Babyklappen und das Ringen um Hilfe
Samstags nach den Tagesthemen im Ersten
29.03.2025 23:35

Nachdem die erste Babyklappe vor 25 Jahren in Hamburg eingerichtet wurde, hat sich viel getan. Geblieben ist die Not der Frauen - und die vielen Fragen, auch aus der Sicht der Kinder. Pfarrer Wolfgang Beck greift diese Aspekte in seinem Wort zum Sonntag auf. Für ihn ist trotz aller Bedenken am anonymen Abgeben eines Säuglings ein starkes Zeichen des Miteinanders und einer humanen Gesellschaft gegeben.

Samstags ab 17 Uhr können Sie an dieser Stelle den Sendetext nachlesen.

Völlig aussichtslos, liebe Zuschauerinnen und Zuschauer, als völlig aussichtslos erleben Menschen Situationen: Wie ich mich auch entscheide, es ist alles falsch. Es ist schlimm, wenn Menschen keinen Ausweg sehen. Wenn ich von solch einer Not von Menschen höre, stockt mir der Atem. Zugleich ist es unumgänglich, in aller Unsicherheit nach Hilfsmöglichkeiten zu suchen. Dieses Ringen um die richtige Hilfe für Menschen in ausweglosen Situationen hat vor 25 Jahren eine weitere Facette erhalten. Vor 25 Jahren wurde in Hamburg die erste sogenannte "Baby-Klappe" in Deutschland eingerichtet. Das sind Stellen an Krankenhäusern oder Beratungsstellen, an denen Frauen ein neugeborenes Kind abgeben können – ohne Formalitäten - ohne Angabe von Gründen und anonym.

Diese Möglichkeit gibt es an ungefähr einhundert Orten in Deutschland. Sie ist immer wieder intensiv diskutiert worden: Immer wieder wurde die Frage gestellt, ob es gegenüber den Kindern, die in der Obhut von staatlichen Stellen, Pflege- und Adoptionsfamilien heranwachsen, fair ist, dass ihnen jegliche Namensnennung der Mutter und jede Kontaktaufnahme unmöglich ist. Ist es zumutbar, dass einem Menschen durch die anonyme Abgabe des Kindes jedes Erforschen der eigenen Wurzeln verwehrt wird?

Da stehen Rechte und Nöte der Mütter und der Kinder einander scheinbar unvereinbar gegenüber.

Bestimmt ist es gut, wenn ich als Mann und als katholischer Priester und Theologe zurückhaltend mit einer Meinung bin. Die Not der Frauen und Mütter zu sehen, ist wichtig. Genauso wie die Belastung der Kinder, wenn sie ihr Leben und ihre Herkunft reflektieren.

Aber: Ich bin unheimlich dankbar, dass wir als Gesellschaft solche Erfahrungen und Nöte ernst nehmen. Dass wir nicht mit billigen Antworten darüber hinweggehen. Und, dass wir nicht aufhören, darin auch nach Möglichkeiten der Hilfe zu suchen. Vielleicht zeichnet das eine humane Gesellschaft aus: um Lösungen zu ringen, wo es einfach nicht die eine perfekte Lösung gibt. Gemeinsam nach Wegen zu suchen, wo es keine klare Ordnung von richtig und falsch gibt. Für mich drückt die Babyklappe auch etwas von der Praxis Jesu aus: Von ihm wird in der Bibel erzählt, dass er sich zu einer Frau in großer Not zum Gespräch an den Brunnen setzt. Damit zieht er sich die Vorwürfe derer zu, die schnell und laut mit ihrer eindeutigen Meinung daherkommen. Jesus zeigt sich aber solidarisch mit dieser Frau.

In diesen Wochen von Kriegsgefahr und -angst, von politischen Unsicherheiten und scharfen Kontroversen stellt sich immer wieder die Frage, was für uns eine humane Gesellschaft, ein menschliches Miteinander ausmachen kann, wenn es nicht einfach aus billiger Härte und Selbstbezug bestehen soll.  Da ist es hilfreich, sich an vermeintlich kleine Ansätze zu erinnern, in denen pragmatisch Hilfe in größter Not sichtbar wird. Die Babyklappen stehen für mich nach einem Vierteljahrhundert auch symbolisch dafür, dass es Hilfe gibt. Eine Hilfe, die sicher nicht die perfekte Lösung und nicht das Ende von Problemen ist. Eher eine Hilfe, die im Wissen entsteht, dass sie mit vielen Tränen verbunden bleibt und mit Not. Eine Hilfe, in der sich niemand mit einer moralisch weißen Weste davon machen kann. Es bleibt zum Verzweifeln. Und gerade deshalb sind die Babyklappen für mich ein Zeichen für ein menschliches Miteinander – gerade mit Menschen in größter Not. Allen diesen Kindern und Frauen und uns allen: Einen guten Sonntag!
 

Es gilt das gesprochene Wort.

Kontakt zur Sendung

Katholischer Senderbeauftragter für Das Wort zum Sonntag für den NDR

Andreas Herzig, Erzbistum Hamburg

Am Mariendom 4

20099 Hamburg


Tel.:   040 248 77 112

E-Mail: herzig@erzbistum-hamburg.de

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