Essen war gestern. Heute muss man richtig essen. Und richtig essen heißt: das Richtige essen.
Darum, was das Richtige ist, wird ein regelrechter Glaubenskrieg geführt. Ja, Essen ist zur Glaubenssache geworden. Nachhaltig, fair gehandelt und regional, das ist gleichsam die Heilige Dreifaltigkeit aller Essensgläubigen. Und auf dieser Grundlage bauen dann die verschiedensten Ernährungslehren auf.
Die Einen sagen: Vegetarisch oder besser gleich vegan muss das Essen sein. Alles andere macht krank oder ist moralisch verwerflich oder beides.
"Im Gegenteil", sagen die Anhänger der Steinzeit-Diät: Mehr Fleisch! Dazu Pilze, Nüsse und jede Menge Rohkost. Mehr haben die Menschen in der Steinzeit auch nicht gegessen.
Und wer weder den veganen, noch den Steinzeit-Jüngern nachfolgen will, der findet garantiert eine andere Ernährungslehre, an die er glauben kann. Von A wie Auyurveda über M, wie Mayo oder Montignac, bis xx-well. In Berlin wurde jetzt ein Ernährungskurs angeboten, bei dem die Teilnehmer direkt von den Bäumen essen: Blätter, Blüten, Rinde. Buchecker und Eichel gelten als Leckerbissen. Aber die gibt es nur im Herbst.
Und immer soll das gesund sein. Jede der Diäten hat den Anspruch, gesund zu sein. Ich glaube nicht, dass es bei den Ernährungslehren allein um die Gesundheit geht. Nicht weil sie gesund essen, fühlen die Essensgläubigen sich gut, sondern weil sie das ihrer Überzeugung nach Richtige essen. Mehr noch, weil sie das Richtige richtig essen. Es scheint, als erhofften sie sich vom richtigen Essen so etwas wie Reinheit. Erlösung. Heil.
Rein sein, das heißt ja: ohne Sünde sein. Und von Sünde reden wir – und das ist gewiss kein Zufall – fast nur noch im Zusammenhang mit Essen. Zu süß, zu fett, irgendwie das Falsche und vor allem zu viel essen, das ist Sünde. So werden wir schuldig und fühlen uns richtig mies. Wir sehnen uns nach Entlastung von der Schuld, nach Erlösung also. Die, meinen wir, müssten wir uns verdienen. Durch Diät. Indem wir das Richtige essen. Und das Richtige richtig essen. So wird alles wieder gut. Wir werden heil. An Leib und Seele heil; sind ganz im Reinen mit uns, gleichsam ganz zuhause.
Die Pointe des christlichen Glaubens ist aber, dass man sich Reinheit, Erlösung, Heil eben nicht selber machen kann. Und auch nicht muss. Auch nicht dadurch, dass man das Richtige isst. Zwar kennen alle Religionen auch Speiseregeln und –vorschriften. Und die können durchaus helfen, gute, auch spirituelle Erfahrungen zu machen. Zum Beispiel während der Fastenzeit auf lieb gewordene Essens- und vor allem Trinkgewohnheiten zu verzichten. Mir tut das jedes Mal gut. Aber ich werde dadurch nicht rein oder erlöst oder heil. Das werde ich nicht, weil ich dieses esse und jenes nicht. Das bin ich, weil Gott es mir schenkt.
Jesus wurde von seinen Gegnern übrigens als Fresser und Weinsäufer tituliert. Kritisiert wurden auch die Jünger Jesu – dafür, dass sie sich an keine Speiseregeln gehalten haben, auch nicht an religiöse. Und Jesus hat sie verteidigt: Nichts, was in des Menschen Mund hineingeht, macht ihn unrein – das landet sowieso alles in der Grube – sondern was aus seinem Mund herauskommt, das macht den Menschen unrein – denn das kommt vom Herzen. (vgl. Mt 15,11.17f.)
Natürlich ist es vernünftig, sich gesund zu ernähren. Alle Gesundheits-Experten sagen, dass wir insbesondere unsere Kinder und Jugendlichen dringend zu einer gesünderen Ernährung erziehen müssen. Nachhaltig, fair gehandelt und wenn möglich regional scheint mir eine gute Orientierung für eine gesunde Ernährung zu sein. Aber als Religion, als Heilslehre, eignet sich keine Ernährungs-Philosophie.
Erlösung macht sich keiner selbst. Das hat Christus für uns Menschen getan und wir dürfen’s einfach glauben. Heil muss sich keiner verdienen. Dass wir bei ihm ganz zuhause sind, das schenkt uns Gott.
Und Reinheit ist keine Sache des Magens, sondern des Herzens.