Wir leben in verrückten Zeiten. Um die Ruhe nicht zu verlieren, braucht es die Zuversicht: Es können sich neue Schätze auftun. Ein Beitrag der evangelischen Kirche.
Nach der Ausstrahlung können Sie an dieser Stelle den Beitrag nachlesen.
Dieser Winter ist turbulent. Der aufgeheizte Wahlkampf für den neuen Bundestag geht gerade zu Ende. Das Thema war nicht der Klimawandel wie vor vier Jahren, sondern die Flüchtlinge, aber auch der Umgang mit Rechtsextremen. Die letzten Wochen haben nicht nur die Parteien polarisiert, was immerhin Sinn eines Wahlkampfs ist, sondern weite Teile der Gesellschaft. Viele machen sich zum ersten Mal in ihrem Leben echte Sorgen um unsere lang gewachsene und eingeübte Demokratie, in der Humanität, Freiheit und mithin die Ächtung rechtsextremistischer Positionen selbstverständlich sind.
Auf der Weltbühne zeigt die neue US-Regierung: Sie kann auch anders. Wie sieht es mit dem Frieden für die Ukraine und in Europa aus, wenn sich die USA zurückziehen und den alten Sponti-Spruch wahr machen: Amis, go home?
Es sind verrückte Zeiten, im wahrsten Sinn verrückt. Gewissheiten von gestern sind in nur wenigen Monaten in Frage gestellt und erscheinen wie auf ein anderes Gleis gesetzt. Empört, ratlos, ohnmächtig fragen sich viele Menschen, was die Zukunft bringt. Wir ahnen, dass Freiheit und Toleranz, Demokratie und Frieden nicht nur Schlagworte sind, sondern etwas sehr Lebendiges. Für all das haben wir neu zu kämpfen. Das kostet Kraft und Fantasie. Aber der Aufwand lohnt.
Jesus erzählt in der Bibel ein Gleichnis, das mir Mut macht: "Das Reich Gottes ist wie ein verborgener Schatz, den ein Mann auf einem Feld entdeckte und wieder verbarg. In seiner Freude verkaufte er alles, was er hatte und kaufte davon den Acker und der Schatz gehörte ihm." (Matthäus 13,44)
Wenige Zeilen mit einer großen Geschichte: Ein einzelner Mensch findet sein Glück.
Der Tagelöhner pflügt die Erde, die nicht ihm gehört. Es ist heiß, die Fliegen summen, setzen sich auf Mund und Nase, jeden Tag dasselbe, bis die Sonne untergeht. Dann nimmt er seine Habseligkeiten und geht nach Hause in seine Kammer und schläft auf seinem harten Bett. Eines Tages findet er den Schatz. Der Spaten trifft auf einen Lederbeutel, der reißt auf, Münzen fallen heraus, sie glänzen. Das Gold überrascht den Bauern in seinem mühevollen Alltag. Es liegt buchstäblich zu seinen Füßen in der dreckigen Krume des Ackers.
Der Mann klärt die Eigentumsverhältnisse. Er macht all seine Habseligkeiten zu Geld und kauft den Acker mit dem verborgenen Schatz. Unverhofft hat er es vom armen Schlucker zum Edelmann gebracht, wie im Märchen ist das. So ist das Reich Gottes, sagt Jesus. So ist das perfekte Glück.
Es gibt solche Glückspilze und modernen Märchen heute noch, in der Zeitung hinten auf der Seite "Vermischtes" und "Aus aller Welt": "63-Jähriger aus Unna knackt den Lotto-Jackpot" steht da. Oder: "Jugendliebe nach 43 Jahren wieder gefunden", "Liebesbrief nach 70 Jahren zugestellt" oder: "Polarforscher entdecken Millionenjahre altes genetisches Material im Eis".
Solche Schätze können überall für jeden von uns verborgen sein. Im grauen Alltag und in Krisen leuchten manchmal Erfahrungen auf, mit denen nicht zu rechnen war: das Baby auf dem Arm. Der Anruf, nie erwartet, aber doch erhofft. Die Therapie und die Heilung. Auch das Schöne kann einen umhauen. Nichts bleibt, wie es war. Verrückt ist auch das, auf ein anderes Gleis gesetzt.
Was für das Private gilt, sehe ich auch im Großen: Überall finden Menschen neu zusammen und protestieren für die Demokratie. Sie setzen sich für andere ein, die Hilfe und Ansehen nötig haben, im Sportverein oder Gemeinderat oder bei der Tafel am Ort. Sie engagieren sich für Kinder, Jugendliche und Ältere und suchen Wege, menschlich und tolerant zu bleiben. "Mich für andere zu engagieren, bereichert mich selbst, weil ich etwas tun kann", sagte mir eine Ehrenamtliche, die in der Grundschule zwei syrischen Kindern ehrenamtlich Nachhilfe gibt.
Wir gehen bewegten Zeiten entgegen - nicht nur mit Neuanfängen, auf die wir uns freuen. Sondern auch mit neuen Situationen, die erzwungen sind und als eine Zumutung daherkommen. Die ehemalige irische EU-Kommissarin Mairead McGuinness sagte einmal: "Verschwende nie eine gute Krise." Um nicht nur entrüstet und ohnmächtig zu bleiben, braucht es Mut und Phantasie und die Zuversicht, dass sich neue Schätze auftun.