Es ist eine beeindruckende Party! Die Olympischen Spiele in Paris begeistern mit großartigen Geschichten – vor allem auch aus den kleinen Randsportarten. Und mit dem dreckigen Wasser der Seine oder mit der Aufregung um die Eröffnungsfeier, bei der sich manche Frommen irritiert zeigten, gab es auch eine Menge zum Schmunzeln. Kurios: Eine Sportlerin musste nach Hause fahren, weil sie einfach mal zum Eifelturm gegangen war, ohne um Erlaubnis zu bitten. Manche haben gefragt, ob das Wasser der Seine nicht so dreckig ist, dass man besser keinen Fuß reinsteckt. Und manche Sportler:innen haben sich über das Essen beschwert – ausgerechnet in Frankreich! Ich finde es großartig, dass die großen Olympischen Spiele auch von diesen Geschichten, von kleinen Pleiten, von Pech und Pannen begleitet werden. Sie sind genauso wichtig, wie die Geschichten von den Sportler:innen, die sich mit ihrem Sport und mit Erfolgen nach oben gearbeitet haben. Das Refugee Olympic Team, in dem Flüchtlinge ohne Staatsangehörigkeit teilnehmen können, steht für solche beeindruckenden Geschichten und Biographien.
Diese kleinen und großen Geschichten sind wichtig, damit die Wettkämpfe nicht nur verbissen geführt werden. Damit sie wirklich gefeiert werden können. Aber ist das angemessen, ausgelassen zu feiern, wenn doch gleichzeitig Krisen das Leben prägen? Da die Begeisterung für die Sportler:innen, dort düstere Nachrichtenlage:
Der Konflikt im Nahen Osten, im Gazastreifen und im Norden Israels; der anhaltende Krieg Russlands gegen die Ukraine; die Krawalle in den letzten Wochen in Großbritannien oder die angespannte Situation in Venezuela – die Liste der Krisen scheint unendlich lang. Alles ziemlich düster und wenig hoffnungsvoll. Und viele Katastrophen und Kriege schaffen es ja nicht mal in unsere Nachrichten. Bleibt der krasse Gegensatz: Party, Freude und Jubel angesichts der Katastrophen? Geht das? Muss einem angesichts der weltweiten Katastrophen nicht das Feiern und Jubeln ziemlich vergehen? Das Dilemma ähnelt vielleicht Situationen, die viele auch aus ihrem direkten Umfeld und der Familie kennen: Da wurde eine Hochzeit geplant und dann gibt es einen Trauerfall in der Familie. Eine Geburtstagsparty soll stattfinden und einen Tag vorher gibt es die Nachricht, dass ein befreundetes Paar sich getrennt hat oder jemand eine schlimme Diagnose bekommen hat. Wie sollen wir da feiern? Geht das überhaupt? Oder ist es irgendwie geschmacklos? Ja. Das Feiern ist eigentlich immer zumindest am Rand des Geschmacklosen. Weil es ja immer etwas gibt, was ganz massiv dagegenspricht. In den biblischen Texten gibt es immer wieder Aufforderungen zum Feiern. Besonders anrührend ist für mich eine Situation, in der Israeliten in den Trümmern der Stadt Jerusalem stehen. Unter Anleitung von Nehemia und Esra wird die Stadtmauer wieder aufgebaut. Und dann gibt es gleich ein Fest! Sieben Tage lang! Das Fest ist aber nicht einfach die Party, weil jetzt alles gut wäre. Das Feiern gehört zum Reparieren, zum Schuften, zum Arbeiten an der Katastrophe mit dazu. Es ist ein Element, mit dem an dem Desaster gearbeitet wird. Mir scheint das ganz gut zur Feier der Olympischen Spiele zu passen. Es geht nicht darum, trotzdem eine Party zu feiern. Und es geht nicht darum die Augen vor den Problemen zu schließen. Nein, es ist ein Feiern, das dazu beitragen kann, dass Menschen am gemeinsamen Leben, am Miteinander bauen. In diesem Sinn: Viel Spaß beim Feiern des Olympia-Finales in Paris – nicht trotz der Katastrophen, sondern in und mit den Desastern, die uns sonst bewegen.
Norddeutscher Rundfunk (NDR)
Redaktion: Sabine Pinkenburg
Katholischer Senderbeauftragter für Das Wort zum Sonntag für den NDR
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