Meinungsfreiheit

Wort zum Tage
Meinungsfreiheit
02.03.2015 - 06:23
30.03.2015
Pfarrerin Christina-Maria Bammel

„Gott ist doof“, stand vor kurzem auf der Titelseite eines Berliner Stadtmagazins. „Warum schreiben die das?“ fragt meine Achtjährige. Denn für sie ist Gott der Ansprechpartner ihrer Abendgebete. Echtes Unverständnis mischt sich mit Empörung über eine Beleidigung, von der sie nicht weiß, woher sie kommt. Aber sie spürt, dass etwas herabgewürdigt wird, das ihr wichtig ist.

 

„Die Journalisten möchten gläubige Menschen ärgern, um zu zeigen, dass sie das dürfen“, versuche ich zu erklären. „Eigentlich geht es ihnen gar nicht um Gott. Das dürfen sie aber, das ist Meinungsfreiheit.“ Die Achtjährige schweigt. Ich auch. Ich habe die Meinungsfreiheit schlecht erklärt. Ebenso meine Gefühle, wenn ich so etwas lese.

 

Die Redakteure spielen ironisch die Rolle pubertärer Provokateure. Sie präsentieren Berlin mit Zahlen als postideologisches Labor und säkulare Stadt. Ihre Bürger würden nur dann wirkliche Freiheit und echten Pluralismus erleben, wenn sie die „Zwangsjacken“ der Ideologien und Religionen ablegten. Klingt schlau, ist aber herzensdumm. Denn der Journalist will nicht verstehen, was Menschen meinen, wenn sie sagen, dass sie an Gott glauben.

 

Wenn ich sage, ich glaube an Gott, dann mache ich eine Beziehungsaussage: Ich sage damit, dass Gott für mich wesentlich ist. Ich erhebe damit keinen Anspruch auf die Zustimmung anderer. Ich lebe ja in einer säkularen Stadt in einer pluralen Gesellschaft, die keinem Bürger Vorschriften macht über seine Vorstellungen von dem, was ihm heilig sein soll. Wenn ich sage, dass mir die Liebe zu meinem Partner heilig ist, fällt auch niemandem ein, mich zu kritisieren. Wenn mir der Journalist sagen würde, woran er sein Herz hängt und seine Existenz bindet, würde ich das auch akzeptieren, ohne es für mich als das Wichtigste anzunehmen.

 

Mehr verlange ich auch nicht von ihm, wenn ich von meinem Glauben spreche. Oder wenn mein muslimischer Freund von seinem Glauben spricht. Wenn der Journalist das respektiert, dann könnten wir beginnen, Meinungsfreiheit so zu gebrauchen, wie sie gemeint ist, als kostbare Garantie der Freiheit, den Verstand zur Aufklärung gesellschaftlicher Missstände zu benutzen.

 

Auch als Garantie der Freiheit, sein Herz zu verschenken. Meine Achtjährige hat keine Mühe, mit der muslimischen Freundin in ihrer Schule über Gott zu sprechen, selbst wenn beide ihm verschiedene Namen geben. Ein gutes postideologisches Versuchslabor arbeitet mit einer Meinungsfreiheit, die herzensklug genug ist, die Menschen in ihren Beziehungs- und Glaubensaussagen zu respektieren. Eine andere Art von Meinungsfreiheit wäre doof.

30.03.2015
Pfarrerin Christina-Maria Bammel