Wort zum Tage
Gemeinfrei via unsplash/ Scott Warman
Es ist alles bereit
mit Pfarrerin Veronika Krötke
28.06.2022 06:20
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Ein merkwürdiger Abend. Nichts ist so geworden, wie er es sich vorgestellt hatte. Müde sitzt er an seiner Tafel, greift nach der Karaffe, um sich vom Wein nachzuschenken. Geredet hat er heute Abend nicht so viel wie sonst. Um ihn herum wird es merklich stiller. Nach und nach gehen die Gäste. Sie hinterlassen viele Flecken auf den Tischtüchern, halbvolle Gläser, überquellende Aschenbecher, umgeworfene Stühle. Auf dem Buffet liegen Überbleibsel des Essens. Er schrickt auf, als laut krachend die Tür ins Schloss fällt. Von draußen klingt Lachen an sein Ohr.

 

Kommt, es ist alles bereit.

Nun ist er allein. Anstatt sich nochmals einzuschenken, sucht er seine Jacke, bläst die runtergebrannten Kerzen aus. Wachsseen haben sich auf den Tischtüchern ausgebreitet. Aufräumen wird er morgen. Sorgsam schließt er die Tür ab. Die kühle Nachtluft lässt ihn frösteln und er sehnt sich nach seinem Bett. "Das wars", denkt er, als er ein paar Minuten später sein müdes Gesicht im Spiegel betrachtet. "Das wars. Was ist bloß aus meinem Fest geworden?"

 

Kommt, es ist alles bereit.

Er wollte feiern. Das Haus sollte voll werden. Auf jeden Fall.  Nicht mehr nur Arbeit, Geld ausgeben, verschulden, erziehen, funktionieren, Haltung bewahren. Endlich gemeinsames Essen, Trinken, Lachen, Austauschen und Tratschen, Kleider vorführen, einander verführen, tanzen, rauchen, genießen. So hatte er es sich gedacht. Und dann?

Fremd im eigenen Hause. Fremd unter fremden Gästen. Unbekannte, schmatzende,  müffelnde, saufende, tuschelnde  Gäste. Die es aber genossen haben. Und er selbst dann auch ein bisschen. Der Gastgeber aus dem Lukasevangelium hat das Abenteuer gewagt. Als es nicht klingelte an der Tür. Als knappe Entschuldigungen per SMS eintrudelten an seinem Abend. Fürs „Doch-Nicht-Kommen“. Geschäfte, überraschende Besuche, neue Liebschaften, kranke Kinder, die neue Wohnung, das kaputte Auto, Prüfungsstress, Abgabetermine, Kopfschmerzen. Was man so sagt. Was so sein kann. Was oft durchaus so ist. Was einen dennoch trifft. Mitten ins Herz. Tief hinein.

„Kommt, es ist alles bereit“ sagt Jesus im Gleichnis vom großen Gastmahl. Und dieser Gastgeber ist bereit. Wartet nicht weiter, sondern zieht los. Holt alle, die er am Stadtrand und unter den Brücken finden kann. Bis alle Plätze an seiner Festtafel besetzt sind. Ob er zornig oder beleidigt ist, vielleicht enttäuscht über das Fortbleiben seiner eigentlichen Gäste? Wer weiß?

Kommt, es ist alles bereit. Eine zweite solche Einladung wird es wohl nicht geben.

Es gilt das gesprochene Wort.