Sendung zum Nachlesen
Es hat mir nie irgendjemand beigebracht, dass Gott ein alter Mann mit Bart ist. Es hat mir nicht einmal jemand gesagt, dass Gott ein Mann ist. Trotzdem ist dieses Bild in meinem Kopf, zumindest ein bisschen.
Wenn ich versuche, mir Gott etwas weiblicher vorzustellen, was passiert dann? Wenn ich dabei an Mütterlichkeit denke? Es entsteht ein anderes Gefühl von Solidarität oder Verstanden werden, von Wärme und Kraft. Ein männlicher Gott kann nicht verstehen, wie ich mich als Frau fühle. Eigentlich möchte ich nicht ständig nach Mann und Frau sortieren. Gott muss männlich und weiblich in sich vereinen. Ich möchte dahin gelangen können, dass Gott für mich einfach alles umfängt. Obwohl ich automatisch männliche Pronomen benutze, wenn ich über ihn rede. Über ihn. Gottvater. Herr.
Ich wünsche mir mehr Namen, mehr Bilder, mehr Metaphern. In der Bibel tauchen viele Bildwörter auf, die Gott beschreiben: ein Felsen, ein Hirte, ein Löwe, aber auch eine Adlermutter oder eine Hebamme.
Mir wurde eine interessante Website empfohlen, sie heißt „Millions of metaphors for God“. Die Seite generiert aus jeweils vier Wörtern Metaphern, die Gott beschreiben. Wenn ich die Seite neu lade, wird eine neue Metapher generiert. Die Seite ist englischsprachig und es sind viele alte oder blumige Wörter dabei. Manche kenne ich nicht, aber das Internet übersetzt sie mir. Oft lasse ich mir zwischendurch aus den über 25.000 möglichen Kombinationen ein solches Bild zusammenstellen und schaue, welche gedanklichen Welten sich dabei für mich öffnen.
Ich lade die Seite und lese: „Prächtig hochfliegende Quelle des Alters“. „Prächtig“ ist schon mal ein tolles Wort. „Prächtig hochfliegend“ fühlt sich nach Schwung an. Der Gedanke an eine Quelle ist immer beruhigend. Es sprudelt Wasser, Erfrischung, die nicht versiegt. Eine Quelle des Alters gibt mir vielleicht Hoffnung, dass noch ein langes Leben vor mir liegt, das mir geschenkt wird. Gott als prächtig hochfliegende Quelle des Alters. Nicht schlecht.
Einmal noch, bitte. Die Website lädt. Gott als „warm harmonisierender Atem der Unendlichkeit“. Ich höre es fast, das warme, melodische Summen. Und in den Atem der Unendlichkeit will ich mich hinein denken, wenn mich die miefige U-Bahn-Luft umgibt.
Solche Übungen helfen mir, mein Gottesbild aufzufrischen, wenn es sich ein bisschen eingestaubt anfühlt. Sie öffnen meinen Horizont und lassen mich über meine Beziehung zu Gott nachdenken.
Ich gehe inspiriert in den Tag und freue mich, dass die „beharrlich strahlende Gebärmutter der Erde“ mich auch heute trägt.