Solange es Menschen gibt, herrschen Unfriede und Krieg. Die Bibel erzählt die Geschichte vom Anfang des Menschen: Kain wird eifersüchtig und erschlägt seinen Bruder Abel. So ist es geblieben: Der Starke überrumpelt den Schwachen. Der Mächtige nutzt die Machtlosigkeit des anderen aus und bereichert sich an ihm. Wir erleben es gerade im Krieg, mit dem Russland die Ukraine überzogen hat. Auch das antike Israel erfährt es immer wieder; und manchmal wird es selbst der Mächtige, der gegen andere Staaten Krieg führt. Unter diesem Diktat der Friedlosigkeit erwacht zu allen Zeiten die Sehnsucht nach Frieden.
Schalom ist mehr
Jesus verheißt seinen Jüngern: „Den Frieden lasse ich euch, meinen Frieden gebe ich euch“ (Johannes 14,27a). Wenn er das Wort vom Frieden auf Aramäisch gesprochen hat, und alles spricht dafür, dann hat er das Wort den Begriff Schalom benutzt. Schalom ist Frieden. Dass kein Krieg herrscht, ist die Voraussetzung für den Schalom. Aber die Bedeutung dieses Wortes reicht weit darüber hinaus. Schalom ist der Friede mit dem Nächsten, der es erlaubt, mit ihm die Schönheit des Lebens und der Welt zu genießen. Schalom herrscht, wenn ein Mensch mit sich selbst ins Reine kommt: Ich lebe, und es ist gut zu leben. Schalom ist „der Friede, der allein versöhnt und stärkt, der uns beruhigt und unser Gesichtsbild aufhellt, uns von Unrast und von der Knechtung durch unbefriedigte Gelüste frei macht, uns das Bewusstsein des Erreichten gibt, das Bewusstsein der Dauer, inmitten unserer eigenen Vergänglichkeit und der aller Äußerlichkeiten“ (Claude Joseph Goldsmid-Montefiore). Dies alles kann sich der Mensch nicht selbst geben. Sein Herz ist unruhig, bis es Ruhe findet in Gott, wie der Kirchenvater Augustinus aus eigenem Erleben feststellte.
Vorbereitungen, jetzt
In der Adventszeit wird vielen Menschen diese Sehnsucht nach Schalom nicht bewusst. Hingegen ist ihnen sehr wohl bewusst, dass sie in der nun anbrechenden vierten Adventswoche noch viele Vorbereitungen für das Weihnachtsfestes treffen müssen. Damit geht der Sinn der Adventszeit oft verloren. Aber Jesus bringt den Schalom; deshalb ist kein Geschenk zu kostbar, kein Festmahl zu üppig. Er ist es wert, dass man sich auf den Weihnachtstag, den Tag seines Kommens, vorbereitet. Denn er verheißt diesen Frieden, den Schalom; und dieser ist so ganz anders als der Friede, den er zu seiner Zeit vorfindet. Das ist die Zeit des sogenannten römischen Friedens. Die Römer waren zu jener Zeit die Herren des Landes. Sie beherrschten fast die gesamte bekannte antike Welt. Und wo sie nicht herrschten, sorgten sie an den Grenzen dafür, dass nur ja kein feindlicher Angriff den römischen Frieden gefährden konnte. Dieser Frieden konnte nur mit Waffengewalt aufrechterhalten werden.
Frieden erwarten
Der Friede Gottes blendet die Realität dieses menschlichen Unfriedens nicht aus. Jesus starb am Kreuz durch die Friedlosigkeit der Welt und nahm ihn damit auf sich. Aber es blieb nicht dabei, dass er ein Opfer israelitischen und römischen Unfriedens war. Jesus auferstand von den Toten. Damit entlarvte er die irdischen Bedingungen des Friedens: Er ist vorläufig, begrenzt und vergänglich. Der Frieden hingegen, den Jesus verheißt, bleibt für den, der ihn erlebt, in Ewigkeit. Aus diesem Frieden heraus versuchen viele, ihr Leben zu gestalten und Frieden zu stiften, wo dies möglich ist. Und sie erwarten den endgültigen Frieden für alle Menschen und Völker, wenn das Friedensreich des Auferstandenen anbricht. Das ist der Schalom, den die Welt braucht und der im Glauben an den Auferstandenen zu finden ist.
Es ist der Friede des Herzens. Es ist nicht mehr auf der Suche nach Befriedigung der Gelüste. Der Glaubende findet genug und übergenug im Frieden Gottes. Er ist nicht mehr auf der Suche nach Macht; Gott allein hat die Macht. Er ist nicht mehr auf der Suche nach Reichtum. Er ist reich in Gott. Er hat Frieden gefunden.