was anliegt. Die konkrete Situation, eine Begegnung mit einem Mitmenschen – und es ist klar, wo ich gebraucht werde und was zu tun ist. Vielleicht ist es gut, diesen Helfer:innen, die einfach mal anpacken, Aufmerksamkeit zu schenken. Es sollen an die Hunderttausend sein, die spontan bereit sind und an ihnen zeigt sich, dass neben oder auch trotz der großen Profilierungen eine Verbundenheit unter den Menschen besteht. Dafür braucht es diese Typen, die nicht permanent im Kampfmodus sind. Menschen, die sich nicht permanent betrogen fühlen. Die Menschen, die für die Verbundenheit in der Gesellschaft sorgen, treten meist leise auf. Aber wenn man mit ihnen zu tun bekommt, kann es beeindruckend sein: Etwas ergreifend und sehr persönlich hat das vor kurzem der Moderator Klaas Heufer-Umlauf von seiner Mutter erzählt: Die hat sich als Krankenschwester beruflich um Familien mit schwerkranken Kindern gekümmert. Und als einmal eine Familie aus der Türkei wegen eines Kindes Hilfe brauchte aber die Verständigung wegen der Sprache schwierig war, da hat sie einfach angefangen ein bisschen Türkisch zu lernen. Es wäre ja Blödsinn, bei solchen Menschen, die ohnehin wegen des kranken Kindes gestresst sind, darauf hinzuweisen, wie wichtig das Erlernen der deutschen Sprache wäre. Die Mutter von Klaas Heufer-Umlauf hat also einfach selbst angefangen ein bisschen Türkisch zu lernen und sie ist so der Familie im täglichen Umgang ein paar Schritte entgegen zu kommen. So geht das!
So geht das bei Menschen nachts an Weihnachten Sandsäcke schleppen, wenn es nötig ist. So geht das, wenn Menschen mit kleinen Schritten anderen entgegenkommen. Wer aus dem christlichen Glauben lebt, wird es vielleicht als praktizierte Nächstenliebe verstehen. Wer sich nicht so explizit religiös versteht, wird es vielleicht eher als menschliches, humanes Handeln verstehen. Menschen brechen auf wie Hirten und Weise, die zur Weihnachtskrippe kommen. Klingt vielleicht schnell etwas pathetisch, ist aber vor allem ermutigend!
Einen guten Sonntag und einen guten Abschluss des Jahres 2023.
Norddeutscher Rundfunk (NDR)
Redaktion: Sabine Pinkenburg
Katholischer Senderbeauftragter für Das Wort zum Sonntag für den NDR
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