Wort zum Tage
Gottvertrauen gegen den Augenschein
28.12.2020 06:20
Sendung zum Nachlesen

"Von guten Mächten treu und still umgeben, behütet und getröstet wunderbar" - so beginnt der Text eines bekannten Liedes, geschrieben am 19. Dezember 1944 in einer Gefängniszelle. An jenem Tag schrieb der Theologe Dietrich Bonhoeffer aus dem Kellergefängnis des Reichssicherheitshauptamts in Berlin seinen letzten Brief an seine Verlobte Maria von Wedemeyer. Diesem Brief hat er sein Gedicht angefügt. Wenige Monate später, kurz vor Ende des Zweiten Weltkrieges, wurde Bonhoeffer, der wegen seines Widerstandes gegen Hitler seit 1943 inhaftiert war, im Konzentrationslager Flossenbürg ermordet.

Bonhoeffers Gedicht, geschrieben nach über anderthalbjähriger Haft, wurde mehr als 70mal vertont und gehört heute zu den bekanntesten Liedern aus unseren Gesangbüchern. Viele singen es in den Gottesdiensten und Andachten zum Jahreswechsel.

In der letzten Woche des Jahres 2020, 76 Jahre nach seiner Entstehung, soll uns dieses Lied im Abschied vom alten hinüber in das neue Jahr begleiten.

"Von guten Mächten treu und still umgeben,
behütet und getröstet wunderbar,
so will ich diese Tage mit euch leben
und mit euch gehen in ein neues Jahr."

In diesem Jahr höre ich diese Worte anders. Ich höre sie auf dem Hintergrund eines Jahres, das durch die Pandemie geprägt war und ist.

Wir haben nicht nur neue Begriffe gelernt, die den meisten vor einem Jahr noch völlig unbekannt waren. Lock Down und FFP-2-Masken, Soloselbständige und Covid-19 sind nur einige davon. Plötzlich ist eine Verletzlichkeit in unser Leben getreten, die uns verunsichert.  Sie zeigt, dass weder alles machbar noch alles planbar ist. Und das spüren die Menschen in Honkong genauso wie die in Kapstadt, in Berlin oder in Istanbul. Das Virus interessiert keine Grenzen, wir sind weltweit betroffen.

Wie klingt es, wenn in diesen Tagen Menschen den Text singen oder summen oder ihm lauschen:

"Von guten Mächten treu und still umgeben,
behütet und getröstet wunderbar…"

Es sind Worte, die in dunkelster Nacht geschrieben wurden. Gerade deshalb sind sie so tröstlich für viele: Worte gegen den Augenschein, für die Hoffnung, dass das was ist, nicht alles ist.

Worte, geschrieben in Unsicherheit und Angst.

Und heute gehört am Ende eines Jahres voller Verunsicherungen und Ängste.

Bonhoeffer findet Worte des Gottvertrauens, der Zuversicht und der Hoffnung, der Gewissheit und des Glaubens, dass wir nicht von allen guten Geistern verlassen, sondern – in aller Unruhe, allen Fragen und Sorgen von guten Mächten umgeben sind.

Dieses Vertrauen sagt mir:
Du bist behütet und getröstet wunderbar.

Es gilt das gesprochene Wort.