Aufbrechen und Ankommen

Morgenandacht
Aufbrechen und Ankommen
Den ersten Schritt gehen die Weisen aus dem Morgenland im Sommer
14.07.2015 - 06:35
16.06.2015
Pfarrerin Heidrun Dörken

Es ist nicht abwegig, jetzt im Sommer an die Weisen aus dem Morgenland zu denken. Ihr christlicher Feiertag, der Dreikönigstag, ist zwar erst am 6. Januar. Aber die klugen, sternkundigen Menschen, von denen das Matthäusevangelium erzählt[i], mussten viele Monate vorher aufbrechen, um ihr Ziel zu erreichen. Wären sie nicht losgegangen, wären sie nicht angekommen. Die längste Reise beginnt mit dem ersten Schritt[ii]. Dieser sprichwörtliche Satz vom chinesischen Philosophen Laotse meint: Man erreicht Ziele nicht allein dadurch, dass man alles genau plant. Sondern dass man Mut fasst, loszugehen.

 

In diesen besonderen Reisenden kann ich mich selbst finden. Denn auf eigenen Lebens-Reisen, auf der Suche nach Gutem und Glück, braucht man Mut. Gerade, wenn man neue Wege erkundet. Gut, wenn man dabei Orientierung hat und Licht, am besten vom Himmel. Die Weisen der biblischen Geschichte lassen sich von einem Stern leiten. Es waren keine Könige. Die hätten ihren Thron auch kaum verlassen. Es waren suchende und forschende Leute, die sich auf den monatelangen Weg gemacht hatten. Vermutlich waren es Gelehrte aus der Gegend des heutigen Iraks. Es waren Sternkundige in einer Zeit, als Astrologie und Astronomie noch nicht scharf unterschieden waren. Sie suchten nicht nach ihrem Sternbild oder Horoskop. Sie folgten einem Stern, von dem sie annahmen: Er muss von Gott sein. Und er muss auf einen besonderen Menschen hinweisen. Deshalb fragten sie auf ihrer Reise: „Wo ist der neugeborene König der Juden? Wir haben seinen Stern gesehen und sind gekommen, ihn anzubeten.“ Allerdings: Sie haben das zuerst am falschen Ort gefragt. Nämlich am Hof des Königs Herodes. Sie haben da gesucht, wo Glanz, Macht und Reichtum war. Das kommt ja vor, dass man denkt: Mit einem oder am besten gleich mit allen dieser Güter finde ich Glück. Aber wie viele vor und nach ihnen haben sie dort nicht gefunden, was ihre Sehnsucht erfüllt hat.

 

Das Wunderbare der Geschichte ist: Sie haben nicht nur gesucht. Sie haben dann auch gefunden. Auf ihrem Irrweg ist ihnen der Stern neu aufgegangen. So dass ihnen klar wurde: Wir müssen woanders weiter suchen, neue Wege erkunden. Und dann finden sie. Einen Ort und einen Menschen. Anders, als sie es sich wahrscheinlich geträumt und vorgestellt haben. Am Ende der Geschichte heißt es: „Als sie den Stern sahen, wurden sie hoch erfreut, und gingen in das Haus und fanden das Kind mit Maria, seiner Mutter.“

 

Das ist doch die Frage: Welchem Stern folge ich, und wohin führt er mich? Hanns Dieter Hüsch[iii], der vor zehn Jahren verstorbene Kabarettist, ist den Spuren der Weisen gefolgt. Er spricht vom Aufbruch und von dem, was er gefunden hat. Er sagt:

 

„Ich habe mich auf den Weg gemacht: Wie einer der drei Weisen suchte ich nach einem Lichtpunkt am dunklen Himmel. Wie einer der Hoffnungslosen suchte ich nach einem Funken Hoffnung in dieser Welt. Wie einer aus der Verlorenheit suchte ich ein Zuhause bei Gott. Ich suchte Gott bei den Menschen und fand einen Blick, der mich verstand, und fand eine Hand, die mich suchte, und fand einen Arm, der mich umfasste. Und fand einen Mund, der zu mir Ja sagte. Ich fand Gott nach langem Suchen: Nicht mächtig, nicht prächtig. Sehr bescheiden, alltäglich, als Kind in der Krippe, nackt, frierend, hilflos, mit einem Lächeln durch die Zeiten; das erreichte mich in meinen Dunkelheiten. Gott fängt ganz klein an, auch bei mir.“[iv]

 

[i] Matthäusevangelium 2, 1-12

[iii] Hanns Dieter Hüsch, 1925-2005

[iv] Hanns Dieter Hüsch, zitiert von Pfarrerin Dr. Cornelia Kulawik in der Predigt am 6.1.2011 Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche, Berlin lich: Hüsch/Seidel: Ich stehe unter Gottes Schutz, 13. Aufl. 2014 (Erste Aufl. 1996)

16.06.2015
Pfarrerin Heidrun Dörken