Urlaub in Kos machen?

Morgenandacht
Urlaub in Kos machen?
30.01.2016 - 06:35
27.12.2015
Pfarrer Stephan Krebs

Wenn die Tage kurz und kalt sind – so wie jetzt, dann träumen sich viele gerne in den Urlaub. Sommer, Sonne, Strand – das sind herrliche Aussichten – gerade jetzt! Wie wäre es mit der Türkei? Oder Griechenland? Die Inseln Kos oder Samos oder Lesbos – sie alle klingen nach blauem Himmel, weißen Stränden – und Flüchtlingen.

 

Kann man dort jetzt Urlaub machen? Wo die Menschen aus Syrien und Afghanistan ankommen? Geradewegs aus den Kriegsgebieten?

 

Der Kopf sagt: Ja. Die Griechen leben davon, dass Touristen kommen. Bleiben sie aus, dann können die Griechen auch den Flüchtlingen nicht mehr helfen. Wegbleiben hilft niemandem, im Gegenteil, es macht alles nur noch schlimmer.

 

Andererseits: Urlaub Machen direkt auf der Flüchtlingsroute – ist das nicht zynisch? Ich genieße da die Sonne, bestelle mir vielleicht einen eisgekühlten Cocktail, amüsiere mich im Pool meiner Hotelanlage – und in Sichtweite davon kämpfen Leute um ihr Leben, freuen sich über Wasser, das ihnen jemand spendet, kriechen unter eine Plastikplane, um ein Dach über dem Kopf zu haben!

 

Das müssen sie allerdings auch tun, wenn ich woanders Urlaub mache. Egal wohin ich fahre: Immer und überall weiß ich, was auf Kos und Co. geschieht – jeden Tag. Ich muss es woanders nur nicht sehen. Und das macht einen großen Unterschied. Das ist uns Menschen eigen: Was wir nicht direkt erleben, können wir wunderbar verdrängen und vergessen. Auch wenn wir es eigentlich genau wissen.

 

So ist das nicht nur im Urlaub, sondern auch zuhause im Alltag. Ich versuche meine Tage zu genießen – und gleichzeitig weiß ich um die Kriege und das Leiden vieler Menschen. Ich sehe sie doch – in den Nachrichten! Sie betrüben mich. Aber es hilft niemandem, wenn ich es mir deshalb auch schlecht gehen lasse. Im Gegenteil: Dann wäre nur noch einer mehr unglücklich.

 

Insbesondere der Urlaub soll eine unbeschwerte Zeit sein. Ein paar Tage, so wie eigentlich alle sein sollten – aber nicht sind. Da gehören Kriegsflüchtlinge einfach nicht hin. Denn sie erinnern an das Elend, an die unbewältigten Probleme der Welt. Und genau die wollen viele im Urlaub gerade nicht sehen.

 

Es geht auch anders. Ich habe einen Urlauber getroffen – ich nenne ihn Patrick, der ist trotzdem nach Kos gefahren und hat dort einen großartigen und bewegenden Urlaub erlebt. Das war im vergangenen Sommer. Da hatte Patrick eigentlich einen ganz normalen, unbeschwerten Urlaub gebucht – wie so viele. Aber als er auf Kos ankam, waren da die vielen Flüchtlinge, damals gerade erst eingetroffen. Er begriff, dass er sich einer ganz neuen Situation befand, anders als erwartet. Sein Urlaub hatte ein neues Thema bekommen. Er prüfte die Spielräume seiner Reisekasse. Dann ging er jeden Tag und kaufte Lebensmittel. Die verteilte er an die Flüchtlinge. Er verbrachte einige Zeit bei ihnen, hörte ihnen zu. Dann ging er in sein Hotel oder an den Strand. Und konnte es genießen. Es war ein anderer Genuss als gedacht. Ein Genuss im Angesicht des Ernstfalls. Mit besonders intensiven und beglückenden Erlebnissen, denn Patrick erlebte nicht nur die Schönheit der Insel Kos, sondern auch die Schönheit des Helfens. Jeden Tag und direkt.

 

So hat es auch Jesus gelebt. Tag für Tag kümmert er sich aufopferungsvoll um Kranke und Ausgegrenzte. Aber einmal ist er zu Gast bei einer Frau. Sie möchte ihm etwas Gutes tun und massiert ihn. Dafür verwendet sie ein besonders teures Öl. Das stört einige der Jünger Jesu. Sie klagen: „Das kostbare Öl! Das hätte man doch verkaufen können. Mit dem Geld hätte man armen Leuten helfen können!“ Doch Jesus genießt das offensichtlich. Er nimmt die Frau in Schutz: Helfen kann man immer. Damit wird man nie fertig. Deshalb braucht man Pausen. Pausen – wie auch das Wochenende. Wie den Urlaub.

 

Beides hat seine Zeit. Genießen und Helfen. Wer nur eines von beidem tut, nimmt sich etwas Wichtiges. Man geht dann an seinem eigenen Leben vorbei. Patrick auf Kos macht es prima: Selbst im Urlaub verbindet er beides miteinander – Helfen und Genießen.

 

Bibelnachweis: Markus 14,3-9

27.12.2015
Pfarrer Stephan Krebs