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Die Sendung zum Nachlesen:
Viele Kinder zu bekommen galt über Tausende von Jahren hinweg als ein Segen. Eine Garantie für Zukunft. Kinder sicherten das Weiterleben der Eltern und Großeltern ab, oft sogar das Überleben. Viel zu viele Kinder starben jung. Deshalb mussten möglichst viele Kinder geboren werden, um die Todesfälle auszugleichen. Im Angesicht von Not und Tod fiel kaum auf, wie berechnend das wirkt. Meine verstorbenen Großeltern – sie wären demnächst 100 Jahre alt geworden – hatten sieben Kinder. Oma hat oft gesagt: "Gott sei Dank haben wir viele Kinder, da muss ich mir keine Gedanken machen."
In den hochindustrialisierten Gesellschaften in Europa und Nordamerika hat sich dieses Denken in rasanter Geschwindigkeit verändert. Heute können Menschen gelassen sagen: Ich brauche keine Kinder, um im Alter versorgt zu sein. Dieses Motiv fürs Kinderkriegen fällt auf der Nordhalbkugel der Erde weitgehend weg. Unsere Großeltern und Eltern haben, so sagen sie, hart dafür gearbeitet, dass wir, ihre Kinder heute in einem Wohlstand leben, den andere Länder nicht haben. Das stimmt.
Das andere stimmt auch: Das gute Leben hier bei uns verursacht Kosten, die andere Menschen auf der Südhalbkugel der Erde mitbezahlen. Wir jammern, wenn der Benzinpreis sich der Zwei-Euro-Grenze nähert. Und wir wissen, dass – wenn wir den tatsächlich gerechten Preis eines fossilen Brennstoffs zahlen müssten – wir unser Leben radikal ändern müssten. Und es tun würden. Aber noch gelingen Aufschübe.
Während die Zahl der Kinder in vielen reichen Regionen zurückgeht, ist sie in anderen Ländern hoch. Die Weltbevölkerung insgesamt wächst. Oft heißt es, das sei das Problem. Aber das verschleiert, worum es eigentlich geht: um eine verkehrte Lebensweise. Nämlich, dass wenige Menschen einen Großteil der Ressourcen für sich beanspruchen.
Wer das anspricht, erntet Schulterzucken, Kopfschütteln oder den Satz: "Der Mensch ist halt gierig." Ich fürchte, dass wir nicht erst in den letzten 50 bis 100 Jahren den göttlichen Schöpfungsauftrag gründlich und schrecklich missverstanden haben: "Seid fruchtbar und mehret euch und füllet die Erde und machet sie euch untertan und herrschet über…" - quasi über alles, so werden diese Worte auf den ersten Seiten der Bibel verstanden (1. Mose 1,28).
Aber wir verwechseln die ausbeuterische Weise, wie wir heute mit der Erde umgehen, mit dem Umgang, den Gott gebietet. Was vor Tausenden von Jahren in der biblischen Schöpfungserzählung aufgeschrieben wurde, wurde einer kleinen Menschheitstruppe als große Verheißung zugesagt: ‚Mehret euch, füllet die Erde.‘ Da laufen ein paar Menschlein auf der Erde herum – und ihnen sagt Gott: ‚Füllet die Erde.‘ Das hebräische Wort dafür ist raba (רָבָּה): in Menge füllen. Vermutlich haben die Menschen gelacht: Die ganze Erde füllen? Wir?
In dieser Verheißung ist überhaupt kein Platz für die abwegige Vorstellung, es würden sich einmal wenige Menschen enorm viel an Lebens-Mitteln und Lebens-Möglichkeiten sichern, so dass die Erde am Ende zu klein für alle sein könnte.
Die kleine Menschheitstruppe in der Schöpfungserzählung dagegen hört und versteht das Verheißungsvolle daran: ‚Bringt Kinder auf die Welt und macht euch keine Sorgen.‘ Denn es gibt auf dieser Erde genügend Lebens-Mittel und Lebens-Möglichkeiten für alle, die schon leben und die noch geboren werden. So verstehe ich Gottes überschießende Verheißung: Fürs Leben aller Menschen ist alles im Überfluss da – doch es wartet darauf, gerecht verteilt zu werden. Und genau darum geht es. Nicht Kinder- und Bevölkerungszahlen sind unser Problem, sondern ob wir unsere Lebensweise verändern – das ist die Aufgabe.
Es gilt das gesprochene Wort.