gemeinfei via pixabay / DESIGNBYTHOLEN
Optimistisch? Naiv? Hoffnungsvoll!
Nicht ausschließen, dass es gut ausgeht
08.02.2025 10:00

Oft lassen wir uns von Ängsten leiten, befürchten nur Schlimmes. Ist das schlau? Vielleicht ist es clever, die christliche Superkraft Hoffnung zu nutzen. Ein Beitrag der evangelischen Kirche. 

 

Beitrag nachlesen:

 

Unsere menschliche Wahrnehmung konzentriert sich auf das, was schief gegangen ist. Oder auf das, was demnächst schief gehen könnte. Das ist tief in uns drinnen: vorsichtig sein, auf das Übelste gefasst sein. Wer Nachrichten sieht, Meinungsumfragen verfolgt, Zeitungen liest und über seine Timelines in Social-Media-Kanälen wischt, wird ohnehin vor allem auf die Probleme gestoßen.


Irreale Ängste


Eine Studie unter Menschen mit Angst-Störungen hat herausgefunden, dass die meisten ihrer Ängste völlig irrational waren. Nicht die Realität machte die Menschen krank, sondern das, was sie sich vorstellen. Die Angst wirkt für Betroffene natürlich real, die Gründe scheinen vernünftig - auch bei gesunden Menschen und ihren Ängsten ist das so. Die meisten werden es bei sich selbst beobachten können. So war das in der frühen Corona-Zeit: Irreale Ängste ganz normaler Leute haben dafür gesorgt, dass Toilettenpapier schwer zu beschaffen war. Wegen panischer Hamsterkäufe.


Begründete Ängste


Das ist urmenschlich: Wir werden auf das aufmerksam, was vom Erwarteten abweicht, uns ärgert, erregt, ängstigt. Jedes Medium lebt davon, seine Nutzerinnen und Nutzer nicht zu langweilen. Und weil viele sich medial zudröhnen, werden sie dauer-aufgeregt. Hinter jeder Ecke etwas, worüber man sich heute wieder empören könnte. Und natürlich unterstellen wir auch gerne stets das Schlechteste. Schon aus Vorsicht, aus Erfahrung. 
Es war für die Menschheit und jeden einzelnen Menschen immer schlau, Vorsicht walten zu lassen. Wenn unsere Vorfahren die Gefahr durch einen Löwen unterschätzt haben, dann war es aus mit ihnen. 


Sind wirklich alle unfähig?

 

Heute, wo sich die Krisen häufen und gegenseitig überlagern, sorgt dieses Urmenschen-Erbe vielleicht dafür, dass auch das Vertrauen in andere Menschen bei vielen so gering ist. Viele fühlen sich umzingelt von Pfuschern und Nichtskönnern in der Industrie oder im Handel, nur Unfähige in der Politik und Himmelsclowns bei den Kirchen. 

Oft ist die Stimmung leicht aggressiv - vor allem in den Kommentarspalten des Internets, aber immer häufiger auch auf den Straßen. Zum Plakatieren im Bundestagswahlkampf gehört leider viel zu oft Mut. Viele trauen keinem anderen mehr irgendetwas zu - abgesehen vom Schlechtesten. Sie fokussieren sich auf das, was schief gegangen ist. 


Positiv denken – wer traut sich das heute noch?


Optimismus hat gerade keine Konjunktur. Optimismus ist die Haltung oder Überzeugung, dass Dinge in der Zukunft wahrscheinlich gut ausgehen. Oder, dass die Welt im Allgemeinen positiv ist. Positiv denken - wer traut sich das noch? 

Zumal diese Einstellung eine Gefahr birgt: "Wird schon gutgehen" ist keine praktikable Basis, wenn man nicht vorher realistisch abgeschätzt hat, ob es auch eine Chance gibt, dass es tatsächlich gut gehen könnte. Mit dieser Haltung schwimmt der Optimist durch einen Fluss voller Krokodile - und überlebt es natürlich nicht. Optimismus hat häufig einen Beigeschmack von Naivität.

Die Hoffnung ist anders gelagert: Wer hofft, kennt die Lage. Und ja, oft genug ist sie schlecht. Aber wie schlecht genau ist sie? Sind die Ängste wirklich real? Oder basieren sie eher auf Unterstellungen, auf der eigenen, negativen Erwartung? Der Mensch, der hofft, weiß, dass es schief gehen kann - aber auch, dass es die Chance gibt zum Gelingen. Auf diese Chance konzentriert sich die Hoffnung. Naivität zeigt sich oft in einem Mangel an kritischem Denken oder in der Ignoranz gegenüber vorhandenen Risiken. Optimismus kann naiv sein, wenn er blind oder unreflektiert ist.


Die Wahrheit von Luthers Apfelbäumchen


Hoffnung ist dagegen seltener naiv. Hoffnung erkennt die Schwierigkeiten, aber hat diesen "Trotzdem-Glauben". Wie in dem vermeintlichen Luther-Zitat, das der Reformator wohl nie gesagt hat: "Wenn morgen die Welt unterginge, würde ich heute noch einen Apfelbaum pflanzen." Von dieser Hoffnung sind biblische Geschichten durchzogen: Die Hoffnung, die auf dem Jesus-Kind in der Weihnachtskrippe liegt. Die Hoffnung auf ein Leben nach dem Tod - im Angesicht der Kreuzigung. Hoffnung erfordert kein unrealistisches Vertrauen in die äußeren Umstände, sondern oft innere Stärke.


Es ist Zeit, die Hoffnung an erste Stelle zu ranken


Im 1. Korintherbrief steht das christliche "Hohelied der Liebe", verfasst vom Apostel Paulus. Dort bezieht er Glaube, Hoffnung und Liebe aufeinander. Bei Paulus wird die Liebe auf Platz eins gerankt - noch vor den Glauben. "Aber die Liebe ist die größte unter ihnen." Vielleicht ist jetzt eine Zeit, in der die Hoffnung mal aufs Siegertreppchen gehört.

Ende Februar wird ein neuer Bundestag gewählt. Ich gebe die Hoffnung nicht auf, dass die Mehrheit derer, die sich zur Wahl stellen, ihre Verantwortung ernst nehmen werden und wirklich nach Lösungen suchen. Und darüber Debatten führen, wirksame Kompromisse suchen. Auch wenn viele von uns Ängste haben und in Umfragen die Vertrauens-Werte für die meisten Politikerinnen und Politiker niedrig sind und die Umfragen volatil. 

Vielleicht gibt es Grund zur Hoffnung, dass das Wahlergebnis keine Apokalypse ist. Sondern ein Wahlergebnis, bei dem die Radikalen und Lauten keine Mehrheit bekommen. Darauf haben alle Wahlbürgerinnen und Wahlbürger einen gleichen, eigenen Einfluss. Jede und jeder mit ihren und seinem Kreuzen auf dem Wahlzettel. Mit einer Wahlentscheidung, die mit Glaube ans Gute, Liebe für Lösungen und Hoffnung auf eine stabile demokratische Mehrheit gesetzt wurde.