Ostern heißt für mich: Sich dem Leben anzuvertrauen, jeden Tag aufs Neue. Wie man dies aus einem großen, ganz selbstverständlichen Vertrauen tun kann, das hat mir, dem Christen, vor einiger Zeit ein Moslem sehr überzeugend vorgelebt. Im vergangenen Herbst war das, als so viele Flüchtlinge in unser Land strömten, dass nicht wenige hier in Berlin erst einmal unter freiem Himmel übernachten mussten, bis für sie wenigstens ein Dach über dem Kopf organisiert werden konnte – das machte eine Gruppe von jungen Berliner Freiwilligen. Da meldeten wir uns, schließlich hatten wir ein freies Gästezimmer im Keller. Und so stand eines Tages Hilal vor unserer Türe, ein junger Mann aus Ägypten. Und plötzlich hatte die große Masse der Menschen, die aus Krieg, Hunger, Armut und Perspektivlosigkeit im Nahen Osten fliehen, für uns ein Gesicht. Ein Gesicht mit einem freundlichen Lächeln – jeden Morgen wieder, wenn er von unserem Haus am Rand der Stadt ins Zentrum aufbrach. Es war unübersehbar – er freute sich darauf, Tag für Tag: Irgendeinen Job finden, der wieder ein paar Euro bringt, dabei wieder ein paar neue Worte Deutsch lernen, schauen, wie es Schritt für Schritt weitergehen kann in seinem neuen Leben.
Dabei machte Hilal längst nicht nur gute Erfahrungen. Aber schier unerschöpflich war seine Zuversicht, dass sich dann eben am nächsten Tag oder für die nächste Nacht das finden würde, was er brauchte. Er wusste, dass er dafür etwas tun kann, dass er sich kümmern muss – aber dass dies auch gelingen wird. Dabei hatte er eigentlich nichts, keine Sicherheit, keine besondere Ausbildung, keinen Anspruch, kein Recht auf irgendetwas. Nur seinen kleinen Rucksack hatte er, darin ein paar Habseligkeiten, dazu sein freundliches Lächeln und sein unbeirrbares Vertrauen auf Gastfreundschaft – auf das, was im Orient heilige Pflicht ist. Darauf ruhte seine ganze Zuversicht. Ich selbst habe so nie leben müssen – ich weiß nicht einmal, ob ich das könnte. Aber er hatte sich so schon seit vielen Monaten durchgeschlagen. Und immer wieder erfahren: Wenn er Hilfe brauchte, fand er Hilfe – und war dankbar dafür, jeden Tag aufs Neue. Für ein Bett, ein Bad, etwas zu essen und ein Dach über dem Kopf, mehr brauchte er nicht – nun gut, als es kälter wurde, noch eine warme Jacke, die wir aus der Kleiderkammer unserer Gemeinde besorgten. Aber das reichte ihm völlig.
Dafür hat Hilal viel bei uns hinterlassen. Die Zuversicht, dass man auch großen Problemen mit Vertrauen beikommen kann. Die Unbeirrbarkeit, sich nicht einschüchtern zu lassen von der großen Zahl derer, die so wie er noch auf dem Weg in ein neues Leben sind. Mir hat imponiert, wie er an seiner Hoffnung festgehalten hat und offen geblieben ist für das Neue – und seine Beharrlichkeit, darauf weiter zuzugehen. Schritt für Schritt, ohne Angst, sich auf dem Weg in die Zukunft zu verlaufen.