Morgenandacht
Ich wünschte
20.08.2018 06:35
Sendung zum Nachlesen

"Ich wünschte, ich würde einen goldenen Zauber­ring besitzen, der mir magische Kräfte verleiht. Wenn ich ihn anhätte, könnte ich fliegen. Gemeinsam würden wir um die Welt reisen und Leute retten. Ich würde mich immer glücklich fühlen, wenn ich mal wieder einen Menschen gerettet hätte."

 

Das schreibt Jan. Er besucht die Klasse 4c der Römerschule im Stuttgarter Süden. Zusammen mit ihrer Lehrerin haben die Kinder aus Jans Klasse ein Buch der Wünsche verfasst. Sie haben geschrieben und gemalt, wonach sie sich sehnen, worauf sie hoffen, wovon sie träumen.

 

Jan und die anderen Kin­der erzählen ihre ganz eigenen Geschichten, mit Worten und mit Bildern. Geschichten von den ganz gro­ßen Wünschen.

 

Aylin schreibt: "Ich wünschte, ich hätte eine Freundin. […]Ich würde meiner Freundin immer beistehen und sie wäre immer hilfsbereit. Sie wäre immer stark, wenn ich schwach wäre. […] Wir beide würden nach Italien ziehen und zusammenwohnen. Ich wäre dankbar, dass sie meine Freundin ist."

 

In ihren Wünschen suchen die Kinder ihren Platz in der Welt der Großen. Es geht um Anerkennung, um Freundschaft und um Hil­fe zum Leben. Gar nicht so anders als die Wünsche von uns Großen, finde ich…

 

Ein paar Jungs wünschen sich die Fähigkeit, die sie einzigartig macht. Sie möchten Superhelden sein. Oscar würde gerne ein Casting gewinnen. Gesucht: ein "sehr schlauer Junge für eine gefährliche Tätigkeit", und nur er wäre perfekt geeignet.

 

Anouk wünscht sich ein ganz besonderes Haustier, nämlich eine Schneetigerin. Sie würde sie Schneeflocke nennen. Sie wäre groß und ele­gant. Und Anouk weiß: "Ich würde mich bei Schneeflocke geborgen fühlen, und sie bei mir." So wie Anouk träumen auch andere Mädchen von einem starken Tier als Freund.

 

Wenn ich ehrlich bin: Meine Kindheitswünsche waren ähnlich fabel­haft. Träume vom ‚Be­sonders-sein‘, von Stärke, Ge­meinschaft und vom mühelosen Leben…

 

Aber ich bin mir sicher: ich hegte diese Wünsche nicht, weil ich irgendwie naiv gewesen wäre. Sondern weil ich auch mit zehn Jahren schon ziemlich genau verstanden hatte, dass es in der Welt der Großen kein müheloses Leben gibt. Jan, Aylin und Os­car wird es da nicht anders gehen.

 

Ob erwachsen oder Kind: unsere Wünsche spiegeln das, was uns bedrückt. Aber sie klagen nicht, sie hoffen. Sie öffnen uns Wege aus der Bedrückung her­aus. Sie bebildern unsere Hoffnung, machen Mut zum Leben. Gut, wenn uns die Wünsche nicht abhandenkommen. Manchmal tragen sie auch den Keim der Lösung in sich. So wie bei Carlos, der für seinen Freund ein Zuhause sucht, bis ihm einfällt: "Ich hab’s! Komm und wohn‘ doch einfach bei mir."

 

Auch die Worte der biblischen Propheten lesen sich bisweilen wie ein Wunschbuch. Sie sind Gottes Antwort auf die be­drückenden Er­fahrungen seines Volkes.

 

Im Buch Jesaja heißt es: "Denn siehe, ich will einen neuen Him­mel und eine neue Erde schaffen, dass man der vorigen nicht mehr gedenken und sie nicht mehr zu Herzen nehmen wird." (Jes 65,17) Wolf und Schaf sollen beieinander weiden; der Löwe wird Stroh fressen wie das Rind, aber die Schlange muss Erde fressen. Sie werden weder Bosheit noch Schaden tun auf meinem ganzen Heiligen Berge, spricht der Herr." (V. 25)

 

Ich bin mir sicher: die Kinder der 4c aus der Römerschule in Stuttgart werden ihren Platz in der Welt der Großen finden.

 

Und ob erwachsen oder Kind: ich wünschte, wir alle fänden in Gottes Versprechen Bilder und Wege heraus aus dem, was uns bedrückt. Denn Gottes Verheißungen tragen auch den Keim seiner Lösung für uns Menschen schon in sich. Gott verspricht ein Leben, in dem man selbst kein Superheld sein muss.

 

In diesen Wochen beginnt ein neues Schuljahr – für die Kinder der 4c und auch für mich als Pfarrer im Schuldienst. Schule ist so viel mehr als Unterricht. Sie erzählt vom Leben im Kleinen, manch­mal im Modell zum Aus­probieren, und manchmal mit Ideen, von denen wir Großen noch lernen können. Ich freu‘ mich drauf.

 

Es gilt das gesprochene Wort.