Foto: Evangelische Kirchengemeinde Fellbach
Wegstärkung
Live-Übertragung aus der Johanneskirche in Fellbach-Oeffingen
14.01.2024 09:05
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Predigt zum Nachlesen:

I

Weiter auf dem Weg

Die Jünger und Jesus sind auf einer Hochzeit eingeladen.

In dem Ort Kana, ein wenig nördlich von Nazareth, der Stadt, in der Jesus aufgewachsen ist.

Ein denkwürdiges Fest soll es gewesen sein.

Am Schluss gab es den guten Wein, und zwar in Hülle und Fülle. 600 Liter!

Mehr als genug. Mehr, als die Gäste trinken können.

Genug, mehr als genug.

 

Das erinnert mich an die großen und fetten Festtage, die wir gerade hinter uns haben. Weihnachten und Silvester sind gerade abgefeiert. Die freien Tage sind vorbei, die Verwandten sind wieder abgereist, die Besuche erledigt, das Chaos wieder beseitigt. Der raue Wind des Alltags weht uns wieder ins Gesicht.

Da kann ich Stärkung gebrauchen. Wegstärkung. In der Bibel beschreibt der Hebräerbrief das Leben als ein Auf-dem-Weg-Sein. Er erzählt davon, dass wir als Christinnen und Christen auf einer Wanderschaft sind. Wir sind nicht irgendwann fertig mit unserem Glauben. Wie mit Weihnachten auch nicht alles fertig und vorbei ist. Wir sind weiter unterwegs. Der Hebräerbrief ermuntert, mutig  loszugehen. Romy liest uns den Predigttext für den Sonntag heute aus dem Hebräerbrief, Kapitel 12, vor:

 

II

Hebr 12, 12-15; 22-25a

Romy: Darum stärkt die müden Hände und die wankenden Knie und tut sichere Schritte mit euren Füßen, dass nicht jemand strauchle wie ein Lahmer, sondern vielmehr gesund werde. Jagt dem Frieden nach mit jedermann und der Heiligung, ohne die niemand den Herrn sehen wird, und seht darauf, dass nicht jemand Gottes Gnade versäume; dass nicht etwa eine bittere Wurzel aufwachse und Unfrieden anrichte und viele durch sie verunreinigt werden;

[…]

ihr seid gekommen zu dem Berg Zion und zu der Stadt des lebendigen Gottes, dem himmlischen Jerusalem, und zu den vielen tausend Engeln und zur Festversammlung und zu der Gemeinde der Erstgeborenen, die im Himmel aufgeschrieben sind, und zu Gott, dem Richter über alle, und zu den Geistern der vollendeten Gerechten und zu dem Mittler des neuen Bundes, Jesus, und zu dem Blut der Besprengung, das besser redet als Abels Blut. 25Seht zu, dass ihr den nicht abweist, der da redet.

 

 

III

Fürsorglicher Hebräer-Brief

Wer eine lange Wanderung vor sich hat, tut gut daran, sich vorzubereiten und die müden Knie und Hände zu stärken.

Als wir im Herbst mit einer Gruppe von Jugendlichen und Eltern eine Wanderung in den Alpen gemacht haben, waren die ersten Kilometer kein Problem. Der Rucksack war leicht. Die Schuhe haben gepasst.  Mein Schritt war federnd. Wir bewunderten die Bergformationen. Mal sah der Berg vor uns wie ein Pferdekopf aus, später wie ein Ambos.

Der Hebräerbrief ist fürsorglich. Denn offensichtlich geht es ihm nicht nur darum, dass man fit genug ist für die Wanderung. Der Hebräerbrief möchte, dass niemand zurückbleibt. „Seht darauf, dass nicht jemand Gottes Gnade versäume“.

Ja, das wäre schade, wenn jemand den Blick vom Berg ins Tal hinunter versäumen würde. Gut, davor steht eben der Aufstieg. Alles, was man am Fuß des Berges hat, ist die Freude auf einen schönen Blick vom Berg. Solange man sich im Aufstieg auf den Berg befindet, hat man nur die Vorstellung von dem, was einen erwartet. Die Hoffnung auf eine gute Aussicht.

 

IV

Welche Hoffnung

Max: In unserer Konfirmandengruppe haben wir uns gefragt, was wir uns erhoffen. Und dabei sind uns spontan viele Dinge eingefallen. Zuerst hoffen wir, dass die Kriege in der Welt aufhören, dass Frieden Wirklichkeit wird. Wir hoffen auf eine gute Zukunft für uns und für alle Menschen. Denn wir sehen, dass es viele Menschen in der Welt gibt, die nicht frei sind, die krank sind, die hungrig und durstig sind. Aber natürlich haben wir auch ganz gewöhnliche Hoffnungen, zum Beispiel, dass der VfB-Stuttgart in diesem Jahr Meister wird.

Friede für die Welt, Friede für mich. Heil werden an Körper und Seele. Das sind große Hoffnungen. Große Ziele für eine Wanderung durchs Leben. Und als Erwachsene sagen wir vielleicht: Schöne Worte, aber vielleicht doch zu groß. Denn das Leben besteht ja doch vor allem aus kleinen Schritten, Kompromissen und harter Arbeit. Vielleicht sollte es etwas bescheidener sein…

 

V

Der Weg zum Gipfel ist manchmal steil und beschwerlich. Manchmal führt er aber auch einfach unter sanft beschneiten Bäumen an einem Bach vorbei. Manchmal ist der Weg mehr ein Spaziergang. Vor allem das letzte Stück wird zur Kraftanstrengung. Es sind immer nur kurze Etappen möglich, dann wieder ausruhen und viel atmen. Gut, wenn man da in einer Gruppe unterwegs ist und die anderen einem noch zurufen und Mut machen.

 

VI

Hoffnungshelfer

Max: Also uns schenken vor allem andere Menschen Mut und Hoffnung. Unsere Freunde und Familien, die Großeltern – sie wissen einfach oft viel mehr als wir und haben schon viel mehr erlebt. Wir können aber auch schon auf unsere eigenen schönen Erlebnisse und Momente im Leben zurückschauen, die uns Hoffnung für die Zukunft geben.

 

VII

Die anderen Leute, die mit uns durchs Leben und ins neue Jahr hinein wandern, sind wichtig. Der Predigttext aus dem Hebräerbrief drückt das so aus: Stärkt einander!  Als Mutmacher auf dem Weg stellt er uns Bilder vor Augen, die sind alles andere als bescheiden, sondern groß und fantastisch. Was für ein Ausblick vom Gipfel: auf das himmlische Jerusalem, auf viele tausend Engel, eine Festversammlung mit Gott und Jesus selbst. Ich mag mir das in den schönsten Farben und Klängen ausmalen. Ein Fest mit den leckersten Speisen und gutem Wein in Überfluss.

 

VIII

Als wir uns gefragt haben, welche Geschichten uns Hoffnung machen, haben wir große und kleine Geschichten in Büchern oder Filmen gefunden. Manche fanden die Geschichten von „Gregs Tagebuch“ gut, das ist ein ganz normaler Junge, der seinen Schulalltag und sein Leben als Jugendlicher beschreibt. Und gerade weil er ein Junge in unserem Alter ist und einfach das Gleiche erlebt wie wir auch, macht uns das Mut. Andere fanden zum Beispiel diese große Geschichte von Romeo und Julia gut. Weil sie uns von der ganz großen Liebe erzählt, die uns auch ins Träumen bringt.   

 

IX

Mut zur großen Geschichte

Ach ja, Romeo und Julia. Die großen Erzählungen oder die Geschichten, die so gut vom Alltag erzählen, dass ich sagen kann: Stimmt, so geht es mir auch. In solchen Geschichten steckt Kraft.

Der Hebräerbrief erzählt ebenfalls eine große Geschichte. Die vom Fest in der Heiligen Stadt, bei dem alle dabei sind. Die Engel und die Glaubensgeschwister, die einem Mut machen. Gott, der geraderichtet, was schief und verkehrt war.  Jesus, der Mittler des Bundes, der alle miteinander verbindet, Gott und Mensch, Mensch und Mensch. Der Hebräerbrief geizt nicht in seinen Bildern und das heute, wo wir uns doch gerade wieder in die Niederungen des Alltags befinden. Er bleibt bei der großen Geschichte und den großen Bildern. Ein Fest voller Licht, Freude und Überfluss – drunter macht er es nicht. Was für eine Aussicht!

Und irgendwie habe ich den Eindruck, dass wir Mut brauchen, diesen großen Geschichten wieder Vertrauen zu schenken. Dass wir uns trauen, wirklich den großen Berg zu besteigen.

Als wir bei der Bergwanderung mit unserer Gruppe endlich oben ankamen, habe ich beim Blick vom Gipfel gemerkt, wie klein ich eigentlich bin. Der Blick in die Weite und auf die Macht der Berge ließ mich klein und demütig werden – aber auch dankbar, dass ich Teil dieser Welt bin.

Die Bilder des Hebräerbriefs wirken ähnlich. Ich fühle mich dieser Festversammlung zugehörig. Irgendwie klein, bei all der Prominenz – Engel, Gott, Jesus -, aber schon, dass ich dazugehöre, macht mich dankbar. Und bereit, das anzugehen, was vielleicht unmöglich erscheint. Macht mich bereit für kräftezehrende Aufstiege, für die Mühen der Ebene, für die kleinen Schritte, die mich aber doch wieder näher ans Ziel bringen.

Zugegeben: Das Fest im Hebräerbrief ist so groß, dass es nur selten Wirklichkeit wird. Aber schon eine Hochzeit, zu der ich eingeladen bin, oder die Feier einer bestandenen Abschlussprüfung oder ein Essen zu zweit sind ein Vorgeschmack auf dieses große Fest.

Wir sind weiter auf dem Weg des Glaubens. Mit Weihnachten ist es nicht vorbei. Wir brauchen uns gegenseitig, wir brauchen uns als eine Gruppe, die miteinander versucht, das Leben zu bestehen. Wir brauchen die Familien und die Freunde. Ich finde, die Konfis haben uns da schöne Brücken gebaut und Hinweise gegeben. Wir brauchen auch die großen Geschichten, die uns zum Träumen bringen und die uns wieder darauf hoffen lassen, dass sich die Anstrengung und der Weg auch wirklich lohnen.

Vielleicht brauchen wir gerade jetzt im Alltag immer wieder das Aufblitzen der Herrlichkeit Gottes. So ein Bild, das uns innerlich aufrichtet und uns mit Mut und Zuversicht in die Zukunft gehen lässt. Nicht erst in der Ewigkeit gibt es das, sondern hin und wieder schon hier und jetzt.

Wenn ich heute an unsere Wanderung im Herbst denke, dann erinnere ich mich natürlich daran, dass ich nur schwer jeden Fuß vor den anderen setzen konnte, ich erinnere mich an meinen schweren Atem. Aber ich werde es wieder tun. Ich werde wieder die Wanderstiefel anziehen, meine müden Hände und wankenden Knie werde ich stärken und dann den Weg auf mich nehmen.

Denn ein Blick in die Großartigkeit der Welt wird für mich ein Fest sein. Und vom Hebräerbrief will ich mir gerne erzählen lassen, dass alle mit dabei sind. Aus der sichtbaren und unsichtbaren Welt. Für die Wege, die vor mir liegen, macht mir das Mut.

Amen

 

Es gilt das gesprochene Wort.

Kontakt zur Sendung

Felix Weise
Pfarrer im Landespfarramt für Rundfunk und Fernsehen in Stuttgart
Evangelisches Medienhaus GmbH
Augustenstaße 124
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