Gründe zum Loben

Gedanken zur Woche

Gemeinfrei via unsplash.com (Benjamin Davies)

Gründe zum Loben
Gedanken zur Woche mit Pfarrerin Lucie Panzer
09.08.2019 - 06:35
27.06.2019
Lucie Panzer
Über die Sendung

Das Gute im sogenannten normalen Leben wird leicht vergessen. Hinschauen üben hilft. Wer dankbar sein kann, sieht mehr. 

Die Gedanken zur Woche im DLF.

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Eigentlich können wir doch zufrieden sein hier in unserem Land. Das sagen viele; ich auch. Wir haben, was wir zum Leben brauchen: Essen und Trinken genug, Kleider, so viele, dass man manchmal ratlos vor dem Kleiderschrank steht und nicht weiß, was anziehen. Wenn weniger im Schrank wäre, wäre das Auswählen leichter, denke ich dann manchmal. Wir haben ein Dach über dem Kopf, eine ordentliche Wohnung. Wir leben in Frieden, seit über 70 Jahren. Niemand muss Angst haben, dass Bomben über Nacht sein Haus zerstören. Oder dass morgen die Nachricht kommt, dass der Mann oder ein Sohn im Kampf für irgendeine Sache umgekommen sind. Und wenn ich krank bin, dann gibt es eine Gesundheitsversorgung, von der man in anderen Gegenden der Welt nur träumen kann.

Das alles ist nicht selbstverständlich. Jeden Tag können wir Bilder sehen und Berichte hören von Menschen, die das alles nicht haben – hier bei uns im Land und erst recht anderswo. Aber hierzulande ist das einigermaßen normal, Gott sei Dank. Jedenfalls für die meisten.

Ja, aber, denken Sie jetzt vielleicht. Aber das ist doch nur die eine Seite. Und es ist wahr – noch immer gibt es viel zu viel Not in der Welt. Jeder 9. Mensch hat nicht das Nötigste zu essen, sagt die Welthungerhilfe. In Deutschland haben 650.000 Menschen gar keine Wohnung, stand vorige Woche in meiner Zeitung. Und wir hören von schrecklichen Morden und Gewalttaten, die unfassbar sind. Und der Sonderbericht des Weltklimarats, der gestern veröffentlicht wurde, ist erschreckend. Schon jetzt ist die globale Temperatur um fast ein Grad angestiegen. Die Lebensgrundlage von 500 Millionen Menschen weltweit sei bedroht, sagen sie.

Das alles ist wahr. Es ist auch wahr. Und die Schlagzeilen aus aller Welt machen auch mich unruhig und machen mir Angst. Am liebsten würde ich manchmal den Fernseher abschalten und das Smartphone auch und nichts mehr sehen und hören von all dem.

Dann hilft es mir, wenn ich mich erinnere: Mein Leben sieht zum Glück doch über weite Teile anders aus. Es gibt viele freundliche Begegnungen, verlässliche Beziehungen, Menschen, die ich liebe, es gibt Erfolge und Gelingen, Unterstützung und Zusammenhalt. Ich habe viel Grund, dankbar zu sein. Ja, Eigentlich geht es mir gut. Anscheinend haben Menschen diesen Normalfall ihres Lebens schon immer gern vergessen. Sogar beim Beten. In der Regel klagen Menschen, die beten. Bitten um Hilfe. Für das Gute im Leben zu danken – das vergisst man leicht. Und wird überwältigt von Sorgen und von den Schreckensnachrichten aus aller Welt.

Deshalb gibt es schon in den Gebeten der Bibel immer wieder diese Erinnerung: „Vergiss nicht, was Gott dir Gutes getan hat! Lobe den Herrn, meine Seele!“ (Psalm 103) Zum Loben und Danken muss man sich anscheinend einen Ruck geben, weil einem der gelingende Normalfall des Lebens gar nicht auffällt. „Lobe den Herrn meine Seele“: Damit stupst man seine Seele gewissermaßen an, ermuntert sich selbst: Sieh doch, wie gut es dir geht! Sie doch, wie schön diese Sommertage sind. Schau, was dir diese Woche gelungen ist. Was Gott dir geschenkt hat. Zu allen Zeiten waren solche Erinnerungen anscheinend nötig. Sogar im entsetzlichen 30jährigen Krieg hat Paul Gerhardt gedichtet: „Geh aus mein Herz und suche Freud…“ und mit seinem Lied an sich selbst und an andere appelliert: Rausgehen, suchen! Schaut doch, was es da gibt und was zum Vergessen zu schade ist.

Das gefällt mir; das will ich auch probieren. Ich möchte zu den Leuten gehören, die genau hinschauen und differenzieren, die besonnen und ruhig überlegen, was man tun kann für unsere Welt. Die nicht immer noch mehr rausholen wollen aus dem Leben, und damit verbrauchen, worauf andere nach uns angewiesen sind. Wer dankbar sein kann, kann sich besser begrenzen und kann leichter abgeben und mit denen teilen, die weniger haben.

Wer dankbar sein kann, kann auch seine persönlichen Sorgen begrenzen und besonnen mit ihnen umgehen. Auch deshalb: „Lobe den Herrn meine Seele“, vergiss das sogenannte normale Leben nicht, achte es nicht gering – du tust dir und anderen damit einen Gefallen.

 

Oder wie sehen Sie das? Sie können mitreden – auf Facebook unter „Evangelisch im Deutschlandradio“.

 

Es gilt das gesprochene Wort.

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27.06.2019
Lucie Panzer