In seinem Wort zum Sonntag greift Pfarrer Wolfgang Beck die grundlegende Frage auf, ob der Mensch im Grunde gut oder böse sei? Angesichts von Katastrophen, Not und Kriegen könnte man zu der Überzeugung gelangen, dass Menschen anderen Menschen vor allem zum bösen Gegner oder gar Feind werden. Umgekehrt lassen sich aber bei genauer Suche und positivem Ansinnen auch Beispiele finden, wo Not und Elend überwunden werden - durch eine den Menschen in dieser Situation nicht zugetraute Solidarität und Empathie. Für diese zweite Sichtweise auf den Menschen wirbt Pfarrer Beck: Es ist ein Perspektivwechsel zum Guten.
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Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer, gut! "Gott sah, dass es gut war!" Einfach gut? So erzählt das erste Buch der Bibel von der Entstehung des Lebens und der Welt. Es war gut! Es ist berührend diese Vorstellung, dass Gott auf das Leben blickt, auch auf den Menschen, und dann feststellt "Gott sah, dass es gut war." Ein einfacher, mehrfach wiederholter Satz.
Erstaunlich. Ist Gott naiv? Die Welt ist voll mit Krieg, Terror und Gewalt. Die Welt ist voll mit Egoismus, Hass, Streit, mit Konkurrenzdenken und mit Intrigen. Die Vorstellung, dass Gott auf den Menschen schaut und sagt: der Mensch ist gut – das erscheint vor dem Hintergrund der bitteren Erfahrungen in dieser Welt erstaunlich und unerklärlich. Mit diesem Blick auf die Welt und auf den Menschen ist eine sehr grundsätzliche, etwas philosophische Frage verbunden, die immer wieder debattiert wird. Denn die einen meinen, dass Menschen immer an ihren persönlichen Vorteil denken. Dass sie egoistisch sind, von Natur aus schlecht. Und im Ernstfall doch nur auf den eigenen Vorteil bedacht. Der Mensch sei "dem Menschen ein Wolf". Viele drücken das heute anders aus. Dann heißt es: "Man kann ja niemandem mehr trauen!" Oder: "Ich denke jetzt nur noch an mich. Mir hilft ja schließlich auch keiner!" Es sind alltägliche Statements mit denen Menschen behaupten: "Im Grunde sind alle schlecht. Der Mensch ist böse!" Aber ist das wirklich so?
Der niederländische Historiker und Buchautor Rutger Bregman vertritt das Gegenteil. Er hat eine ganze Menschheitsgeschichte geschrieben, in der er zeigt: Im Notfall neigen die Menschen dazu, einander zu helfen. Im Notfall denken die allermeisten Menschen solidarisch.
Ein Beispiel: Als die deutsche Luftwaffe im Zweiten Weltkrieg begann, Großbritannien zu bombardieren, gingen die Nationalsozialisten davon aus, dass dies die Bevölkerung der englischen Städte schnell in eine Krise stürzen würde. Alle würden panisch versuchen, nur sich und die eigene Familie in Sicherheit zu bringen. Aber das Gegenteil war der Fall. Je mehr Bomben abgeworfen und Menschen in Not gestürzt wurden, desto größer wurde die Hilfsbereitschaft. Die Solidarität untereinander wuchs. Die Nazis hatten sich grundlegend in ihrem Menschenbild getäuscht! Denn der Mensch ist in der Not eben nicht egoistisch, sondern mitfühlend und solidarisch. Es ist eines von unzähligen Beispielen, in denen sich zeigt: Der Mensch ist "im Grunde gut", wie der Buchtitel besagt. Das eröffnet eine neue Perspektive auf unser Zusammenleben.
Mich hat das fasziniert. Denn es greift auf, was in den uralten biblischen Schöpfungsmythen ausgedrückt ist: "Gott sah, dass es gut war." Klar, wenn ich davon ausgehe, dass die Menschen eigentlich grundsätzlich schlecht sind, dann finde ich dafür viele Situationen, die mich scheinbar bestätigen. Dann brauche ich nur Einen oder Eine treffen, eine Enttäuschung erleben und schon werden die positiven Erfahrungen davon in den Schatten gestellt.
Der Mensch ist im Grunde gut – diese Erinnerung ist entscheidend, wenn – nicht nur – beim Tag der Deutschen Einheit immer um ein gutes Zusammenleben aller Landesteile gerungen wird. Der Mensch ist im Grunde gut – das gilt es immer wieder in Erinnerung zu rufen, in den aktuellen Debatten zur Migrationspolitik, in den hitzigen Auseinandersetzungen oder wenn meine Wut übergroß wird. Ich wünsche Ihnen, dass Sie das erleben können: Der Mensch ist … im Grunde gut!