Ein Rat von den Blues Brothers

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Ein Rat von den Blues Brothers
03.09.2016 - 10:00
07.09.2016
Pfarrer Gerhard Richter

Über die Sendung:

Sich Zeit füreinander zu nehmen, ist Medizin für die Seele. Wer ein offenes Ohr für andere hat, hilft ihnen, auch wenn er ihre Situation nicht verbessern kann, wie Gerhard Richter für die evangelische Kirche beschreibt

 

Sendung zum Nachlesen

„Ein Auftrag von Gott“

„Wir haben einen Auftrag von Gott, wir müssen die Band zusammenbringen!“ Elwood Blues sagt diesen Satz immer wieder in dem Film „Die Bluesbrothers“. Ich habe ihn mir etwas abgewandelt. Jetzt passt er besser zu mir: „Wir haben einen Auftrag von Gott, wir müssen die Menschen zusammenbringen!“

Mir ist das wichtig geworden, weil ich immer wieder merke, dass dadurch Verletzungen geheilt werden können.

 

Der vergessene Geburtstag

Vorgestern traf ich einen alten Bekannten. Er geht an Krücken. Seine Hüfte wurde bei einem Unfall zerschlagen. Unter Schmerzen nur kann er stehen und sitzen. Seine Gegenwart macht mich hilflos.

Er sagt: „Schon das zweite Jahr ist niemand gekommen, um mir zum Geburtstag zu gratulieren.“

Heiß und kalt lief es mir den Rücken hinunter. Ich fühlte mich ertappt.

Dabei bin meinem Bekannten nicht ausgewichen und ich habe ihn auch nicht vergessen. Ich bin einfach ein Geburtstagsmuffel. Selbst meinen eigenen feiere ich nicht gern. Trotzdem trifft mich dieser eher stille Vorwurf: „Haben mich alle vergessen.“

Weil ich weiß, wie wichtig die Begegnung mit anderen Menschen ist. Ich erinnere mich an Menschen, die ich zum Beispiel in Gastwirtschaften kennengelernt habe, nach dem dritten Bier. Ich hatte mit ihnen im Sprechzimmer beim Arzt gesprochen. Oder ich traf sie in einem Park auf der Bank neben dem Kinderspielplatz. Es ist erstaunlich, wie offen viele Menschen sind. Sie müssen nur merken, dass man sich Zeit für sie nimmt. Auf einmal schütten sie ihr Herz aus. Und manchmal kommt so nach und nach ein ganzes Paket unguter Gefühle zum Vorschein.

Oft fühlen sie sich einsam. Sie klagen über ihre Schmerzen. Sie beschweren sich über verständnislose Nachbarn. Sie zweifeln an den nach ihrer Meinung undankbaren Kindern.

 

Wenn ich aber nicht helfen kann...

Das Schlimme daran ist, dass ich meistens nicht helfen kann. Ich kann ihnen die Schmerzen nicht nehmen. Ich kann ihre Kinder nicht motivieren. Die Nachbarn werde ich nicht ändern. Und meine eigene Zeit ist auch begrenzt.

Eigentlich kann ich nur aufpassen, dass ich selbst niemanden so tief enttäusche. Ich möchte nicht, dass jemand bei Anderen sein Herz über mich ausschütten muss.

 

Aber ich weiß, dass das fast unmöglich ist. Es geht so schnell, dass ich – zum Beispiel – einen Geburtstag vergessen habe. Oder wie einfach ist es, einen Gesprächspartner an die Wand zu drücken, weil man unbedingt Recht behalten will.

Ich glaube, ich weiß gar nicht, wie oft ich andere verletzt habe.

 

Und doch nicht umsonst!

Ich konzentriere mich wieder auf das Gespräch. Mir wird bewusst: „Ich kann auch hier nicht wirklich helfen.“ Ich denke, ich sollte ihm das sagen.

„Du,“ beginne ich, „es tut mir Leid. Aber ich weiß im Moment gar nicht, wie ich Dir helfen kann...“

Fast wünschte ich, ich hätte geschwiegen. Doch mein Freund antwortet: „Ich weiß. Aber, dass du dir die Zeit genommen hast und ich konnte das alles mal abladen – das hat mir schon gut getan.“

 

Ein Plakat an der Wand

Ich habe mir jetzt das Plakat mit den Bluesbrothers und dem geänderten Spruch über den Schreibtisch gehängt. Ich bin überzeugt, das ist eine Erinnerung, die auch mir not tut: „Wir haben einen Auftrag von Gott, wir müssen die Menschen zusammenbringen.“

 

07.09.2016
Pfarrer Gerhard Richter