Liebe Grüße

Morgenandacht
Liebe Grüße
25.02.2015 - 06:35
23.02.2015
Oberkirchenrätin Cornelia Coenen-Marx

Manchmal, wenn mein Computer nicht auf stumm gestellt ist, höre ich das Pling, mit dem die Mails eingehen. Wenn auf Facebook neue Nachrichten eingehen, erkenne ich das an der Zahl. Und hin und wieder, wenn ich bis gegen Mittag zu Hause bin, kann ich es hören- das Plopp, mit dem die Post in unseren Briefkasten fällt. Ach, ich liebe es, Post zu bekommen, und ich schreibe auch gern. Aber es gibt Tage, da stapeln sich die Briefe auf dem Küchentisch, die Mappen auf dem Schreibtisch und die Mailbox quillt über. Von Facebook-Nachrichten, SMS und Anrufen auf dem Anrufbeantworter einmal ganz zu schweigen.

 

Aber dann finde ich ihn doch – den kleinen bunten Zettel auf dem nüchternen Papier: „Für Sie“, steht drauf – „ich dachte, das könnte Sie interessieren.“ Und im Briefkasten liegt unter all den Druckerzeugnissen eine altmodische Ansichtskarte – Freunde aus im Urlaub, oder jemand schreibt von einer Dienstreise- einfach nur so. Die Karte hängt dann länger am Pinboard, der Zettel klebt am PC – persönliche Grüße muntern mich auf, wenn ich im Stress bin. Wenn die eingegangenen Mails die 100 überschreiten, wenn der Tunnelblick immer enger wird und alles nur noch auf schnelles Antworten ausgerichtet ist. Dann schreibe ich selbst nur noch lG -liebe Grüße Deine Cornelia. Klick und weg.

 

Was ein lieber Gruß wirklich bedeuten kann, das habe ich letztes Jahr im Krankenhaus erlebt. Da haben mich die Briefe und Mails von Kollegen, Freundinnen und Freunden- ja, auch von Facebookfreunden, durch den Tag getragen. Besuche waren mir meist zu viel – aber mit den Briefen und Mails war ich nicht allein. Und die Postkarten, die neben dem kleinen Rosenstrauß auf meinem Nachttisch standen, halfen mir auch dann, wenn’s richtig schwierig wurde. Da ist die Karte mit dem Foto vom Erdbeerkuchen: sie ermuntert mich, das Leben zu genießen- trotz allem. Und die Engel-Karte mit den Unterschriften aus einer Arbeitsgruppensitzung, die mir sagt: Du warst in unseren Gedanken dabei. Der Genesungswunsch an dem bunten Blumenstrauß, das Herz aus Holzperlen und das Buch, das mich die Zeit vergessen ließ. Solche Grüße sind wie Gebete.

 

Als es noch keine Mails und kein Telefon gab, kein Facebook und noch nicht einmal Ansichtskarten, schon da haben Christinnen und Christen ein Netz aus Grüßen über Europa gespannt. Man grüßte einander in Krankheit und in Gefangenschaft, man wurde für andere zum Gastgeber, ja, zur Familie, und unterstützte sich. Wie heute noch wurden Grüße mündlich weitergegeben, sie reisten aber auch in Briefen mit. Im Brief des Apostels Paulus an die Gemeinde in Rom findet sich eine Grußliste, die mir besonders gut gefällt.[1] „ Grüßt Priska und Aquila“, heißt es da, „Mitstreiterin und Mitstreiter im Messias Jesus, die für mein Leben ihren eigenen Hals hingehalten haben. Grüßt Mirjam, die oftmals schwere Arbeit für Euch geleistet hat, Andronikus und Junia, die mit mir in Gefangenschaft waren. Grüßt die Sklavinnen und Sklaven aus dem Hause des Narzissus, die zur Gemeinschaft gehören, und die geliebt Persis. Grüßt Rufus, den in der Gemeinschaft Ausgezeichneten, und seine Mutter, die auch für mich eine Mutter ist“. Insgesamt 28 Namen stehen auf der Liste, und noch viele andere, die dazu gehören, werden genannt. Und am Ende ist zu lesen, wer die Grüße ausrichte: „Es grüßen Euch Timotheus, mit dem ich zusammenarbeite, und Luzius, Jason und Sosopater, meine Verwandten. Und ich grüße Euch, Tertius, der Schreiber dieses Briefes. Es grüßt auch Gaius, mein Gastgeber. Wir preisen die Quelle der Kraft, die Euch stärkt.“

 

Liebe Grüße sind wie Fürbitten: sie geben etwas weiter von dieser Energie, die uns stärkt. Weil ich selbst diese Erfahrung gemacht habe, schreibe ich mir jede Woche eine kleine Grußliste ins Notizbuch. Freunde, die krank sind oder trauern, Menschen, für die etwas Neues beginnt – wie damals für die Gemeinde in Rom- und andere, denen ich danken will. Liebe Grüße, schreibe ich darunter, deine Cornelia.

 

 


[1] Römer 16 in Auszügen

23.02.2015
Oberkirchenrätin Cornelia Coenen-Marx