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Sendung zum Nachlesen
„Ich mach ein Lied aus Stille“ ist der erste Gedichtband, den Eva Strittmatter 1973 in der DDR herausbrachte. In den letzten Jahren ihres Lebens an den Rollstuhl gefesselt, auf ihre spannungsreiche Ehe mit dem Kommunisten und Schriftsteller Erwin Strittmatter blickend, hat sie versucht ihren „Weltinnenraum“ in leisen Tönen in der Einsamkeit zu beschreiben.
„Ich mach ein Lied aus Stille
Und aus Septemberlicht.
Das Schweigen einer Grille
Geht ein in mein Gedicht.“
Wenn ich Eva Strittmatters Verse lese, kann ich sie sitzen sehen: an ihrem Schreibtisch, in den Garten blickend. Und ich höre für mich eine leise Melodie, die mit ihrem Gedicht mitschwingt.
Eine leise Melodie, die ich schnell überhöre, während ich Unterricht vorbereite und Wäsche wasche, während ich klicke, scrolle, podcaste, streame.
Ich bin gerne dabei. Erkläre, kommentiere, bewerte, hinterfrage, erziehe, übertöne, um nicht überhört zu werden. Mein Lebenslied soll laut gesungen werden. Vorzugsweise in kräftigen Durklängen bei offener Flügelklappe und noch weiter geöffneten Fenstern. Hier bin ich! Im Stimmengewirr, im Statusgepose, im Lärmen um Nichts und Alles. Komm schon, gib alles! Schaffst Du.
Schaffst du. Bis irgendwann die Stimme versagt. Du die Fenster schließt und auch die Flügelklappe. Bis auf einmal Ohren und Augen schmerzen und das Herz wummert. Und doch niemand applaudiert, so sehr du dich auch mühst. So kräftig du deine Lebensarien im Alltag auch singst. Dann ist es Zeit für die leisen Lieder, den Mollakkord und Whiskey Sour. Dann ist es an der Zeit für den Blick in den Garten. Dann kommt die Stille von ganz allein.
Stille, in der du dich selbst wieder hören kannst. Und öfter auch Gottes Stimme, wenn du dir Zeit lässt. Kommst dir selbst wieder nah. Kommst Gott nah! Schaffst du.
„Es liegt im Stillsein eine wunderbare Macht der Klärung, der Reinigung, der Sammlung auf das Wesentliche“ schreibt der Theologe Dietrich Bonhoeffer. Für einen Augenblick sich selbst loslassen, auf sich selbst verzichten – auf Wünsche, auf Schmerzen. Für einen Augenblick Gott da sein lassen. Sich von Gott lieben lassen.
Wenn ich die Fenster wieder öffne und auch die Flügelklappe, singe ich mit ihm ein anderes, wo möglich ganz neues Lied.
„Ich mach ein Lied aus Stille.
Ich mach ein Lied aus Licht.
So geh ich in den Winter.
Und so vergeh ich nicht.“
Es gilt das gesprochene Wort.