Botschafter des Lebens

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Botschafter des Lebens
17.09.2016 - 10:00
23.09.2016
Pfarrer Gerhard Richter

Über die Sendung:

Ängste werden ausgenutzt, in politischer und wirtschaftlicher Hinsicht. Das hilft uns aber nicht bei der Problemlösung. Wir brauchen Botschafter des Lebens und des Friedens, die zu einem Leben ohne Angst ermutigen. Gerhard Richter beschreibt sie für die evangelische Kirche.

 

Sendung zum Nachlesen

Die Mutprobe

„Nun komm schon! Du darfst nicht nach unten schauen, sondern schau nach vorn! Geh langsam weiter, dann schaffst Du das.“ Meine Freunde stehen auf der anderen Seite einer ehemaligen Eisenbahnbrücke. Die Gleise sind vor Jahren abgebaut worden.  Es gibt nur noch ein paar Stahlträger über einem sechs Meter tiefen Abgrund.  Ich könnte einen anderen Weg nehmen. Umdrehen, ein paar Meter zurück und da lang laufen, wo alle anderen immer laufen. Nun aber stehe  ich dort. Auf der anderen Seite der Brücke meine Freunde. Ich will, dass sie mich respektieren. Also gehe  ich los. Ängstlich setze ich Schritt um Schritt. Das rettende Ende der luftigen Gefahr vor Augen. Nur nicht nach unten sehen! Den letzten Meter  springe ich auf den rettenden Rasen. Jubelnd werfe ich meine Arme in die Luft: Bestanden!

Heute muss ich lächeln, wenn ich an der kleinen Brücke vorbeikomme. Längst hat sie nichts beängstigendes mehr. Im Gegenteil: ich wundere mich, dass sie für unsere Mutprobe geeignet war.

 

Vertrauen hilft gegen die Angst

Damals aber hatte ich Angst, sie zu überqueren. Diese Angst hatte ich überwunden. Denn auf die Worte meiner Freunde konnte ich vertrauen. Vertrauen hilft gegen Angst.

Im Lauf der Jahre hat mein Vertrauen ein anderes Fundament bekommen. Die Freunde von damals sind weit weg. Irgendwann in meiner Jugend habe ich mich aber taufen lassen. Auf Gott wollte ich vertrauen. Glauben wollte ich, dass mein Leben seinen Sinn behält in allen erdenklichen Situationen.

Längst habe ich auch erfahren, wie zerbrechlich menschliches Glück sein kann. Eine Lebenssituation kann sich von einem Moment auf den anderen verändern. Unsere selbstgebauten Brücken tragen plötzlich nicht mehr.

 

Angst darf nicht ausgenutzt werden

Ich weiß auch, dass Angst etwas natürliches ist. Sie gehört zu uns Menschen. Oft schützt sie uns vor Schaden.

Schlimm wird es erst, wenn jemand mit meiner Angst spielt. Wenn zum Beispiel meine Angst geschürt wird, um politische Ziele durchzusetzen. Angst vor Überbevölkerung, Klimawandel und Globalisierung - hilft sie mir, diese Probleme zu lösen? Angst vor Überfremdung, Terror und Krieg – zeigt mir die Angst Wege aus solchen bedrohlichen Situationen?

Nach meiner Erfahrung lähmt sie. Sie schränkt meinen Blick ein. Sie verhindert es, dass ich mein Ziel erreiche.

Eine friedliche Welt, in der Menschen wie Geschwister leben können, das ist ein lohnendes Ziel. Ich werde mich nicht davon abbringen lassen.

 

Botschafter des Lebens sein

„Schau nach vorn und geh weiter.“ haben meine Freunde damals gesagt. „Schau nicht nach unten!“ - Lass dich von Deiner Angst nicht nach unten ziehen.

In der Bibel finde ich das wieder, wenn Jesus sagt: „In der Welt habt ihr Angst, ich aber habe die Welt überwunden.“

Er kennt die Angst, die uns starr macht. Und er weiß, dass es manchmal die Angst um's blanke Überleben ist.

Aber  Jesus lebt mit einer Hoffnung, die stärker ist, als die todbringenden Situationen. Die Hoffnung macht ihn zum Botschafter des Lebens und des Friedens.

 

Botschafter braucht man dort, wo Menschen mit unterschiedlichem Hintergrund zusammenkommen. Wo sie miteinander sprechen, streiten und verhandeln müssen. Genau an der Stelle brauchen  wir heute Vermittler. Menschen, die keine Angst haben, sich die Probleme der anderen anzuhören. Menschen, die jemanden auf einem schwierigen Weg begleiten können. Menschen, die wie meine Freunde damals sagen: „Hab' keine Angst. Schau nach vorn und geh weiter!“ Das Talent, ein solcher Mensch zu sein, kann jeder von uns im Herzen haben.

23.09.2016
Pfarrer Gerhard Richter