Ein ganz besonderes Frühstück

Morgenandacht
Ein ganz besonderes Frühstück
24.02.2015 - 06:35
23.02.2015
Oberkirchenrätin Cornelia Coenen-Marx

„Ich bin so knallvergnügt erwacht. /Ich klatsche meine Hüften./ Das Wasser lockt. Die Seife lacht./ Es dürstet mich nach Lüften..“ Nein, ich rede nicht von mir. Ich bin, offen gestanden, kein Morgenmensch. Ich zitiere ein Gedicht von Joachim Ringelnatz – „Morgenwonne“ heißt es. Und ich mag es gern, vielleicht gerade, weil ich keine Lerche bin. Das Gedicht von Ringelnatz endet so: „Aus meiner tiefsten Seele zieht/ mit Nasenflügelbeben/ ein ungeheurer Appetit / nach Frühstück und nach Leben“.

 

Bei mir reicht es meist nur zu einem Tee und einem Toast auf die Schnelle. Und es gibt viele Morgen, an denen mir ein kleines Müsli oder ein Porridge genügt. Ich finde es immer faszinierend, wie die Italiener auf dem Weg zur Arbeit schnell noch irgendwo an einer Bar einen Espresso trinken.

 

Aber ich habe auch ganz andere Erfahrungen gemacht – da hat der Morgen meine Nasenflügel beben lassen, mit einem ganz besonderen Frühstück. Hin und wieder ist es das Sonntagsfrühstück mit der ganzen Familie: Durch das Haus zieht schon der Duft nach Kaffee und jemand ruft „Frühstück“, laut und verführerisch und auch ein bisschen ungeduldig. Das Brötchen knackt beim Aufschneiden, das Hörnchen schmeckt so gut, wenn man es mit wenig Butter in Honig tunkt und die Sonntagseier sind genau lang genug gekocht. Oder der Geburtstagsbrunch in einem schönen Lokal. Jeder genießt das Buffet von Marmelade bis Salat. Wir sitzen lange, reden und lachen und genießen den Tag.

 

Einen reich gedeckten Tisch braucht es nicht, um dieses Glück zu spüren- den Appetit auf das Leben. Das schönste Frühstück meines Lebens war ganz einfach. Aber selten haben mir ein Stück Brot und etwas Honig so gut geschmeckt. Es war ein strahlender Morgen – wir hatten zum Sonnenaufgang einen der Schweizer Berge bestiegen. Durch die Dunkelheit waren wir nachts hinauf geklettert und dabei ordentlich ins Schwitzen gekommen. Ziemlich erschöpft, aber rundum zufrieden und voller Jubel saßen wir oben am Gipfel. Die Sonne färbte den Himmel rot, dann stieg sie aus der Dämmerung auf. Eine Jugendgruppe sang Morgenlieder. Und jetzt, nach dem Abstieg, sitzen wir auf einer Holzbank vor einer Berghütte im Sonnenlicht. Es gibt frisch gebrühten Kaffee, Butter von der Hütte und Honig vom Imker. Und dazu dieses Krustenbrot, das so herrlich zwischen den Zähnen knackt. Alles schmeckt frisch wie der neuen Tag – wie beim ersten Mal.

 

So muss sich Elia gefühlt haben, der Prophet aus der Frühzeit Israels, als er nach einer langen Wüstenwanderung müde, zerschlagen und ausgehungert wach wurde. Er war aus seiner Heimat geflohen, weil er sich mit dem König angelegt hatte. Er musste fliehen, weil man ihm nach dem Leben trachtete- und unterwegs überkam ihn die Verzweiflung. Halbtot hatte er sich unter einen Wacholderstrauch gelegt und wäre am liebsten nie mehr aufgewacht. Die Bibel erzählt, ein Engel hätte am Morgen Wasser und Brot gebracht und ihn leise angesprochen: „Steh auf und iss“. Elia, der nicht wusste, wie ihm geschah, nahm einen Bissen, trank einen Schluck und schlief wieder ein.

 

Das kenne ich aus Krankheitstagen, wenn mein Mann mir das Frühstück ans Bett bringt, bevor er zur Arbeit fährt. Manchmal werde ich spät wach, wenn der Tee schon kalt ist, und wundere mich, dass ich schon ein paar Schluck getrunken habe. So muss der Engel noch einmal kommen, noch einmal und eindringlicher flüstern: „Steh auf und iss, denn du hast einen weiten Weg vor Dir“ – bis der Prophet dann aufsteht und sich stärkt. Ich weiß nicht, ob Elia seinen Engel gesehen, ob er seine Berührung gespürt hat. War da eine Lichtgestalt? Kam ein Hirte vorbei? Wer war es, der dem erschöpften Elia wieder auf die Beine half? Sicher ist: mit jedem Bissen bekommt er neue Energie und neuen Lebensmut. Liebe und Leben gehen durch den Magen- das gilt auch für die Liebe Gottes. Ein guter Grund, das Frühstück einmal ganz bewusst zu genießen – heute und morgen oder auch am nächsten Sonntag.

23.02.2015
Oberkirchenrätin Cornelia Coenen-Marx