Morgenandacht
Verbunden sein
20.03.2021 05:35

Die Sendung zum Nachlesen: 

Bergamo hat besonders unter dem Corona-Virus gelitten. Die Zahl der Kranken und der Toten in dieser Gegend war unverhältnismäßig groß, selbst für den Norden Italiens. 
Im Jahr 1630 hat Bergamo schon einmal eine schreckliche Zeit erleben müssen. Da hatte die Pest die Stadt in ihren Klauen. Der dänische Schriftsteller Jens Peter Jacobsen hat 250 Jahre später darüber eine Novelle geschrieben, ‚Die Pest in Bergamo‘. Sie erzählt, wie haltlos die Einwohner von Bergamo geworden waren, unter all dem Leid, dem Elend und der Trauer der schrecklichen Krankheit. Den Glauben an Gott hatten sie verloren. Finstere Mönche kamen in einer Prozession den Berg hinauf nach Alt-Bergamo. Ein Mönch predigte von Himmel und Hölle und beschimpfte die armen Menschen von Bergamo für ihren Unglauben. Selbst Jesus am Kreuz war so zornig über sie, dass er seine Arme am Kreuz so im Bogen spannte, bis er sie über die Nägel aus dem Querbalken herausgerissen hatte. Mit den Mönchen verließ Christus die Kirche, ging den Berg hinunter und verschwand im Dunst der Ebene, auf Nimmerwieder-sehen. Eine Geschichte mit einem schrecklichen Ende, wo es am Schluss heißt: „Und das Kreuz stand leer, und das große Werk der Versöhnung ward nie vollbracht.“

Das geht an die Nieren, was Jacobsen da in seiner Novelle über die Pest in Bergamo erzählt. Er stellt alles in Frage, wofür der Glaube steht. Er ist überzeugt, „eine Seele ist stets al-lein.“ Für Jacobsen ist das Werk der Versöhnung nie vollbracht worden, weil Jesus von den Menschen immer noch enttäuscht sei. Deshalb sei er vom Kreuz gestiegen und habe sich ab-gewandt. So wie es auch die Menschen fortgesetzt tun. Jede und jeder nur für sich. 

Ich erlebe das anders. Erst recht in den vielen Monaten der Pandemie. Wenn ich mit Menschen im Kontakt bin, am Telefon spreche, dann erzählen sie. Ja, die meisten kämpfen mit der Ein-samkeit. Manche kämpfen damit, dass in der Familie viele auf einem Haufen beieinander sind, aber dennoch jeder für sich ist. Die Bedrohung der Existenz macht kirre. Notfallärzte erzählen, dass immer mehr Menschen einfach durchdrehen, es nicht mehr aushalten mit sich selbst, dem Druck, der Angst, der Verantwortung für die Familie. Es werden mehr, die vom Sterben ihrer Lieben berichten. Aber eben auch vom Zusammenhalt. 

In jedem Gespräch kommt irgendwann der Moment, wo es ums Beten geht, um Fürbitte. Manche erzählen mir, für wen sie beten. Oder sie bitten mich, für sie zu beten. Manche er-zählen auch, worüber sie mit Gott sprechen, wie dankbar sie sind, wenn es jemanden an ihrer Seite gibt, der an sie denkt. Sie erkennen, was ihnen trotz allem geschenkt ist. Ärzte, Schwestern und Pfleger in der Begleitung von Menschen, die an Covid-19 sterben, setzen sich dafür ein, dass Angehörige sich verabschieden können. Das ist möglich mit viel Aufwand. Eine zusätzliche Belastung, doch sie geschieht. Ihnen gilt mein Danke, dass eine Seele sich mit einer anderen Seele verbinden darf, auch über den Tod hinaus. Das ist jener Moment, wo Christus seine Hand vom Kreuzbalken hinunterreicht um zu trösten. 

In der Bibel (Hebr.11) heißt es: Es ist aber der Glaube eine feste Zuversicht dessen, was man hofft, und ein Nichtzweifeln an dem, was man nicht sieht. (…) Es ist ein köstlich Ding, dass das Herz fest werde, welches geschieht durch Gnade (…) Der Gott des Friedens (…) mache euch tüchtig in allem Guten, zu tun seinen Willen, und schaffe in uns, was ihm gefällt, durch Jesus Christus. 

Der Christus, an den ich glaube, wendet sich nicht ab. Er läuft nicht weg. Er ist bei den Men-schen in ihrem Leid. Sein Kreuz ist nicht leer. Es verbindet Himmel und Erde, oben und unten. Und uns Menschen miteinander. Mit ihm schenkt Gott all denen Gnade, die in diesen Tagen seinen Frieden brauchen wie nichts anderes.
 

Es gilt das gesprochene Wort.

 

 

Morgenandacht