Man betet und es passiert – nichts. Diese Erfahrung kennt unser Autor. Er glaubt trotzdem: Gott wartet und reagiert auf unsere Gebete.
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Beim Beten bleibt ein dauerhaftes Ärgernis, dass Gott nicht antwortet. Zumindest verwehrt er den Klartext, den ich manchmal gerne hätte. Und daran verzweifeln schon die Jüngsten.
Im Gottesdienst sitzt Lukas auf dem Schoß seiner Oma vor mir in der Bank. Der Dreieinhalb-Jährige hat bei den Gebeten und Liedern bislang aufmerksam zugehört. Jetzt sind wir schon beim Glaubensbekenntnis. Lukas‘ Blick schweift durch die Kirche. Mit großen Augen schaut er sich den Pfarrer an, der mittlerweile predigt.
Wie ernsthaft Lukas bei der Sache ist, erfährt die Gemeinde schließlich bei der Fürbitte. Irgendwie hat er jetzt genug davon, dass immer nur der Pfarrer spricht, und ein Gebet in der Stille erscheint ihm widersinnig. Jetzt reicht’s! Lauthals macht er seinem Unmut Luft: "O Herr, gib Antwort!"
Selten hat ein Zwischenruf so bewegt. Die Gemeinde lacht. Lukas hat womöglich instinktiv geahnt, es braucht jetzt einen Kick: "O Herr, gib Antwort!"
Kann sein, dass er einfach ungeduldig wurde. Aber mich begeistert, wie selbstverständlich Lukas von Gott etwas erwartet. Sein laut gekrähter Weckruf drückt aus: Wer betet, der wünscht sich doch auch eine Antwort.
Oder erwartet der Mensch vom Beten besser nicht zu viel? Allein schon, um nicht enttäuscht zu werden, wenn nichts passiert?
Der evangelische Theologe Dietrich Bonhoeffer sah das anders. Er hat seine Erwartung vor 80 Jahren - mitten im Zweiten Weltkrieg - klar bekannt: "Ich glaube, dass Gott kein zeitloses Fatum ist, sondern dass er auf aufrichtige Gebete und verantwortliche Taten wartet und antwortet."
Fatum, das heißt Schicksal. Gott als zeitloses Schicksal. Damit spielt Bonhoeffer auf eine Haltung an, die Gott lieber außerhalb des Tagesgeschäfts verortet. Als hätte er seine Hände nach getaner Schöpfung in den Schoß gelegt und überließe nun die Welt sich selbst. Mach’s gut, bis irgendwann!
Dietrich Bonhoeffer teilte diese Haltung nicht. Für ihn ist Gott an jedem Morgen da und wartet darauf, was uns bewegt: "aufrichtige Gebete, verantwortliche Taten". Und Gott antwortet auch. Das bedeutet nicht weniger als zu glauben, dass Mensch und Gott im Dialog den Lauf der Welt bestimmen können. Ja sogar den scheinbar vorgezeichneten Gang der Dinge verändern. Imponierend für einen Menschen seiner Zeit.
Der Schlüssel zu so einer Hoffnung liegt vermutlich in einer tiefen Verbindung von Hören und Handeln. "Aufrichtige Gebete und verantwortliche Taten" nennt Bonhoeffer im selben Atemzug. Das heißt, ich vertraue mich Gott mit meinen Fragen und Sorgen an. Und ich hoffe, dass meine Gebete nicht ungehört verhallen. Ich glaube, dass sich Gott auf mich freut und darüber, dass ich mich an ihn wende.
Und dann mein Leben in die Hand nehmen. Den eigenen Entscheidungsraum füllen. Nicht einfach so, sondern in Verantwortung vor dem Wunder, dass ich da bin und etwas tun kann.
Und vielleicht spricht dieser wundersame Gott genau in dem Moment zu mir, in dem ich Mut finde, etwas Unerhörtes zu beginnen, etwas Neues, etwas, das niemand von mir erwartet – am wenigstens ich selbst.
"O Herr, gib Antwort!" Der kleine Lukas war vielleicht auch ein wenig genervt: Gott antwortet nicht, wie er‘s gern hätten. Manchmal ist es ein echtes Ringen, denn Gott wählt für seine Antwort den Ort, die Zeit und vor allem die Art, wie er antwortet.
Heute ist Lukas längst erwachsen. Die Geschichte ist tatsächlich so passiert, und seine Oma wird sie ihm erzählt haben. Vielleicht hilft sie ihm, wenn er sich heute fragt, ob sich das Beten lohnt und einer zu ihm spricht. Wer weiß?
Es gilt das gesprochene Wort
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