Unser Autor hängt Mitte Januar den großen Stern an seiner Haustür wieder ab. Aber die Sehnsucht nach einem guten Stern über dem neuen Jahr bleibt.
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Mitte Januar geht die Sonne immer noch spät auf und die Winterabende sind lang. Ich sitze im Wohnzimmer und zerlege den großen Herrnhuter Stern, der in unserem Eingang hing. Acht Wochen hat er warm durchs Fenster geleuchtet hinaus auf die Straße.
Ich löse die 25 Zacken voneinander. Musterbeutelklammern! So was braucht die Post schon lange nicht mehr. Aber hier biege ich wie eh und je eine nach der anderen zusammen und fädele sie aus den Ösen. Ich mag die stille Arbeit. Während ich die Spitzen ineinanderschiebe, denke ich an Vergangenes.
Schon meine Großmutter hatte so einen Stern. Sie hat mir beigebracht, ihn unbeschadet zu montieren. In meiner Familie gab es immer die Diskussion, wann der Stern auf- und wieder abgebaut wird.
Meine Großmutter montierte ihn immer erst am vierten Advent und nahm ihn am 6. Januar wieder herunter. Meine Frau freut sich, wenn wir ihn noch länger leuchten lassen. "So trägt er die Weihnachtsfreude weit ins neue Jahr hinein", sagt sie.
Ich löse noch eine Zacke und denke an den vergangenen Advent. Diesmal war’s, als könnte die Weihnachtszeit nicht früh genug beginnen. Schon Mitte November postete mir jemand Bilder von einer Betriebsfeier mit Tannenbaum und Weihnachtsmann-Mütze. Bald danach haben die ersten Weihnachtsmärkte geöffnet. Als müsse das Krisenjahr 2024 ganz schnell verschwinden. Am besten hinter dem schönen Schein der weihnachtlichen Zeit. Ich kann’s verstehen. Mir ging und geht es ähnlich. Darum habe ich den Stern noch hängen lassen und baue ihn jetzt erst ab.
Ich finde, die Festtage dürfen Glanz, aber auch Ecken und Kanten haben. So wie die Zacke, die ich gerade in der Hand halte. Nicht jede Sorge muss verschwinden, nicht jeder Streit ist beizulegen. Jesus wurde auch nicht in einem perfekten Augenblick geboren. Im Gegenteil. Mit ihm ist Gottes Liebe in die Welt gekommen. Da lassen sich die Spitzen vielleicht zur Seite zu legen. Dasselbe mache ich jetzt mit meinem Stern. Mehr Frieden muss nicht sein.
Die nächste Zacke landet im Karton. Klar wünsche ich mir auch, dass Krisen und Konflikte zu einem Ende kommen. Und ich kenne die Sehnsucht, dass die besondere Stimmung der Fest- und Ferienzeit weiterwirkt, wenn Mitte Januar die Schule und das Berufsleben wieder voll im Gange sind. Ich wünsche mir, dass es ein gutes Jahr wird.
Aber ich fürchte, je mehr ich mich danach sehne, dass jetzt alles gut wird, desto eher werde ich enttäuscht, wenn es nicht passiert. Die Welt ist nicht perfekt. Ich wiege die letzte Spitze des Herrnhuter Sterns in der Hand. Weniger perfekt, aber vielleicht nachhaltiger hat meine Großmutter Weihnachten wirken lassen, mit Erinnerungen an schöne Momente ihres Lebens. Sie hat mir beigebracht: "Gottes Sohn ist in diese Welt hinein geborgen worden, damit wir lernen, sie zu mögen. Weil Gott trotz allem Freude an ihr findet." Meine Großmutter hat weiß Gott nicht in friedlicheren Zeiten gelebt.
Mein Stern ist eingepackt. Ist auch sein Licht verloschen? Ich glaube nicht. Das neue Jahr mit Weihnachten im Rücken, ich glaube, es wird anders sein, als wenn Jesus nie in diese Welt gekommen wäre. Seine Liebe hinterlässt Spuren in den Menschen, mag die Straße vor meinem Haus um diese Uhrzeit auch noch so dunkel erscheinen.
Mein Stern ist eingepackt. Aber ich glaube, Gottes Stern bleibt und wandert weiter mit in dieses Jahr hinein.
Es gilt das gesprochene Wort
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