Morgenandacht
Das Evangelium am Strand
17.09.2018 06:35
Sendung zum Nachlesen

Von Hamburg, wo ich lebe, ist es nicht weit bis zur Nordseeküste. Von Zeit zu Zeit fahre ich ans Meer, um meine Nase in den Seewind zu halten, mir auf dem Deich oder am Strand Kopf und Seele freipusten zu lassen… Dort, ganz nah am Meer, stellt sich bei mir ein Gefühl von Weite und Freiheit ein. Ich bin auf einer Hallig aufgewachsen. Mag sein, dass daher diese Landschaft ein Teil von mir geworden ist.

 

Die Weite des Meeres zieht viele Menschen an. Auch viele Wassersportler. Auf den Wellen mit dem Wind als Gesprächspartner sind sie in ihrem Element. Am Strand von St. Peter-Ording treffe ich zwei begeisterte Kite-Surfer…

 

Carsten Hokema:

"Wenn ich rausfahre zum Kiten, dann bin ich allein. Dann ist das Handy weg, dann kann mich keiner ansprechen, dann bin ich entspannt, und manchmal, nicht immer, aber manchmal komme ich auch ins Nachdenken, während ich so fahre, oder fange an, einen Choral zu summen oder so. Ich würde sagen, das ist für mich Schöpfungserlebnis total."

 

Sagt Carsten Hokema. Er ist Pfarrer, und für ihn gehören Kitesurfen und Drachenfliegen zu seinen liebsten Freizeitbeschäftigungen. Vor zehn Jahren gründete er das Projekt "ewigkite" – ein Wortspiel, die Endung "kite" wird hier geschrieben wie das englische Wort für ‚Drachen‘. Mit einem Team von ehrenamtlichen Mitarbeitern fährt er seitdem jeden Sommer zu Kitesurf-Wettbewerben und Drachenfestivals. Im Gepäck hat er dann eine aufblasbare Kirche, in der am Strand Gottesdienst gefeiert wird. Oder eine Hüpfburg in Kirchenform – da toben dann die Kinder. Für die erwachsenen Urlauber und Besucher, die vorbeikommen, gibt es Kaffee. Einfach da sein für die Menschen, ist das Motto. Und die Menschen sind durchaus offen für einen geistlichen Impuls, kommen mit Carsten Hokema ins Gespräch, über Gott und die Welt, über den Glauben, über Jesus Christus. Ihre Konfession spielt dabei keine Rolle.

 

Das Leitungsteam von "ewigkite" ist ökumenisch. Baptist Carsten Hokema hat jetzt einen neuen lutherischen Kollegen: Erik Neumann. Und die beiden passen gut zusammen. "Wir sind begeistert vom Evangelium", sagt Neumann. Und natürlich vom Surfen.

 

Erik Neumann:

"Diese Verbindung von richtig Power, von Geschwindigkeit, von Gischt, von Wasser, von den Elementen, Wind und Tempo – ach, das ist einfach, es ist ein Traum, es ist wirklich großartig und macht einfach riesig Spaß."

 

Und Hokema ergänzt:

 

Carsten Hokema:

"Es gibt einen Move, eine Art sich auf dem Wasser zu bewegen, der heißt tatsächlich "Jesus Walk". Das heißt, man fährt, nimmt das Brett in die Hände und läuft übers Wasser. Und diese Bewegung beim Kiten nennt sich sinnigerweise "Jesus Walk"."

 

Der Gang Jesu übers Wasser: Diese Übung sei aber sehr schwierig, sagen die beiden. Sie lachen, und ich staune, wie viele geistliche Anspielungen sich bei einem Sport wie Kitesurfen finden lassen. Den Spuren Jesu folgen – das geht also sogar auf dem Wasser. Wahrscheinlich wäre auch der See Genezareth, wo Jesus gewirkt hat, ein gutes Kite-Revier, vermuten die beiden Pfarrer. Sie sind überzeugt: Für alle, die Wind und Wellen lieben, gibt es in der Bibel viel zu entdecken.

 

Carsten Hokema:

"Also, für mich ist eine der bedeutendsten Geschichten gleich auf der ersten Seite der Bibel, wo es heißt, dass der Geist Gottes, als Gott die Welt schuf, dass der Geist Gottes über den Wassern schwebte. Und dieses Wort Geist ist das gleiche Wort wie Wind. Ruach. Also, man kann es übersetzen: der Wind Gottes oder der Geist Gottes schwebte … Und ich denke immer, wenn ich irgendwo Wind erlebe, dann denk ich, ja, der Geist Gottes ist heute auch noch da. Das ist für mich immer so ein Zeichen. Manchmal spüre ich nichts von Gott, manchmal merk ich vom Glauben nichts. Aber wenn dann irgendwo so ein Blättchen weht, dann denk ich, ach, entspann dich mal, Gott ist schon da."

 

Und das stimmt, denke ich. Gott ist längst da. In den Gezeiten. Im Sturm und im leisen Säuseln des Windes. Bei den Kitern und denen, die einfach nur Muscheln sammeln wollen. In der Weite des Horizonts, wo Himmel und Meer eins werden.

 

Es gilt das gesprochene Wort.