Veränderungen

Morgenandacht
Veränderungen
28.01.2017 - 06:35
23.01.2017
Pfarrer Jost Mazuch

Die wichtigste Veränderung in meinem Leben war sicher der Moment, als ich Vater wurde. Nicht die Hochzeit mit meiner Frau, nicht berufliche Veränderungen, sondern die Geburten meiner Kinder haben mich verwandelt wie nichts anderes. Ein Kind, so empfinde ich es, ist das größte Geschenk für die Eltern. Und das verändert das ganze Leben.

 

Ein guter Freund gratulierte mir zur Geburt unseres ersten Kindes und sagte: „Vieles andere im Leben kannst du wieder rückgängig machen. Aber das hier nicht. Von jetzt an wirst du immer Vater sein!“ Da war unser Sohn erst ein paar Tage alt, und ich begann zu spüren, wie sehr mein Alltag, mein ganzes Leben, ja meine Identität sich veränderte. Nicht nur die kurzen Nächte, und dass sich jetzt alle alltäglichen Abläufe um den Säugling und seine elementaren Bedürfnisse drehten. Das mochte vorübergehen. Wichtiger war das umstürzende Gefühl der Verantwortung für dieses kleine Menschenkind. Ich war jetzt Vater; wir beide waren seine Eltern! Mit allen Risiken und Unzulänglichkeiten, aber auch mit aller Kraft, die wir mitbrachten.

 

Ohne Ausbildung musste ich diese neue Rolle einnehmen – und ich wollte und konnte es. Vater sein, aber nicht einfach genauso, wie ich es bei meinen eigenen Eltern erlebt hatte. Ich musste mich damit auseinandersetzen, wie ich durch meine Eltern geprägt bin. Musste mir klar werden darüber, was ich anders machen wollte. Zum Glück war ich dabei nicht alleine. Zusammen mit meiner Frau machte ich zahllose neue Erfahrungen; schwierige und beglückende. Die wichtigste war immer wieder eine tiefe Dankbarkeit für dieses Geschenk des Lebens.

 

Das alles veränderte mich stärker, als ich zunächst dachte. Als Eltern bekommen Erwachsene die Chance, noch einmal mit dem kindlichen Blick auf die Dinge zu schauen. Beim Spielen der Kinder lernte ich, dass immer der Augenblick das Wichtigste ist. Dachte ich vorher, ich wüsste einigermaßen in der Welt Bescheid, so musste und durfte ich mich jetzt an vielen Stellen neu orientieren. Das wurde zu einer Verwandlung, die über Jahre hin immer weiter ging.

 

Die Kinder wurden groß. Die unvermeidlichen Turbulenzen der Pubertät. Distanz und Nähe mussten neu justiert werden. Dann waren sie erwachsen, zogen aus der elterlichen Wohnung aus. Der Abschied: eine neue Herausforderung. Wer bist du jetzt? Immer noch Vater, nur anders. Auch das will wieder neu gelernt werden: Loslassen. Aneinander denken, ohne die anderen mit der eigenen Sehnsucht zu fesseln. Füreinander da sein, wenn es nötig ist. Füreinander beten.

 

Und eines Tages sitzt einer dieser erwachsenen Söhne da und eröffnet seinen Eltern: Ihr werdet Großeltern! Riesenfreude, Glückwünsche, Umarmungen – und ein paar bange Fragen: Bist du wirklich schon so alt? Und wie wird das: Opa sein? Doch alle Fragen sind auf einen Schlag beantwortet, als ich mein winziges Enkelkind zum ersten Mal auf dem Arm halte und spüre: Das fühlt sich stark an, Opa zu sein! Und wieder erlebe ich Verwandlung. Die Verantwortung für das kleine Wesen haben jetzt andere. Ich kann noch einmal anders das Wunder des neuen Lebens bestaunen, kann gelassen und liebevoll meine Rolle als Großvater finden: spielen, singen, vorlesen, verwöhnen… Und merke, wie mich das auch anderen gegenüber gelassener macht.

 

Ich glaube, dass Gott sich entschieden hat, das Leben immer wieder neu zu machen. Und dass er deshalb immer wieder Menschen ins Leben ruft. Das bedeutet dauernde Veränderung, für alle Beteiligten. Für mich ist das ein großes Geschenk: vom Leben immer wieder verändert zu werden. Ich weiß nicht, was die Zukunft mir bringt. Bestimmt kommen noch bis zum Schluss Veränderungen auf mich zu. Wie sie aussehen werden, das weiß ich nicht. Doch ich bleibe neugierig. Denn ich glaube, dass Gott auch am Ende das Leben neu machen wird.

23.01.2017
Pfarrer Jost Mazuch