Rituale

Rituale
30.12.2016 - 06:35
27.12.2016
Pastor Matthias Viertel

In diesen Tagen zu Weihnachten und Silvester erhalte ich besonders viel Post. Da sind zum einen die Grüße und Wünsche von Freunden und der Familie. Dazu kommen immer mehr Karten von Banken und Discountern, Handwerkern, Versandhäuser, Vereinen und dem Frisör – alle wünschen mir ein frohes Fest und ein gutes Neues Jahr.

 

Grundsätzlich ist das ja eine nette Sache und manch einer freut sich vielleicht sogar über solche Grüße. Allerdings ist mir eines dabei aufgefallen: Die Mehrheit dieser Karten erwähnen wohl das Weihnachtfest und auch den Übergang zum Neuen Jahr, sind dabei aber bemüht, christliche Aussagen zu vermeiden. Als Bilder müssen Winterlandschaften herhalten und als Sinnspruch kommt eine Weisheit von Albert Einstein oder Hermann Hesse hinzu. Bloß kein Bild von der Krippe und erst recht kein Wort, das sich auf den Glauben bezieht, der ja irgendwie immer noch mit Weihnachten verbunden ist. Schließlich will man es sich ja mit niemandem verscherzen und da scheint es geraten, die Religion doch eher auszusparen und Weihnachten lieber neutral als Winter- und Familienfest zu interpretieren.

Mit Silvester setzt sich das dann fort. Da wird dann übersehen, dass beide Termine in einem Zusammenhang stehen: Nach der Feier der Geburt Jesu wird auch für das eigene Leben ein Neuanfang angesetzt. Die Zäsur, die der Wechsel der Jahre andeutet, ist eine Art Konsequenz auf die Weihnachtsbotschaft, denn nun beginnt alles neu. Noch im Mittelalter wurde der 25. Dezember als Neujahrstermin angesehen, erst die Gregorianische Kalenderreform verlegt den Neujahr auf den 1. Januar. Die Zeitrechnung selbst stellt den Zusammenhang mit der christlichen Religion her. Deshalb ist 2017 auch nicht einfach eine Zahl, sondern das Jahr 2017 nach Christi Geburt.

Es ist ein eigenartiger Zwiespalt, der sich da offenbart: Auf der einen Seite suchen Menschen nach Ritualen, auf der anderen Seite sollen diese Rituale nicht unbedingt christlich festgelegt sein. Auch in diesem Jahr wurden die Gottesdienste zu Weihnachten gut besucht, und trotzdem wenden sich immer mehr von der Kirche ab. Viele halten das nur für Folklore wollen aber die Rituale wegen der Stimmung nicht missen. Weihnachten ja, heißt es dann, aber nicht so christlich.

Auch zu Silvester sind Rituale wichtig: Mitternacht krachen Böller, um böse Geister zu vertreiben, gleichzeitig läuten die Kirchenglocken. Wohnungen sind mit Luftschlangen dekoriert. Luftschlangen sind eigentlich Girlanden, eben nur aus Papier. Und Girlanden sind traditionelle Bestandteile des religiösen Kultes. Man brauchte sie zur Kennzeichnung von Opfergaben und zum Schmuck der Tempel bei hohen Festen. Heute wird dieser ehemalige Tempelschmuck eben als Dekoration im Supermarkt benutzt.

 

Aber geht das überhaupt? Lassen sich Rituale ohne religiöse Bedeutung übernehmen? In jedem Ritual steckt immer ein Körnchen Religion. Viele empfinden die gewohnte Wiederholung als beruhigend, weil sie zeigt: Es gibt etwas, was über das Hier und Jetzt hinausgeht. Etwas, das Bestand hat und nicht dem Wandel der Zeit unterworfen ist. Diese Überzeugung ist religiös auch wenn viele das nicht wahrhaben wollen. Rituale helfen dabei, das Wesentliche nicht zu vergessen; und sie weisen darauf hin, dass Leben einen Sinn und ein Ziel hat, das über den Alltag hinausgeht. Wichtiger aber als die Rituale sind die Inhalte. Gerade jetzt nachdem die Weihnachtsbotschaft uns Frieden in der Welt und Barmherzigkeit angesagt hat, sollten wir diese Botschaft nicht vergessen wenn wir den Übergang ins Neue Jahr feiern.

Wie viel Inhalt brauchen Rituale? Wenn Sie mit mir sprechen wollen, können Sie mich bis 8 Uhr telefonisch erreichen unter der Nummer 030 - 325 321 344. Oder diskutieren Sie mit, auf Facebook unter „deutschlandradio.evangelisch“.

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27.12.2016
Pastor Matthias Viertel