Beten und Beten lassen

Morgenandacht
Beten und Beten lassen
06.08.2020 - 06:35
16.07.2020
Anja Neu-Illg
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Beten ist zwecklos. Genau wie Beziehungsgespräche.
Nämlich ohne Zweck. Ohne immer ein ganz bestimmtes Ziel, ein Ergebnis im Sinn zu haben.
Klar gibt’s in einer Beziehung einiges zu regeln, zu organisieren und zu planen. Es wird auch verhandelt, mal gekämpft, mal um etwas bestimmtes gebeten. Aber wenn Beziehungen immer nur Verhandlung, immer nur Kampf, immer nur auf etwas Bestimmtes aus sind, dann geht das nicht lange gut.

Gute Beziehungsgespräche haben die Beziehung selbst zum Ziel. Oder warum ruft man einen guten Freund oder eine gute Freundin an? Immer nur, weil man etwas Bestimmtes will? Weil man ein Anliegen hat, ein Ziel, das man erreichen möchte? Kann mal so sein, aber schön sind doch die Anrufe, die „einfach nur mal so… bisschen reden..., bisschen hören“ wollen.
Zwecklos eben. I just called to say, I love you.

So ist Beten auch. Nicht nur: Um etwas bestimmtes bitten. Sondern: Sich mit allem, was ist, Gott hinhalten. Mit aller Leidenschaft, mit aller Not, mit aller Last und mit allem Glück. Nicht, um etwas Bestimmtes zu erreichen, sondern um Vertrauen und eine Beziehung zu pflegen.

Ja, klingt gut. Würde ich gern machen. Weiß ich aber trotzdem nicht, wie das gehen soll.
Dafür gibt es einen, der das für mich übernehmen kann. Man kann quasi auch „beten lassen“, schreibt der Apostel Paulus im Römerbrief: „Der Geist hilft unsrer Schwachheit auf. Denn wir wissen nicht, was wir beten sollen, wie sich's gebührt, sondern der Geist selbst tritt für uns ein mit unaussprechlichem Seufzen. Der aber die Herzen erforscht, der weiß, worauf der Sinn des Geistes gerichtet ist; denn er tritt für die Heiligen ein, wie Gott es will.“ (Römer 8,26.27)

Tatsächlich kann es einem schon so gehen, dass man gerne beten möchte, die Worte aber im Hals stecken bleiben. Auch Pastorinnen haben nicht immer Worte. Manchmal kommt einem alles abhanden. Formulierungen, alte Lieder und was noch übrig ist, kommt einem abgestanden vor, unpassend und leer. Es hilft auch nichts, die Schwäche in viele Worte zu kleiden. Manchmal weiß ich einfach nicht mehr, was ich beten soll.

Dafür gibt es den Heiligen Geist. Paulus redet davon, dass der Geist uns vertritt. Wie ein Anwalt oder ein anderer, der für einen spricht, weil wir keine Worte haben. Der Heilige Geist vertritt uns - mit unaussprechlichem Seufzen. Tief atme ich ein. Lang atme ich aus. Was in mir ist, muss raus, auch wenn ich keine Worte dafür habe.

Unaussprechlich. Aber nicht unverständlich. Für Gott bleiben solche Seufzer nicht unverständlich. Er ruckelt sich sozusagen die Gebete schon selbst zurecht. Und dann passt das schon.
Wenn das so ist, dann muss das eigene Gebet nicht schüchtern und verdruckst sein, weil man sich lange nicht gemeldet hat. Gott macht sich selbst das Gebet dann schon so, dass es passt. Und rückt damit auch die Beziehung zurecht.

„Ich weiß schon, wie du es meinst.“ Anders als bei Menschen: Keine Missverständnisse, keine falschen Töne, kein falsches Wort. Also, für jeden, der Beten will: Einfach frei heraus damit, ohne falsche Scheu.

Natürlich kann man Beten auch lernen, klar. Bei den Psalmen, bei alten Liedern, bei Jesus, vom Vaterunser, von Gemeinschaften, von der Stille, von Lehrerinnen und Lehrern.

Kann man alles machen und das kann auch wirklich sinnvoll sein. Man kann aber auch einfach anfangen. Kein Gebet ist zu klein oder zu groß.
Alles findet seinen Platz vor Gott.

Und alles, was es dafür braucht, ist der Wunsch zu beten. Schon ein Seufzer kann da ein guter Anfang sein. So wie in diesem kurzen Gebet von Kurt Marti:

 „Gott, da du alles schon weißt,
mag ich nicht beten.
Tief atme ich ein,
lang atme ich aus.
Und siehe,
du lächelst.“

16.07.2020
Anja Neu-Illg