Evangelischer Rundfunkgottesdienst am Sonntag, 11. Mai 2025, aus der Lutherkirche in Pinneberg bei Hamburg, live im Deutschlandfunk, 10.05 bis 11.00 Uhr
Wie können wir weise handeln? Um diese Frage geht es im Gottesdienst. Die Weisheit wird in der Bibel personifiziert als spielende Schöpfungshelferin Gottes dargestellt. Was tragen die Bibelworte über Weisheit aus für die Fragen von heute?
Das Alter macht weise, heißt es. Aber es gibt auch die Weisheit der jungen Menschen. Darüber sprechen Pastor Henri Steinrück und Pastor Harald Schmidt In ihrer Dialogpredigt. Sie meinen: Weisheit bedeutet, Erfahrungen mit Bedacht einzubringen. Und: "Weise ist es eben auch, die Grenzen der eigenen Weisheit zu erkennen und dabei die Hoffnung auf Gott nicht aufzugeben."
Die Ehrenamtlichen Monika Bähr und Birgit Köhnke leiten durch den Gottesdienst und gestalten die liturgischen Elemente. Die musikalische Leitung hat Kantor und Organist Klaus Schöbel.
WeiterlesenEs singt das Vocalensemble Pinneberg. Die Lieder im Gottesdienst sind beliebte Klassiker wie "Bewahre uns, Gott" und "Vertraut den neuen Wegen" sowie die eigene Komposition von Klaus Schöbel "Trotzdem glauben".
Lieder des Gottesdienstes:
1.- 7. EG 443, Strophen 1-7: Aus meines Herzens Grunde
8. EG 184: Wir glauben Gott im höchsten Thron
9. EG 395, Strophen 1- 3: Vertraut den neuen Wegen
Predigt nachlesen:
I
Die Weisheit stellt sich vor:
Am Anfang hat Gott mich geschaffen, ich war sein erstes Werk vor allen anderen.
Ich war dabei, als er den Himmel wölbte und den Kreis des Horizonts festlegte über den Tiefen des Ozeans, als er die Wolken hoch oben zusammenzog und die Quellen aus der Tiefe sprudeln ließ,– da war ich als Kind an seiner Seite, ich freute mich an jedem Tag und spielte unter seinen Augen. Ich spielte auf dem weiten Rund der Erde und hatte meine Freude an den Menschen.
Liebe Gemeinde!
Mir tut das gut. Freude über die Weisheit. Ja, die Weisheit braucht in unserer Zeit endlich wieder eine Stimme. Überall, wo es brodelt, wo machthungrige Menschen Ordnungen aus den Angeln heben, die uns lange Sicherheit gegeben haben, da scheint mir Weisheit wirklich weit weg zu sein. Und wo ist die Weisheit, wenn unsere Natur, unsere Schöpfung, die Welt für uns und unsere Kinder so stark gefährdet ist? Weisheit brauchen wir dringend.
Die Weisheit hat etwas mit Alter und Erfahrung zu tun. Ich finde es gut, dass auch das einmal als Wert benannt wird. Denn Ungestümes und nicht in Ruhe bedachte Veränderungen machen mich nervös.
Revolutionäre Veränderungen lassen sich leicht einfordern, wenn man weiß: Jemand sorgt schon dafür, dass ich gut versorgt bin.
Manchmal denke ich, wenn ich so viele Forderungen höre: Herumnörgeln und sagen, was mir nicht passt, ist leicht. Ich kann ohne langes Nachdenken fordern, wie ich die Welt haben möchte.
So funktioniert die Welt nicht. Es fehlen Nüchternheit und Lebenserfahrung. Wo ist die Weisheit?
Was ist Weisheit?
In der Bibel hat Weisheit auch etwas mit einem Bewusstsein für die richtige Reihenfolge zu tun. Bevor man anfängt, die Welt zu verändern, ist es sinnvoll, wahrzunehmen und wertzuschätzen, was da ist. Erst einmal gilt es, zu lernen und Erfahrungen zu sammeln. Diese dann mit Bedacht einzubringen, das ist weise. (Dann verstehen wir, was andere in ihrem Leben bereits geschaffen und geschafft haben. Dann verstehen wir, wie die Welt wirklich funktioniert.
Achtung und Respekt gegenüber anderen Menschen stellen sich dann von allein ein.)
An einer Stelle sehne ich die Weisheit gerade besonders herbei. Es wird heute so viel über Bewaffnung und Kriegstüchtigkeit gesprochen. Mir macht das Angst.
Noch leben Menschen, die wissen und schmerzvoll erfahren haben, was das alles bedeutet. Die sind weise. Denen sollten wir zuhören.
Die Gedanken des biblischen Buchs der Sprüche würdigen das Alter, die Lebenserfahrung und die dadurch gewachsene Weisheit. Eine Weisheit, die weiß, wovon sie spricht. Eine Weisheit, die nicht unüberlegt Sprüche klopft. Diese Weisheit kommt zu Wort.
In grauer Vorzeit hat Gott mich gemacht, am Anfang, vor Beginn der Welt. Das erzählt die Weisheit.
Weisheit, Zeit und Ewigkeit hängen zusammen.
Weisheit und Freude über die Schönheit unserer Welt gehören zusammen.
Weisheit und eigenes Erleben sind miteinander verbunden. Unserer Welt tut es gut, wenn wir das beherzigen.
Die biblische Weisheit sagt mir: Hör erst einmal zu! Dann verstehe und erlebe mit! Dann öffne den Mund und teile deine Erkenntnisse!
Weisheit und Wertschätzung gehören zusammen. In der Bibel steht:
Ihr jungen Leute, hört auf die Stimme der lebenserfahrenen Weisheit! Hört auf mich! Wie glücklich sind alle, die mir folgen! Schlagt meine Unterweisung nicht in den Wind, hört darauf und werdet klug! Wie glücklich sind alle, die mir zuhören. Alle, die mich finden, finden das Leben und Gott hat Freude an ihnen.
Wie findet man ein Leben, in dem das geht? Wo liegt der Weg, auf dem die Menschen gut miteinander und mit Gott gehen können? Ihr habt es gehört. Hört und ehrt die ehrwürdige, lebenserfahrene Weisheit!
II
Von Zeit zu Zeit seh ich den Alten gern und hüte mich, mit ihm zu brechen…"
Aber mit diesem altklugen Gerede schon. Wer Weisheit will, soll die Reihenfolge einhalten. Erst einmal schön Erfahrung sammeln und lernen. Heißt das also: Wenn man etwas verändern möchte, ist man nörgelig? Das kann nur jemand sagen, der denkt, alles bleibt im Wesentlichen so, wie es ist.
Wir sollen geduldig Geschichten von früher hören. Voller Ehrfurcht der Erfahrung von euch Älteren lauschen. Von euch Lösungen für Probleme von früher lernen. Bis ihr wieder mal ein Problem mit dem Rechner habt – dafür sind wir dann gut genug.
Überraschung: Die Welt dreht sich weiter! Lernen hört nicht auf. Gott sei Dank!
Ich meine: Zur Weisheit gehört, sich zu erinnern, wie es ist, wenn man voller Fragen steckt, voller Ungeduld, voller Neugier.
Weise ist, wer sich nicht allein auf das Fundament jahrzehntelanger Erfahrung verlässt, sondern sich auf die wackelige Brücke des Ausprobierens wagt.
Es vermehrt die Weisheit, wenn sich die Jüngeren an den Generationen, die vor ihnen waren, abarbeiten.
Alter, dein junges Ich wäre dein schärfster Kritiker!
Zur Weisheit gehört die Einsicht: Alles verändert sich – auch ich selbst.
Wenn Weisheit nur bedeutet, der Erfahrung Älterer zu gehorchen, dann ist das keine Weisheit. Dann ist das Stillstand!
Dann bleibt nämlich alles, wie es ist. In der Bibel heißt es: Die Weisheit spielte vor Gott. Wer auf der weiten Erde spielen will, möchte nicht an einer Kette hängen. Eine Weisheit, an der Gott seine Freude hat, ist offen, neugierig und bereit, sich auf Neues einzulassen.
Sie war ja schon vor allem anderen da!
Ach ja. Zum Altklugen-Bingo fehlt noch ein Satz: "Früher war alles besser!" – na ja. Es geht schneller, als man denkt, dass man feststellen muss: Früher war ich jünger. Und in manchen Dingen weiser.
Also erzähl mir nichts von Ehrfurcht und Respekt!
Respekt ist keine Einbahnstraße. Sie gebührt den Älteren wie den Jüngeren.
Sie beinhaltet den Respekt für das, was war.
Und den Respekt für das, was wird.
Weisheit fordert auf zum Hören auf die Stimme der Vergangenheit – und sie hört auf die Stimme der Zukunft.
Denn das sind die Stimmen derer, die noch ein ganzes Stück länger in dieser Welt leben werden.
Wir haben alle unsere Zeit auf dieser Welt – die Älteren und die Jüngeren. Und die…Mittleren, wie ich. Und wir alle haben unsere Gegenwart, und die ist jetzt. Alles haben wir das Recht, hier zu sein und uns einzubringen mit unserer Erfahrung und Weisheit. Wir können denen, die nach uns kommen, zögernd das Zepter überlassen… oder zuschauen, wie sie es sich irgendwann nehmen. Und das mit Recht.
Was für ein Glück, dass Gott unsere Zeit in Händen hält - die Vergangenheit, die Gegenwart, die Zukunft.
Gott segnet die Alten und die Jungen.
Wer weise sein will, tut gut daran, auf Jesus zu hören!
Der war Anfang 30, also gar nicht so alt, als er sagte: "Wer das Reich Gottes nicht empfängt wie ein Kind, wird nicht hineinkommen."
III
Die Weisheit in der Bibel spricht: Alle, die mich finden, finden das Leben. Und Gott hat Freude an ihnen.
Oder: Wenn wir verstehen, was Weisheit ist, dann ist Gott mit uns im Reinen und wir mit Gott. Wir Menschen leben gut miteinander. Und wir leben im Einklang mit der Schöpfung. Das geschieht, wenn Menschen sich begegnen. Mit allem, was zu ihnen gehört.
Unsere Energie nutzen wir dann, um zu entdecken, was Menschen miteinander verbindet. Lange gewachsene Erfahrungen und jugendliche Energie verbinden sich.
Weisheit hat mit Erfahrung zu tun. Ja. Aber zu echter Weisheit gehört tatsächlich der Blick auf die Gegenwart, auf das, was im Hier und Heute wichtig ist.
Das fängt mit Hinschauen und Zuhören an. Es ist eine gute Idee, mit Wertschätzung und Einfühlungsvermögen die Erfahrungen anderer ernst zu nehmen.
Die sind verschieden. Verschiedenheit ist manchmal echt anstrengend.
Erfahrungen aus alten Zeiten sind wichtig.
Aber sie sind tatsächlich nicht immer Antwort für die Gegenwart. Oft müssen auf neue Fragen neue Antworten gefunden werden.
Aber manchmal ist ein in langer Zeit gewachsenes Erfahrungswissen hilfreich.
Manchmal wissen es die Alten, die Lebenserfahrenen wirklich besser.
Manchmal aber eben auch nicht.
Weisheit ist eben doch mehr als: Ich weiß schon alles. Weisheit heißt: Ich kann mir auch vorstellen, dass die andere Recht hat. Da müssen wir, meine ich, wieder hin.
Die Weisheit spielt vor Gott. Vielleicht kommen wir spielerisch wieder zu einem leichteren Umgang miteinander. Weg von der Verbissenheit.
Das ist, je länger ich darüber nachdenke, wirklich die Weisheit, die es zu finden gilt.
Weisheit, an der Gott Freude hat. Denn dann füllen wir Gottes gute Ideen für uns mit Leben.
Ja, da gehört die Energie hin!
Ich meine immer noch, dass an über Generationen gewachsener Lebensweisheit was dran ist.
Die hat sich schließlich auch immer weiterentwickelt und verändert.
Aber ich gebe zu: Diese alte Weisheit neigt mitunter zu Sturheit. Und die brauchen wir nicht.
IV
Ich gebe zu: Die überschäumende Energie der jungen Weisheit schießt manchmal über das Ziel hinaus: Voller Begeisterung. Voller Erkenntnis, was sich ändern muss. Verbunden mit viel Druck. Das kann blind machen für das,
was alles bedacht werden muss, damit Gutes gelingen kann.
Eigentlich ist der Gedanke ja ganz nett, dass nicht jede Generation die gleichen Fehler machen muss.
Es stimmt schon: Wir sind viel zu viel mit dem Nachdenken über Unterschiede beschäftigt.
Dabei gibt es doch Ziele, die miteinander verbinden.
Ich sehe alte Menschen, die leidenschaftlich für eine gute und sichere Zukunft kämpfen. Ich sehe Menschen im hohen Alter, die gerade die jungen Generationen begeistern und inspirieren. Mit Silberlocken und Feuer im Herzen. Sie sitzen in Bürgerräten, schreiben Leserbriefe, stehen auf Kundgebungen, organisieren Proteste und kämpfen gegen soziale Kälte mit einer Wärme, die andere erfasst / die weiter wirkt.
Weil sie nicht müde geworden sind, sich einzumischen. Weil sie Erfahrung mit Haltung verbinden. Weil ihre Stimmen, oft voller Lebensjahre und Weisheit, noch immer Kraft haben, Mauern zu erschüttern und Horizonte zu öffnen.
Jung und Alt bewegt die Frage nach Krieg und Frieden. Die einen haben Fragen und Sorgen, weil sie aus Erfahrung wissen, wie schrecklich Krieg, Flucht und Zerstörung sind. Die anderen sind verunsichert, weil sich die lange sichere Welt bedrohlich anfühlt und sie sich ernsthaft fragen: Muss ich bald in den Krieg ziehen? Verbindend ist der eine große Wunsch: Bitte kein Krieg!
Längst überwunden geglaubte Gefahren sind wieder da. Frieden ist überhaupt nicht mehr selbstverständlich. Natürlich wachsen in so einem Augenblick Ängste. Man überlegt sich: Was ist jetzt zu tun, um Frieden möglich zu machen und zu sichern? Alte Gewissheiten stoßen an Grenzen. Über Jahrzehnte gewachsene Erkenntnisse stehen in Frage.
An der Weisheit, die es zu finden gilt, hat sich aber nichts geändert: Freude braucht eine Welt, in der die Menschen im Frieden leben. Darum müssen wir ringen.
Gern wäre ich weise genug, um zu wissen, wie das schnell und für alle gelingen kann. Diese Weisheit wünschen sich, da bin ich mir sicher, gerade viele Menschen. Es ist bitter, hier so deutlich an die Grenzen der eigenen Weisheit zu stoßen.
Die Weisheit in der Bibel spielt vor den Augen Gottes. Wenn wir es schon nicht schaffen, selbst auf die notwendigen Ideen zu kommen, dann bleibt die Möglichkeit, um Gottes Geist und Gottes Weisheit zu bitten. Weise ist es eben auch, die Grenzen der eigenen Weisheit zu erkennen und dabei die Hoffnung auf Gott nicht aufzugeben. So kann das Leben gelingen.
Wenn es um den Frieden geht. Und wenn es um die vielen anderen Herausforderungen geht, die im Augenblick da sind.
Suchen wir die Weisheit. Indem wir einander zuhören.
Amen.
Es gilt das gesprochene Wort.
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EinklappenHörertelefon, von 11:10 bis 13:00 Uhr: 04101 26500
Radiopastorin Susanne Richter
Ev. Rundfunkreferat der norddeutschen Kirchen e.V
Redaktion Hamburg
Telefon: (040) 51 48 09-19
E-Mail: richter@err.de