Schneeglöckchen

Wort zum Tage
Schneeglöckchen
05.01.2017 - 06:23
29.12.2016
Pfarrerin Kathrin Oxen

Ich habe mir mächtig kalte Finger geholt im November. Es ist nämlich jedes Jahr das Gleiche. Gegen Ende des Sommers kaufe ich Blumenzwiebeln, vorzugsweise im Supermarkt, lege sie irgendwo ab und dann vergesse ich, sie einzupflanzen. Letztes Jahr habe ich es tatsächlich noch im November vor dem ersten Frost geschafft. Aber es war wirklich knapp. Am Nachmittag hatte es sogar schon ein bisschen geschneit. Ich bin im Garten herumgelaufen, habe mich widerwillig auf den kalten Boden gekniet und mit klammen Fingern die Zwiebeln in die kalte schwarze Erde gesteckt. Große, mittlere und kleine Zwiebeln, gelbe Narzissen, blaue Perlhyazinthen und Schneeglöckchen.

Und nun warte ich gespannt, ob es geklappt hat. Ein paar Wochen muss ich mich noch gedulden. Die Schneeglöckchen werden die ersten sein.

Diese Blumenzwiebeln helfen mir über den Winter. Deswegen kaufe ich, glaube ich, immer so viele davon. Sie erinnern mich jedes Jahr daran, dass auch etwas geschehen kann, ohne dass man davon etwas sieht.

„Seht, ich schaffe Neues, schon sprießt es, erkennt ihr’s denn nicht?“ (Jes 43,19) Diese Worte lässt Gott an seine Menschen ausrichten, an das Volk Israel. Sie waren in einer ausweglosen Situation. Sie lebten als Deportierte im Exil weit weg von ihrer Heimat. Ihre Hoffnung hatten sie so gut wie verloren. Wo sie hinguckten, nur düstere Aussichten. Und es war kein Ende in Sicht.

Mit dem Propheten, der diese Worte von Gott ausrichten musste, hätte ich nicht tauschen mögen. So ein Wort ist eine Zumutung, wenn man wirklich noch nichts von dem Neuen sehen kann. Es gibt solche Zeiten im Leben, da hält sich der Winter und es scheint ewig zu dauern, bis es mal wieder heller wird. Dann muss wohl einfach nur Zeit vergehen. Das sagt sich leicht, wenn es Tage sind, die einem ganz und gar nicht gefallen.

Aber in der kalten schwarzen Erde stecken Blumenzwiebeln. Größe, mittlere und kleine. Man sieht von außen nichts von ihnen. Aber sie haben schon angefangen, zu wachsen.

Ich brauche so eine Erinnerung an die Zukunft. Ich brauche einen, der mir das ausrichtet von Gott, gerade in diesen nüchternen Tagen am Anfang des Jahres: Dass das Neue da ist, auch wenn ich es noch nicht sehen kann. Dass es wächst. Und dass ich eines Tages seine Blüten sehen werde.

29.12.2016
Pfarrerin Kathrin Oxen