Morgenandacht
Ohne Angst
18.09.2018 06:35
Sendung zum Nachlesen

Spinnen. Clowns. Oder Rolltreppen. Man kann so ziemlich vor allem Angst haben. Der Gedanke daran, vom Drei-Meter-Brett springen zu müssen oder in den dunklen Keller zu gehen – furchteinflößend. Wer Angst hat, fühlt sich in die Enge getrieben, wehrlos und ausgeliefert. Seien sie nun lächerlich oder gut begründet, persönlich oder politisch: Ängste machen uns klein. Klein wie "Heuschrecken", nicht nur in den Augen anderer, auch in unseren eigenen Augen. So steht es schon in der Bibel. (4. Mose 13,33) Ängste nagen an unserem Selbstvertrauen. Und sie haben alle etwas gemeinsam: Sie werden zumeist ausgelöst von der Vorstellung, was passieren könnte, nicht von dem, was ist. Und deshalb kann man meistens auch etwas dagegen tun.

 

Michelle Poler hat sich dazu ein interessantes Experiment ausgedacht. Die junge Frau kommt ursprünglich aus Venezuela und lebt jetzt in den USA. Sie sei gesegnet mit einer ganzen Latte von Ängsten, sagt sie von sich selbst. Das hat sie irgendwann so genervt, dass sie sich selbst herausforderte und anfing, etwas gegen ihre Ängste zu tun. 100 days without fear – 100 Tage ohne Angst, so nannte sie ihr Projekt.

 

Michelle Poler probierte nacheinander genau die Dinge aus, die für sie unangenehm, peinlich und beängstigend waren. Sie tanzte ohne Musik auf öffentlichen Plätzen, stürzte sich von hohen Klippen, nahm eine riesige Tarantel in die Hand und dergleichen mehr. Ihre Erfahrungen dokumentierte sie in einem Videotagebuch. Das ist größtenteils sehr unterhaltsam. Und inspirierend – denn beim Anschauen stellt man sich unwillkürlich ein paar Fragen: Welche Ängste haben sich in meinem Leben schon eingenistet und sich breit gemacht? Wie wäre es, wenn ich die mal herausfordere? Und könnte ich nicht vielleicht über die "kleinen" Ängste auch an die großen, tieferliegenden, existenziellen herankommen?

 

Diesen Weg ist Michelle gegangen. Denn ihr Thema war Vertrauen – in sich selbst und in andere. Sie setzte sich Situationen aus, in denen sie erwarten musste, zurückgewiesen zu werden. Sie stellte ihre Berührungsängste auf die Probe und ging zum Beispiel direkt auf Leute zu, die augenscheinlich obdachlos waren, kam mit ihnen ins Gespräch und fragte sie, womit sie ihnen helfen und etwas Gutes tun könne.

 

Mit ihrem Projekt konnte Michelle Poler nicht nur ihre eigene Angst kurieren, sondern auch andere inspirieren. Sie zeigt beispielhaft, was passiert, wenn man sich den eigenen Ängsten stellt und und ihnen nicht mehr einen Platz einräumt, den sie nicht verdienen.

 

Michelles Projekt hat mich angesprochen. Und ich denke, als Christin habe ich allen Grund dazu, genau das zu tun, was sie tat. Denn ich weiß: Gott ist an meiner Seite. Als Josua mit dem Volk Israel das verheißene Land der Zukunft betreten sollte und ihn große Angst überkam, sagte Gott zu ihm: "Habe ich dir nicht geboten: Sei getrost und unverzagt? Lass dir nicht grauen und entsetze dich nicht; denn der Herr, dein Gott, ist mit dir in allem, was du tun wirst." (Josua 1,9)

 

Alte Worte aus der Bibel, doch für mich haben sie nichts an Kraft und Bedeutung verloren. "Sei getrost und unverzagt!" Eine grandiose Ermutigung, gelassener zu werden. Eine Ermutigung, meine Ängste sozusagen zum Duell zu fordern, mich den kleinen, alltäglichen Ängsten zu stellen, die mir im Weg stehen und die eigene Freiheit und Fröhlichkeit einschränken. Um auf diesem Weg später größere und existenziellere Ängste anzugehen und Gott anzuvertrauen. Manches wird sich vielleicht nicht lösen lassen, auch damit muss man rechnen, aber es kommt auf einen Versuch an. Nur nicht den Mut verlieren. Ich lasse mich gern überraschen, nicht nur mit Spinnen gut Freund zu werden – sondern auch viel mutiger noch zu lieben und zu kämpfen für eine angstfreie, gerechtere Welt.

 

100 Tage ohne Angst. Eine tolle Vorstellung und Perspektive. Und aus den 100 Tagen können mehr werden, ein Jahr, ein Leben. Gott ist auf jeden Fall an der Seite der Menschen, die ihm vertrauen: "Sei getrost und unverzagt. (…) der Herr, dein Gott, ist mit dir in allem, was du tun wirst."

 

Es gilt das gesprochene Wort.

 

Link zum Projekt: http://100dayswithoutfear.com/