Gottspiel

Morgenandacht
Gottspiel
über die Friedensvision Jesajas
14.10.2019 - 06:35
18.07.2019
Anja Neu-Illg
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„Papa, wir spielen jetzt mal, dass ich Gott bin, ja?“ Die Duplosteine waren langweilig geworden, und gerade eben war sie noch das wunderschöne Dornröschen gewesen. Jetzt also Gott.

Wie dieses Spiel wohl geht? Ganz still stehe ich im Flur. Ich möchte mitbekommen was meine Dreijährige denkt, was Gott so macht. Will sie jetzt der Bestimmer sein und ihren Papa hierhin und dorthin schicken? Will sie mit göttlicher Kraft eine neue Welt erschaffen und ein paar Kreaturen darauf leben lassen?

„Ok, also du bis jetzt Gott. Ja, dann mach mal.“ Die Kleine steht auf, geht auf ihren Papa zu… und nimmt ihn fest in den Arm. Dann läuft sie in ihre Spielküche und richtet alles an, was sie so zu essen da hat. Sie legt ein Tuch auf den Boden und drapiert darauf Würstchen, Tomaten, Äpfel, Möhren, Fisch, Brezel, Kuchen, Käse, Melone, Pilze und Croissants. Eine große Tafel. Dann lädt sie alle ein, auch die großen und die kleinen Kuscheltiere. Alle sind dabei bei dem großen Fest. Dann ist das Gottspiel vorbei.

Gott umarmt also und gibt ein Festessen. Zumindest wenn es nach meiner kleinen Tochter geht. Wie sie wohl darauf gekommen ist? Gut, sie geht manchmal in die Kinderkirche und besucht auch einen evangelischen Kindergarten. Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass sie da das Thema Gottesbilder mit den Kleinen schon besprochen haben. Es gibt manchmal so Momente, wo man den evangelischen Kindergarten durchspürt, wenn z.B. zu Hause Medleys gesungen werden wie: „Meine Oma fährt im Hühnerstalle Motorrad…Kyrie Eleison, Kyrie Eleison.“ Sowas. Aber den alttestamentlichen Text aus dem Jesajabuch über das Festmahl Gottes für alle Völker hat da sicher noch niemand vorgelesen:

Und der HERR Zebaoth wird auf diesem Berge allen Völkern ein fettes Mahl machen, ein Mahl von reinem Wein, von Fett, von Mark, von Wein, darin keine Hefe ist. Und er wird auf diesem Berge die Hülle wegnehmen, mit der alle Völker verhüllt sind, und die Decke, mit der alle Heiden zugedeckt sind. Er wird den Tod verschlingen auf ewig. Und Gott der HERR wird die Tränen von allen Angesichtern abwischen und wird aufheben die Schmach seines Volks in allen Landen; denn der HERR hat's gesagt. Zu der Zeit wird man sagen: »Siehe, das ist unser Gott, auf den wir hofften, dass er uns helfe. Das ist der HERR, auf den wir hofften; lasst uns jubeln und fröhlich sein über sein Heil.« (Jesaja 25,6-9)

Eine große Vision von einer Zukunft bei Gott: Ein friedliches Festmahl für alle Völker. Ein Prosit auf das Ende des Todes. Die letzten Tränen werden vom Gesicht gewischt. Der Gastgeber dieses Festes ist Gott. Der Gott, auf den wir hoffen.

Meine kleine Tochter, die „als Gott“ Umarmungen verschenkt und den Tisch reich deckt, scheint diese Vision Jesajas zu kennen. Aber woher?

In den christlichen Gemeinden, die sie erlebt, ist dieses Zukunftsbild bekannt. Und man könnte nun sagen: Ja, gut. Mag sein, dass Gott uns und alle anderen mit einem großen Festmahl erwartet, dass alle in Frieden miteinander leben werden, dass wir das Ende des Todes mit Gott feiern werden… Doch bis dahin kommen wir mit rotem Tee, alten Konferenzkeksen und oberflächlichen Gesprächen doch ganz gut über die Runden.

Nein: Es wird gegessen und getrunken, es werden Waffeln gebacken und Pasta gekocht, es gibt Aufläufe und Eintöpfe für alle. Menschen nehmen einander in den Arm und unterhalten sich über das, was sie wirklich bewegt. Und bewegen auch ernsthaft die Frage, ob so eine Aussage wie „Bei uns sind alle willkommen“ auch wirklich ernst gemeint ist.


Jede Feier, jedes gemeinsame Essen, jedes Kuchenbuffet, jedes Abendmahl stärkt die Vision einer friedlichen und festlichen Zukunft bei Gott. Jede Umarmung und jedes Festessen gibt uns die Kraft, den Weg dorthin weiter zu gehen. Die Vorstellung davon, wie Gott ist, spiegelt sich in dem, was wir tun und wie wir miteinander sind. Schon ganz kleine Kinder ziehen ihre Schlüsse daraus, wie Gott wohl ist und wie das Gott-spiel geht. Ein Spiel, das den Appetit anregt. Und die Hoffnung.
 

Es gilt das gesprochene Wort.

18.07.2019
Anja Neu-Illg